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Verletzung Aufsichts- oder Fürsorgepflicht bei Jugendlichen ab 14. Jahren?

29. Mai 2021 19:33 |
Preis: 51,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Bernhard Müller

Wir würden gerne als Eltern einmal für eine Woche ohne die Kinder in Urlaub fahren. Unsere 12-Jährige Tochter würden wir bei der Oma unterbringen, diese „schafft" jedoch nicht mehr alle drei… Unseren 16-Jährigen und unseren 14-Jährigen würden wir „allein" zu Hause lassen, wir trauen ihnen dies grundsätzlich zu. Notfallkontakte und Netzwerk sind organisiert - in 5-10min können z.B. ein benachbarter Freund anwesend sein. Die beiden Jungs freuen sich über die sturmfreie Bude und sind in der Lage, sich an Regeln (Keine Partys, Herd ausmachen etc.) zu halten. Schulbesuch etc. sind geregelt. Verstoßen wir in dieser Konstellation gegen die Aufsichts- oder Fürsorgepflicht oder wäre die Abwesenheit über mehrere Tage möglich?

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Es kommt zunächst auf die Jugendlichen an. Wenn in der Vergangenheit ständig die Polizei vor der Tür stand, weil die irgend etwas angestellt haben, dann kann man die nicht eine Woche allein lassen. Wenn es da noch nie einen Vorfall gegeben hat, spricht das dafür, dass die eine Woche allein zuhause bleiben können.

Wenn die beiden sich ständig prügeln, kann man sie nicht solange unbeaufsichtigt lassen. Wenn die beiden sich überwiegend vertragen und nicht mehr streiten, als zwischen Geschwistern üblich und normal ist, dann kann man die schon mal allein lassen.

Wenn die vorgenannten Kriterien für eine sturmfreie Bude sprechen und die beiden körperlich und geistig normal entwickelt sind, dann spricht nichts dagegen, diese mal eine Woche allein zu lassen.

§ 1626 Absatz 2 Satz 1 BGB lautet:

Zitat:
Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln.


Wenn keines der vorgenannten Kriterien gegen die Kinder spricht, dann zwingt § 1626 Absatz 2 Satz 1 BGB Sie geradezu dazu, mal eine Woche Urlaub ohne die Jugendlichen zu machen.

Die Jugendlichen haben das Bedürfnis, nicht ständig von den Eltern bespitzelt zu werden und Sie geben diesen nach § 1626 Absatz 2 Satz 1 BGB die Gelegenheit zu beweisen, dass sie mit einer sturmfreien Bude zurecht kommen.

Füllen Sie den Kühlschrank auf, bevor Sie losfahren. Lassen Sie den beiden genügend Geld da, damit diese sich notfalls Nachschub an Essen und Trinken besorgen können und dann fahren Sie in Urlaub.
Wenn das Geld alle ist, rufen die Jugendlichen Sie an und sagen Ihnen, dass Sie zurück kommen sollen. Ob das wirklich schon nach einer Woche oder erst nach 2 Wochen sein wird, wird sich zeigen.

Normal entwickelte Jugendliche kann man schon mal ein oder 2 Wochen unbeaufsichtigt lassen.

Wenn Sie zurück kommen, bevor Sie von den beiden gerufen werden, seien Sie so fair, die Rückkehr einen Tag vorher anzukündigen, damit Sie bei der Rückkehr nicht stören!
Ich gehe davon aus, dass 14 und 16 Jährige sich nicht nur an Regeln halten können, sondern was viel wichtiger ist, auch den Sinn von Regeln hinterfragen und zwischen sinnvollen Regeln und sinnlosen Regeln unterscheiden können.
Wenn die beiden zu denen gehören würden, die nachts bei leerer Straße warten, bis die Ampel grün wird, bevor sie die Straße überqueren, hätten Sie bei der Erziehung etwas falsch gemacht.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 30. Mai 2021 | 07:07

Herzlichen Dank für Ihre lebensbejahende Antwort. Im Prinzip haben wir uns ähnliche Gedanken gemacht. Es ist also ausreichend, wenn wir unsere Kinder als ausreichend „reif" und verantwortungsvoll betrachten, mit unserer Abwesenheit unter soweit wie möglich beschützen Umständen umzugehen. Eine detailliertere Rechtsvorschrift, die Altersgrenzen und/ oder erlaubte Abwesenheitszeiträume definiert, oder eine bekannte Rechtspraxis die z.B. besagen würde - ab 48h wird’s verantwortungslos - existiert also nicht?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 30. Mai 2021 | 08:15

Sehr geehrter Fragesteller,

es ist tatsächlich ausreichend, dass Sie aufgrund der bisherigen Erfahrungen zu dem Ergebnis kommen, dass Ihre Kinder reif genug sind. Eine konkrete Vorschrift, die jedem Lebensalter eine erlaubte Abwesenheitsspanne der Eltern zuordnet, gibt es nicht. Eine solche Vorschrift kann es auch nicht geben, weil die Kinder dazu zu unterschiedlich sind. Es gibt Jugendliche, die bei Fridays for Future mitmachen und mit 14 schon eine größere Fähigkeit zum verantwortungsbewusstem Handeln haben, als die meisten Erwachsenen einschließlich der Mitglieder der Bundesregierung. Es gibt aber auch Menschen, die mit 20 noch nicht bis 3 zählen können. Es ist völlig unmöglich hier eine Alterszuordnung zu finden, die allen gerecht wird. Die Eltern kennen ihre Kinder am Besten. Deshalb hat Artikel 6 Grundgesetz das Recht zur Erziehung auch zuerst den Eltern und nicht dem Staat zugeordnet. Zur Erziehung gehört auch, dass die Kinder lernen selbständig zu werden und das, was sie schon können, auch allein machen dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

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