Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1) Ist es rechtlich zulässig, dass die Krankenkasse so vorgeht?
Mit dem Bewilligungsbescheid (§ 33 Abs. 1 SGB V) hat die Krankenkasse ihre Leistungspflicht dem Grunde nach anerkannt. Das bedeutet: Die medizinische Notwendigkeit ist geprüft, das Hilfsmittel ist genehmigt.
Aber: Die Krankenkasse kann die Versorgung im Rahmen der Sachleistung (§ 2 Abs. 2, § 33 Abs. 1 SGB V) auf bestimmte Leistungserbringer (z. B. Sanitätshäuser) beschränken, wenn mit diesen Vertragspartnern Versorgungsverträge bestehen (§ 127 SGB V).
Die Krankenkassen schließen Verträge mit Leistungserbringern. Versicherte haben dann Anspruch auf Versorgung im Rahmen dieser Verträge. Daher ist es zulässig, wenn die Kasse eine Versorgung nur im Rahmen ihrer Vertragspartner erlaubt und bei anderen Anbietern nur eine (geringere) Pauschale übernimmt. Nicht zulässig ist aber, dem Versicherten die Versorgungsorganisation vollständig zu überlassen, wenn:
- der Versicherte nicht erkennen kann, wer Vertragspartner ist,
- und die Leistung bereits bewilligt wurde, ohne auf Einschränkungen hinzuweisen.
2) Habe ich als Patient eine eingeschränkte Wahlmöglichkeit bzgl. Sanitätshäusern und wann habe ich dazu eingewilligt?
Ja, Ihre Wahlfreiheit ist eingeschränkt, aber nicht vollständig aufgehoben.
Gemäß § 33 Abs. 6 SGB V dürfen Krankenkassen Rahmenverträge mit Leistungserbringern (z. B. Sanitätshäusern) abschließen. Diese regeln z. B. Pauschalen, Wartungspflichten etc.
Sie als Versicherter sind grundsätzlich an diese Verträge gebunden, sofern sie nicht gegen Ihre Interessen oder das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) verstoßen. Eine ausdrückliche Einwilligung Ihrerseits ist nicht erforderlich, da die Versorgung auf gesetzlicher Grundlage erfolgt.
Wenn kein Vertragspartner bereit ist, zu den Vertragskonditionen zu liefern, muss die Kasse eine alternative Versorgung ermöglichen, etwa über eine Einzelfallregelung oder Kostenübernahme bei einem nichtvertraglichen Anbieter.
3) Muss die Krankenkasse Ihnen mitteilen, wer die Versorgung übernimmt?
Die Krankenkasse ist gemäß § 17 SGB I und dem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren (§§ 13–15 SGB I, § 25 SGB X) zur Beratung und Information verpflichtet. Dazu gehört auch, dass Sie als Versicherter klar und verständlich darüber informiert werden, wo und wie Sie die genehmigte Leistung erhalten können.
Eine bloße Verlagerung der Verantwortung auf Sie ist nicht zulässig, insbesondere wenn Sie nicht über die Vertragslage informiert sind (LSG NRW, Urteil vom 25.10.2012 – L 5 KR 588/11)
4) Welche Möglichkeiten haben Sie?
- Widerspruch gegen das Schreiben / Vorgehen der Kasse einlegen. Sie können formlos darauf hinweisen, dass das Hilfsmittel bewilligt wurde; die Krankenkasse verpflichtet ist, die Versorgung sicherzustellen; Sie nicht in der Lage sind, interne Vertragspartner zu recherchieren; das benannte Sanitätshaus wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Versorgung zu übernehmen
- Fordern Sie die Krankenkasse schriftlich auf, innerhalb von 14 Tagen einen konkreten Anbieter zu benennen, der die Versorgung sicherstellt. Der pauschale Verweis auf andere Sanitätshäuser genügt hier nicht.
- Wenn die Krankenkasse untätig bleibt oder die Versorgung blockiert, kann eine Klage auf Versorgung mit dem genehmigten Hilfsmittel vor dem Sozialgericht erhoben werden.
- Falls Sie das Hilfsmittel auf eigene Kosten beschaffen müssen, könnte eine Erstattungspflicht bestehen. Dafür muss aber ein dringender, unaufschiebbarer medizinischer Bedarf bestehen und die Krankenkasse zuvor nicht tätig geworden sein.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
El-Zaatari
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Mohamed El-Zaatari
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Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari
Guten Tag Herr El-Zaatari,
ich habe noch einige Rückfragen:
zu 1) Könnten Sie mir bitte für:
"Nicht zulässig ist aber, dem Versicherten die Versorgungsorganisation vollständig zu überlassen, wenn:
- der Versicherte nicht erkennen kann, wer Vertragspartner ist,
- und die Leistung bereits bewilligt wurde, ohne auf Einschränkungen hinzuweisen"
Können Sie mir hier bitte noch eine Rechtsgrundlage und/oder ein Gerichtsurteil nennen?
zu 2) "Wenn kein Vertragspartner bereit ist, zu den Vertragskonditionen zu liefern, muss die Kasse eine alternative Versorgung ermöglichen, etwa über eine Einzelfallregelung oder Kostenübernahme bei einem nichtvertraglichen Anbieter."
Können Sie mir hier bitte noch eine Rechtsgrundlage und/oder ein Gerichtsurteil nennen?
zu 4) "Der pauschale Verweis auf andere Sanitätshäuser genügt hier nicht."
Können Sie mir hier bitte noch eine Rechtsgrundlage und/oder ein Gerichtsurteil nennen?
Freundliche Grüße
Gerne beantworte ich Ihre Nachfrage:
Zu 1)
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R klargestellt, dass die Krankenkasse die Hilfsmittelversorgung in zumutbarer Zeit gewährleisten muss. Kommt sie ihrer Pflicht nicht nach, kann der Versicherte das Hilfsmittel selbst beschaffen und die Kosten erstattet verlangen.
Zu 2)
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in seinem Urteil vom 18.06.2014 – L 1 KR 83/13 entschieden, dass die Krankenkasse ihre Verpflichtung zur Krankenbehandlung erst dann erfüllt hat, wenn sie den Versicherten unter Einschaltung eines Leistungserbringers mit dem erforderlichen Hilfsmittel versorgt hat.
Zu 4)
Dies habe ich in meiner Ausgangsantwort unter Nr. 3 zugrunde gelegt. Hier wird genau diese Problematik behandelt.
Mit freundlichen Grüßen
El-Zaatari
Rechtsanwalt