Sehr geehrter Fragesteller,
ich möchte Ihre Anfrage anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer ERSTberatung wie folgt beantworten:
1.
"Der Nichtöffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung steht nicht entgegen, dass der Verwalter im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu bestimmten Tagesordnungspunkten einen Rechtsanwalt als Berater zur Information und Meinungsbildung heranzieht, solange nicht ein konkreter Interessengegensatz zwischen einem einzelnen Wohnungseigentümer und der Gesamtheit der übrigen Wohnungseigentümer hervorgetreten ist und kein Wohnungseigentümer der Anwesenheit des Dritten widerspricht. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass der Beratungsbedarf gerade in der Versammlung besteht, nur hier sachgerecht erfüllbar ist und die Beratung bei objektiver Betrachtung allen anwesenden Eigentümern zugute kommt." OLG Köln, Beschluss vom 22. 6. 2009 - 16 Wx 266/08
in NZM 2009, 787
Die Gerichte (es gibt noch mehr Entscheidungen) stellen auf den Einfluss der Willensbildung ab und ob die Wohnungseigentümer die Anwesenheit geduldet bzw. beschlossen haben.
2.
Beschlüsse sind nichtig nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG
, soweit diese gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen, auf deren Einhaltung nicht rechtswirksam verzichtet werden kann.
Diese unabdingbaren Rechtsvorschriften sind:
§§ 5 Abs. 2
, 19
, 23 Abs. 3
, 26 Abs. 1 Satz 2
, 27 Abs. 3 WEG
Grundsätzlich anfechtbar (und nicht ungültig) sind Beschlüsse, die unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen zustande kommen (§ 23 Abs. 4 Satz 1 WEG
).
Diese Beschlüsse sind gültig, können aber (nur) innerhalb der Frist nach § 23 Abs. 4
, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG
, gerichtlich beantragt, angefochten werden. Das Gericht entscheidet dann rechtskräftig rückwirkend auf den Tag der Beschlussfassung (§ 44 Abs. 4 WEG
).
Dazu gehören u.a. falsche Stimmauszählung und Vertretung, Einberufungsmängel...
Hinsichtlich der Unterschriften des Protokolls kann ich mir keine Fehler vorstellen, da nur der Vorsitzende UND EIN Wohnungseigentümer unterzeichnen müssen, plus Verwaltungsratvorsitzenden, soweit vorhanden. Ansonsten mangelt es nur an der Beweiskraft. Ausnahme in der Teilungserklärung bzw. durch Vereinbarung (einstimmig nachträglich) ist die Notwendigkeit zwingend bestimmt, dann gilt wieder § 23 Abs.4 Satz 2 WEG
. (anfechtbar).
Aber das wissen Sie doch schon. ;)
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Ich hoffe, dass ich Ihnen eine erste Orientierung in der Sache geben konnte.
Sollte sich der Sachverhalt doch etwas anders darstellen, nutzen Sie bitte die Nachfrage.
Sie können mich jederzeit über die Kontaktdaten in meinem Profil erreichen und auch in anderen Angelegenheiten beauftragen.
Es sei noch der Hinweis erlaubt, dass die rechtliche Einschätzung ausschließlich auf den von Ihnen mitgeteilten Tatsachen beruht und dass durch das Hinzufügen oder Weglassen von weiteren tatsächlichen Angaben die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen kann.
Antwort
vonRechtsanwalt Heiko Tautorus
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Rechtsanwalt Heiko Tautorus
Verständnis-Nachfrage:
ein Verwalter hat also grundsätzlich das Recht durch einen mehrheitlich gefassten GO-Beschluss einen Handwerker, Anwalt etc. zu einem speziellen TOP einzuladen, eagl ob eine Teilnahmebeschränkung in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung verankert ist?
Formelle Fehler, wie fehlende oder unvollständige Vertretungsvollmacht, falsche Vollmacht oder eine fehlende Unterschrift etc., haben lediglich zur Folge dass die gefassten Beschlüsse anfechtbar, aber NICHT nichtig sind?
Schönes WE!
Sehr geehrter Fragesteller,
ich hoffe, Sie hatten ein angenehmes langes Wochenende.
Zunächst eine Berichtigung:
"...Diese Beschlüsse sind gültig, können aber (nur) innerhalb der Frist nach § 23 Abs. 4
, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG
, gerichtlich beantragt, angefochten werden..."
§ 43 Nr. 4 WEG
klärt nur die Zuständigkeit.
Richtigerweise ist die Monatsfrist in § 46 Abs. 1 WEG
gesetzlich fixiert.
"ein Verwalter hat also grundsätzlich das Recht durch einen mehrheitlich gefassten GO-Beschluss einen Handwerker, Anwalt etc. zu einem speziellen TOP einzuladen, eagl ob eine Teilnahmebeschränkung in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung verankert ist?"
Nein, wenn ein Miteigentümer widerspricht, ist der Berater draußen oder der folgende Beschluss ist anfechtbar.
Mehrheitsbeschluss impliziert in der Regel Gegenstimmen.
Durch einstimmigen Beschluss/Vereinbarung ist dies aber bei entgegenstehenden Erklärungen in der Gemeinschaftsordnung möglich.
Die Frage müsste lauten, bedarf es eines Beschlusses, den Berater zum TOP sprechen zu lassen.
"Formelle Fehler, wie fehlende oder unvollständige Vertretungsvollmacht, falsche Vollmacht oder eine fehlende Unterschrift etc., haben lediglich zur Folge dass die gefassten Beschlüsse anfechtbar, aber NICHT nichtig sind?"
Grundsätzlich ja, (Ausnahmen siehe oben), soweit dies der EINZIGE Fehler ist. Z.B. kann (auch) ein formeller Fehler in einem mit Mehrheit gefassten Beschluss nicht dazu führen, dass eine notwendige EIMSTIMMIGKEIT umgangen wird. Da das Fehlen der Einstimmigkeit das Beschlossene nichtig macht.
"...Die Nichtigkeit eines Beschlusses kann sich ferner daraus ergeben, dass der Beschluss seinem Inhalt nach gegen andere zwingende Vorschriften (Merle, in: Bärmann, § 23 Rdnr. 128; Staudinger/Bub, BGB Neubearb. 2005, § 23 WEG
Rdnrn. 251ff.) oder die guten Sitten (Senat, BGHZ 129, 329
[333f.] = NJW 1995, 2036
; Merle, in: Bärmann, § 23 Rdnr. 123) verstößt, in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift (OLG Hamm, NJW-RR 1986, 500
[501f.]; Merle, in: Bärmann, § 23 Rdnr. 127) oder die Grenzen der Beschlusskompetenz der Gemeinschaft überschreitet (Senat, BGHZ 145, 158
[163] = NJW 2000, 3500
= NZM 2000, 1184
; Merle, in: Bärmann, § 23 Rdnrn. 137, 142f.). ..." BGH, Urteil vom 27. 3. 2009 - V ZR 196/08
(LG Frankfurt a.M.) in NJW 2009, 2132
.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Tautorus
Rechtsanwalt