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Unzulässige Anfechtung im Leistungsfall

12. August 2011 18:15 |
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Versicherungsrecht, Privatversicherungsrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

folgender Sachverhalt:

Ich habe eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei einer Privatversicherung. Diese wurde im Jahr 2009 abgeschlossen. Im Januar 2011 beantragte ich bei derselben Versicherung eine Unfallversicherung. Bei der Antragsstellung merkte ich, dass ich meine Krankheit Tremor und einige andere Krankheiten vergessen hatte bei der BU im Jahr 2009 anzugeben.

Ich schrieb deshalb an die Versicherung per Mail Anfang Februar 2011:
Betreff Versicherung 1a (UV) Versicherung 1b (BU) und Versicherung 1c (Krankenversicherung) und weitere Datenabgleichshinweis

"Mir ist jetzt auch zufällig aufgefallen, dass mit o.g. Unfallversicherung für Sie evtl. relevante Gesundheitsdaten bestehen die in den anderen o.g. Versicherungen noch nicht erfasst sind.MfG"

Bald darauf die Antwort:

Re:Versicherung 1a, 1b, 1c Datenabgleichshinweis

"Versicherung 1a
Wir werden ihre weiteren Angaben zu den Vorerkrankungen prüfen......

Bezugnehmend auf diese Mail schrieb ich kurz darauf:

ReRe: Versicherung 1a,b,c, Datenabgleichshinweis, Vertragsfortführung, Rechtssicherung

"1.Bitte senden Sie mir zu o.g. Lebens- und Krankenversicherung eine Forderung offener Beiträge per E-Mail, dass ich diese ausgleichen kann und als eindeutige Bestätigung Ihrerseits zur Fortführung dieser Verträge wie bisher und Kündigungs/Beendigungsverzicht ab Eingang der Beiträge.Mfg

2.Ich möchte nochmals verdeutlichen, dass ich mit Zusendung der Beitragsforderungen an mich und folgender unverzüglicher Zahlung durch mich/Annahme der Beiträge durch Sie oder Ihrer Zusage rechtssicherungsbefriedigt davon ausgehe, dass meine Verträge nicht mehr von jedweder Beendigung bedroht sind (Kündigung, Anfechtung, Widersprüche etc. (was auch immer hier möglich ist)) und mit Ihrem Einverständnis weitergeführt werden, insbesondere da in der Krankengeldversicherung bereits ein Leistungsfall eingetreten ist."

Daraufhin erhielt ich Antwort per Post:
Wir beziehen uns auf Ihre Mail vom ... Vertragsfortf./Rechtssicherung
Die offenen Beiträge sind
1a ..€
1b ..€
1c ..€
Anliegend erhalten Sie eine Einzugsermächtigung.

Daraufhin überwies ich die Beiträge und erteilte Lastschrift EE , da ich meiner Meinung nach davon ausgehen konnte, dass die Verträge weitergeführt werden.

Nun ist jedoch ein Leistungsfall eingetreten und damit hat die Versicherung auch die Einhaltung der vorvertraglichen Anzeigepflicht geprüft. Dabei wurde mir am 26.06.2011 mitgeteilt, dass ich die Krankheit Tremor bei Antragsstellung nicht gemeldet habe. Ich legte den Sachverhalt nochmals wie oben beschrieben dar und bezog mich darauf, dass die Versicherung in Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung den Vertrag weitergeführt hat.

Am 01.08.2011 erreichte mich nun die Rücktrittserklärung mit gleichzeitiger Anfechtung der BU Versicherung mit der Begründung ich habe den Tremor arglistig zumindest grob fährlässig nicht angegeben und dass daher keine Leistung erbracht wird. Weiterhin wurde mitgeteilt, dass die Nachmeldung die BUabteilung nie erreicht hat und die Unfallversicherungabteilung davon ausging, dass ich nur eine Aufstellung offener Beiträge wolle und der Vertrag nach versicherungsmedizinischen Vorgaben bei einer Nachmeldung beendet worden wäre.Meiner Meinung nach wäre der Rücktritt alleine schon nicht fristgerecht.

Meine Fragen:
1. Ist das anfechtungsberechtigte Geschäft konkludent bestätigt worden mit der Aufstellung der Beitragsforderung in Kenntnis der Rechte nach § 19 VVG , ebenso Frage für den Rücktritt? Ist daher die Anfechtung/der Rücktritt vom 01.08.2011 eine unzulässige Rechtsausübung?
2.Kann sich die LV Abteilung herausreden indem sie behauptet sie hätte die Nachmeldung von der UV Abteilung nie erhalten und weil die UV dachte ich wolle nur eine Beitragsaufstellung?
3.Ist eine Anfechtungserklärung empfangsbedürftig? (allgemeine Frage ohne Bezug auf den Fall)
Danke auch für Angabe von Quellen zur Rechtssprechung

12. August 2011 | 20:28

Antwort

von


(4)
Niedernstraße 121
20095 Hamburg
Tel: 040-50745104
Web: https://www.rechtsanwalt-preusser.de
E-Mail:

Sehr geehrter Fragesteller,

unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes und Ihres geschilderten Sachverhalts möchte ich Ihre Frage wie folgt beantworten:

1. Ist das anfechtungsberechtigte Geschäft konkludent bestätigt worden mit der Aufstellung der Beitragsforderung in Kenntnis der Rechte nach § 19 VVG , ebenso Frage für den Rücktritt? Ist daher die Anfechtung/der Rücktritt vom 01.08.2011 eine unzulässige Rechtsausübung?

Die Frage ist, ob Kenntnis überhaupt eingetreten ist. Kenntnis bedeutet positives Wissen. Dabei reicht es jedoch nicht aus, wenn einzelne Mitarbeiter, die mit dem Vorgang in Berührung gekommen sind, Kenntnis von den Umständen bekommen haben. Vielmehr kommt es auf die Kenntnis der Abteilung oder desjenigen an, dem die Sach zugeteilt ist und insoweit die Entscheidungen darüber fällt (BGH 123, 224 ; 132, 30; OLG Köln, Urteil vom 03.04.2009 - 20 U 168/08 ). Ich gehe daher davon aus, dass der E-Mail Verkehr zwischen Ihnen und der UV-Abteilung nicht für eine positive Kenntnis der BU-Abteilung spricht. Daher liegt auch keine unzulässige Rechtsausübung vor.

2.Kann sich die LV Abteilung herausreden indem sie behauptet sie hätte die Nachmeldung von der UV Abteilung nie erhalten und weil die UV dachte ich wolle nur eine Beitragsaufstellung?

Leider aufgrund des oben gesagten, ja. Die Beweislast hinsichtlich der Kenntniserlangung trägt der Anfechtungs-/Rücktrittsgegner, dass heißt Sie.

3.Ist eine Anfechtungserklärung empfangsbedürftig?

Die Anfechtung ist eine formfreie empfangsbedürtige Willenserklärung, dass heißt sie muss vom Erklärenden (die Versicherung) abgegeben und beim Empfänger (Sie) zugegangen sein. Die Beweislast für den Zugang trägt derjenige, der sich darauf beruft.

Ich hoffe Ihnen hiermit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Katrin Preusser
Rechtsanwältin

Internet: www.rechtsanwalt-preusser.de
E-Mail: kontakt@rechtsanwalt-preusser.de

Abschließend möchte ich Sie darauf hinweise, dass diese Plattform lediglich zur ersten rechtlichen Orientierung dient und eine ausführliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann. Es ist nur eine erste Einschätzung Ihres Rechtsproblems aufgrund Ihrer Angaben zum Sachverhalt möglich. Durch Hinzufügen oder Weglassen von Angaben zum Sachverhalt kann sich eine abweichende rechtliche Bewertung ergeben.


Rückfrage vom Fragesteller 12. August 2011 | 21:42

Danke zunächst für die Antwort:

Nach meiner Recherche Ihrer angegebenen Rechtsquelle BGHZ 123,224 stellt sich mir die Sache jedoch anders dar. Dort heißt es, dass der Versicherer Kenntnis erlangt von einem ihm zugänglichen Datensatz, wenn er Anlass hatte diesen abzurufen. Indem ich die Versicherung deutlich darauf hinwies, dass in der UV Gesundheitsdaten eingereicht sind die in der BU Versicherung nicht erfasst sind, habe ich diese Voraussetzung erfüllt. Folglich dürfte die Versicherung Kenntnis davon erlangt haben. Bitte nochmals Ihre Ansicht dazu. Als Ergänzung dazu vielleicht noch, dass die E-Mail an die zentrale E-Mailadresse der Versicherung ging und nicht explizit an eine spezielle Unfallversicherung.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 13. August 2011 | 17:03

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage beantworte ich gerne wie folgt:

Für die Ausübung der Anfechtung kommt es auf die positive Kenntnis vor Vertragsschluss an. Auch in der Entscheidung BGHZ 123, 224 (ich muss mich hier entschuldigen, da ich das Urteil mit Fundstelle BGHZ 134, 343 meinte) ging es um die Kenntniserlangung vor Vertragsschluss aufgrund der bereits vorhandenen Informationen in der Datenbank. Da die Kenntniserlangung in diesem Fall bejaht wurde, lag auch keine arglistige Täuschung vor. In Ihrem Fall geht es jedoch nicht darum, ob Ihr Versicherer positive Kenntnis vor Vertragsschluss Ihrer BU-Versicherung hatte. Daher ist diese Rechtsprechung auf Ihren Fall nicht direkt anzuwenden. Ob die Grundsätze auch anzuwenden sind, wenn eine arglistige Täuschung vor Vertragsschluss angenommen werden kann und es insoweit auf eine nachträgliche Kenntniserlangung hinsichtlich bei Vertragsschluss nicht angegebener Vorerkrankungen ankommt, die nach Vertragsschluss in einer Datenbank vorhanden waren, ist abschließend noch nicht entschieden worden. Eine sichere Beurteilung ist daher nicht möglich.


„Als Ergänzung dazu vielleicht noch, dass die E-Mail an die zentrale E-Mailadresse der Versicherung ging und nicht explizit an eine spezielle Unfallversicherung."

In der Tat kann der Sachverhalt dann anders beurteilt werden. Es fragt sich hier, ob im Rahmen der Wissenszurechnung die Kenntnis desjenigen ausreicht, der die zentrale E-Mailadresse verwaltet. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB ) eine Pflicht zur Organisation eines Informationsaustausches innerhalb des Betriebes ergibt (BGHZ 132, 30 ). Eine abschließende Beurteilung kann jedoch anhand Ihrer Angaben nicht mit hinreichender Sicherheit gegeben werden.

Wenn man nun zum Ergebnis kommt, dass eine Wissenszurechnung vorlag und man damit von positiver Kenntnis ausgehen kann, dann stellt sich auch die Frage des Rechtsmissbrauchs. Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann dadurch gegeben sein, dass der Versicherer konkludent auf die Anfechtung/Rücktritt verzichtet hat. Soweit der Verzicht jedoch nicht ausdrücklich erklärt wird, sind an die Feststellung eines in der Erklärung zum Ausdruck kommenden Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen. Dabei kann etwa allein durch die Einziehung der Prämie ein solcher Verzichtswille nicht entnommen werden, auch dann nicht, wenn die Prämie eingezogen wird, nachdem der Versicherer die Anfechtung erklärt hat (OLG Köln VersR 1998, 85 ). In Ihrem Fall wurden Ihnen die offenen Beiträge zu Ihren Versicherungen genannt und eine Einzugsermächtigung mitgegeben. Insoweit würde das nicht für einen Verzichtswillen sprechen, wenn man die OLG Entscheidung heranziehen würde. Der Verzicht auf das Anfechtungsrecht ist dabei vom Versicherungsnehmer nachzuweisen.

Eine andere Möglichkeit ist die Verwirkung der Jahresfrist. Das kann etwa dann vorliegen, wenn der Versicherer in ganz ungewöhnlicher Weise den Versicherungsnehmer in der Annahme bestärkt hat, der Vertrag werde nicht angefochten (BGH NJW 1971, 1795 ). Ob in der Antwort Ihres Versicherers eine Bestärkung liegt, den Vertrag nicht anzufechten, ist ebenfalls Auslegungssache. Dafür sprechen könnte etwa, dass Ihr Versicherer sich in der Antwort per Post auf Ihre E-Mail und Vertragsfortf./Rechtssicherung bezieht. Dagegen sprechen könnte etwa, dass keine weiteren Angaben dazu gemacht wurden, sondern nur auf die Beiträge eingegangen wird. Eine abschließende Beurteilung kann ich dazu nicht treffen.

Es tut mir Leid, dass ich Ihnen kein abschließendes Ergebnis liefern kann. Es handelt sich in Ihrem Fall um eine sehr schwierige Rechtslage, die im Rahmen dieser Erstberatung nicht abschließend zu beurteilen ist. Daher würde ich Ihnen dazu raten, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden.

Ich hoffe jedoch, dass ich Ihnen hiermit eine bessere Einschätzung geben konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Katrin Preusser

ANTWORT VON

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