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Sozialversicherungsrecht bei Selbständigen in Dtl. und Auftraggebern in der EU

| 29. Oktober 2012 18:10 |
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Sozialversicherungsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Yvonne Bellmann

Ich bin seit 2007 als Freiberufler (Volkswirtschaftliche Beratung) in Dtl. angemeldet. Ebenso bin ich seit 2008 nach polnischem Recht als Freiberufler (im Bereich IT-Consulting) in PL angemeldet. Mein Wohnsitz ist in Dtl. Ich verdiene aber seit 2008 über 90% meines Einkommens als polnischer Freiberufler in Polen bei einem poln. Auftraggeber (nicht angestellt, ich schreibe Rechnungen als poln. Freiberufler an den poln. AG). In Dtl. habe ich in den letzten 12 Monate als dt. Freiberufler keine Aufträge mehr gehabt.

Ort meiner Tätigkeit: Ich habe seit 2008 in Polen ein Büro gemietet. Welchen Teil meiner Arbeitszeit für den polnischen AG ich in Polen arbeite und welchen Teil ich für den poln. AG in Dtl. arbeite, kann ich frei bestimmen.

Sozialversicherung: Ich bin in Dtl. privat kranken- und pflegeversichert – eine Rentenversicherung habe ich nicht (wünsche ich auch nicht). In Polen habe ich keinerlei Sozialversicherung, da ich bislang nur unter dt. Sozialversicherungsrecht zu stehen glaubte.

Meine Frage: Ich benötige von DRV Bund das Formular A1, um den poln. Sozialversicherungsbehörden gegenüber nachweisen zu können, dass für mich dt. Sozialversicherungsrecht gilt. Was muss ich in meinem Fall unternehmen, um unter dt. Sozialversicherungsrecht zu fallen, um zu verhindern, dass ich Sozialversicherungsabgaben in Polen zahlen muss?

Möglicher Lösungsvorschlag: Ich habe bereits die EU-Broschüren „Leben und Arbeiten in Europa.pdf" und „Leitfaden Rechtsvorschriften für Erwerbstätige in der EU, 22.08.2011.pdf" gelesen. Soweit ich das beurteilen kann, ist der für mich beste Fall derjenige, wo ich mehrere Auftraggeber habe, davon einen mit Sitz in meinem Wohnsitzstaat Dtl., denn dann gelten die SozVers-Regeln an meinem Wohnsitzstaat (bei mir wäre das Dtl.) - und zwar unabhängig davon, welcher Teil des Einkommens der der Arbeitszeit auf welchen Staat fällt. Jedoch wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, was bei „Tätigkeiten in unbedeutendem Umfang" gilt. Kann ich auch eine „unbedeutende Tätigkeit" in Dtl. für einen AG ausüben und dadurch deutsches SozVers.-Recht für mich gelten lassen?

Da ich poln. SozVer-Ausgaben vermeiden will, wäre es gut, wenn ich aufgrund dieser Argumentation, das A1-Formular beim DRV Bund beantragen könnte, denn aktuell habe ich nur geringes/kein Einkommen aus meiner dt. Freiberuflerschaft und alles wird in Polen verdient (und dort versteuert).

Hinweis: Bei einer Antwort, wünsche ich mir – soweit möglich – eine anschauliche Beschreibung, evtl. anhand von Beispielen, die auf mich zutreffen, damit die Antwort besser verstehen kann.

Sehr geehrter Fragesteller,

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


Unter Berücksichtigung des von Ihnen geschilderten Sachverhalts und Ihres Einsatzes möchte ich Ihre Frage nunmehr wie folgt beantworten:

Zunächst gelten nach dem sog. Territorialitäts-prinzip des § 3 SGB IV die Vorschriften über die Sozialversicherungspflicht und -berechtigung nur für Sachverhalte in der BRD oder für Personen, die sich in diesem Gebiet ständig aufhalten oder in ihm wohnen. Dies bedeutet, dass Sie der deutschen Versicherungspflicht unterliegen, wenn Sie entweder in Deutschland selbständig tätig sind oder Ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Unter Wohnsitz wird der gewillkürte Lebens-mittelpunkt verstanden. Dieser setzt nach § 30 Abs. 3 S. 1 SGB I das Vorhandensein einer Wohnung voraus, die zur dauernden Benutzung angelegt ist. Da Sie eine Wohnung in Deutschland haben, erfüllen Sie diese Voraussetzung.

Nach § 4 Abs. 1 und 2 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen, auch für Personen, die für einige Zeit in einem anderen Land tätig sind (sog. Ausstrahlung). Jedoch gilt dies nur, wenn die Tätigkeit infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
Die zeitliche Begrenzung wird aber großzügig gesehen. So wird selbst bei mehrjährigen, eventuell sogar bei langjährigen Auslands-tätigkeiten der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen weiterhin in Deutschland gesehen, so dass der deutsche Sozialversicherungsschutz fortbesteht. Erforderlich wäre bei Ihnen aber jedenfalls, dass sie Aufträge irgendwie zeitlich oder aufgrund des Aufgabengebiets begrenzt ist. Hiervon ist wohl aber auszugehen, da Sie als Freiberufler immer wieder neue Aufträge bekommen werden.

Am besten wäre es natürlich, wenn Sie auch in Deutschland Auftraggeber hätten. Wenn dies aber nicht so ist, genügt es, dass die selbständige Tätigkeit in Polen immer nur begrenzt ist.

Ansonsten könnten Sie auch erklären, dass Sie Ihren Wohnsitz nach wie vor in Deutschland haben und der Mittelpunkt Ihrer selbständigen Tätigkeit in Deutschland ist. Da Sie die Aufträge für Ihren polnischen Arbeitgeber auch in Deutschland erledigen können, also wohl nicht immer vor Ort sein müssen, könnte dies auch tatsächlich so sein. Sie könnten also z. B. immer nur ein paar Tage in Polen vor Ort sein.

Sie müssen aber aufpassen. Sie schreiben, dass Sie nicht in die deutsche Rentenversicherung einzahlen wollen. Nach § 2 Nr. 9 SGB VI sind selbständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, versicherungspflichtig in der deutschen Rentenversicherung. Da Sie offenbar ganz überwiegend nur für den einen polnischen Auftraggeber tätig sind, sind Sie eigentlich rentenversicherungspflichtig. Auch daher wäre es hilfreich, wenn Sie noch andere Auftraggeber hätten. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Rentenversicherung die Versicherungsbeiträge auch für die Vergangenheit nachfordert.

Zusammenfassend würde ich Ihnen raten, Ihren Wohnsitz in Deutschland anzugeben und entweder zu erklären, dass Sie überwiegend in Deutschland tätig sind oder die zeitliche oder vertragliche Begrenzung der Tätigkeit in Polen anzugeben.


Ich hoffe, ich konnte Ihnen die nicht ganz einfache Rechtslage einigermaßen verständlich erklären. Sollte Ihnen noch etwas unklar sein, dürfen Sie gerne die Nachfragemöglichkeit nutzen. Wenn Sie zufrieden sind, würde ich mich über eine positive Bewertung freuen.


Mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechtsanwältin

Rückfrage vom Fragesteller 30. Oktober 2012 | 13:01

Vielen Dank für die interessante Antwort!

In dem Zusammenhang wäre meine Nachfrage, wie folgt: Nehmen wir an, dass mehrere Auftraggeber habe (einen in D und einen in PL) und dass ich 25% meiner Einnahmen mit dem dt. AG erwirtschafte und 75% mit dem polnischen AG verdiene. Ich erbringe die Leistung für den dt. AG zu 100% in Dtl. (1 Tag pro Woche). Die Leistung für den poln. AG erbringe ich zu 1 Tag in Dtl. und zu 3 Tagen der Woche in Polen. Wäre ich dann in Dtl. SozVers-pflichtig?

Um die Frage noch klarer zu formulieren: Können Sie mir erläutern, wie ich meine Einnahmequellen und Arbeitszeiten verteilen soll, um der dt. SozVerspflicht zu entgehen aber trotzdem unter die dt. SozVers-Gesetze zu fallen (um eben nicht in Polen SozVerspflichtig zu werden)?


Mit besten Grüßen!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 30. Oktober 2012 | 14:37

Sehr geehrter Fragesteller,

der deutschen Sozial- bzw. Rentenversicherungspflicht können Sie an sich nur entgehen, wenn Sie auf Dauer und im Wesentlichen nicht nur für einen Auftraggeber tätig sind, § 2 Nr. 9 SGB VI . Auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, wer mindestens 5/6 seines Arbeitseinkommens von einem Auftraggeber erhält. Da Sie nach Ihren Angaben über 90% Ihres Einkommens von dem einen Arbeitgeber in Polen beziehen, sind Sie an sich rentenversicherungspflichtig in der deutschen Rentenversicherung. Dies bedeutet, dass Sie ca. 20% Ihres Einkommens von einem oder mehreren anderen Auftraggebern erhalten sollten. Es wäre demnach ausreichend, wenn Sie 25% Ihrer Einnahmen mit einem deutschen Arbeitgeber erwirtschaften und 75% mit dem polnischen.

Um weiter der deutschen Sozialversicherung zu unterliegen, müssten die Aufträge für den polnischen Auftraggeber von vornherein entweder zeitlich oder vertraglich, z.B. auf einen bestimmten Auftrag, begrenzt sein. Hierfür ist es natürlich ein starkes Indiz, wenn Sie weiterhin einen Wohnsitz in Deutschland und weitere deutsche Auftraggeber haben. Auf den genauen Umfang der Tätigkeit in Deutschland kommt es dann eigentlich nicht mehr an. Entscheidend ist vielmehr, dass Sie in absehbarer Zeit nach Deutschland zurückkehren oder Ihren Lebensmittelpunkt ohnehin weiter in Deutschland haben. Hilfreich wäre es auch, wenn Sie die Rechnungen unter Ihrer deutschen Adresse stellen.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 30. Oktober 2012 | 16:17

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