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Misshandlung von Schutzbefohlenen Verjährung

| 9. Juni 2017 18:44 |
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Strafrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Kann ich meinen Vater anzeigen, weil er nichts gegen die psychische und physische Misshandlung durch meine Mutter zwischen 1984 und 2002 unternommen hat, und sind diese Taten bereits verjährt?

Die Verjährungsfrist für Straftaten nach § 225 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen) variiert je nach Tatbestand. Taten nach § 225 Abs. 1 verjähren innerhalb von zehn Jahren, Taten nach Abs. 3 innerhalb von 20 Jahren. Wenn die Misshandlung das Opfer in die Gefahr des Todes, einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht hat, ist die Verjährung erst in 5 Jahren gegeben.

Ich habe eine Frage. Ich bin 33 Jahre alt und wurde zwischen 1984 und 2002 von meiner Mutter psychisch und physisch misshandelt. Diese Misshandlungen hatten schwere psychische Störungen zur Folge. Nun möchte ich meinen Vater anzeigen weil er nichts dagegen unternommen hat. Wie funktioniert das rechtlich? Und sind die Taten schon verjährt?

9. Juni 2017 | 21:31

Antwort

von


(2022)
Hallestr. 101
53125 Bonn
Tel: 0228 92984969
Tel: 0179 4822457
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Daniel-Saeger-__l108235.html
E-Mail:

Sehr geehrte Fragenstellerin,

die Straftat nach § 225 StGB verjährt je nach Tatbestandvariante unterschiedlich.

Ich möchte StGB § 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen, Hardtung, MüKo StGB Bd. 4, 2. Auflage 2012, Rn. 41 zitieren:

"Taten nach § 225 Abs. 1 verjähren innerhalb von zehn Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 3), Taten nach Abs. 3 innerhalb von 20 Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 iVm. § 38 Abs. 2); Strafmilderungen nach Abs. 4 spielen dafür keine Rolle (§ 78 Abs. 4). Bei Straftaten nach §§ 224 und 226 ruht die Verjährung bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Opfers, wenn mindestens ein Beteiligter durch dieselbe Tat § 225 verletzt (§ 78b Abs. 1 Nr. 1)."

Wenn durch die Tat der Täter ( wozu der Sachverhalt näher zu schildern wäre ! )

"(3).. die schutzbefohlene Person ... in die Gefahr
1.des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt."

, dann ist die Verjährung also erst in 5 Jahren gegeben.

A) Definition "Todesgefahr oder schwere Gesundheitsbschädigung" nach StGB § 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen Eschelbach BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg
34. Edition
Stand: 01.05.2017 Rn. 32-34:

"Die Gefahr des Todes gem. Abs. 3 Nr. 1 wird durch das Quälen, Misshandeln oder die Gesundheitsschädigung durch Unterlassen der Erfüllung der Sorgepflicht des Täters verursacht, wenn aufgrund medizinischer Befunde die konkrete Gefahr entsteht, dass das Opfer infolge des Täterverhaltens ums Leben kommt (BGH BeckRS 2017, 108099 ). Der Eintritt der drohenden Todesfolge muss außerhalb des Einflussbereichs des Täters liegen und nur noch vom Zufall abhängen (SSW/Momsen/Momsen-Pflanz Rn. 23).
33 Die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung in § 225 Abs. 3 Nr. 1 entspricht § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. c. Der Begriff der schweren Gesundheitsbeschädigung (dazu BGH NStZ-RR 2007, 304 (305 f.); 2015, 369 (370); BeckRS 2017, 108099 ) reicht weiter als derjenige der schweren Körperverletzung (NK-StGB/Paeffgen Rn. 26; Wessels/Hettinger StrafR BT I/1 Rn. 315), der vor dem Sechsten Strafrechtsreformgesetz für besonders schwere Fälle der Misshandlung Schutzbefohlener nach damaligem Recht verwendet wurde. Es geht um schwere Gesundheitsbeschädigungen, die mit einer anhaltenden Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Leistungsfähigkeit verbunden sind oder in einer lebensbedrohenden, qualvollen oder ernsten und langwierigen Krankheit bestehen (BGH BeckRS 2017, 108099 ). Es kommt nicht notwendig darauf an, ob der Täter durch die Misshandlung für das Opfer die Gefahr einer der in § 226 genannten Körperverletzungsfolgen begründet. Derartige drohenden Folgen oder aber solche, die ihnen nahe kommen, reichen freilich regelmäßig aus (Fischer Rn. 18). IÜ genügt es auch, wenn die Tat das Opfer in die konkrete Gefahr einer ernsten langwierigen Krankheit oder einer ernsthaften Störung der körperlichen Funktionen bringt. Die Notwendigkeit intensivmedizinischer Maßnahmen oder einer langwierigen Rehabilitationsmaßnahme für das Opfer nach der Tat belegt regelmäßig, dass eine schwere Gesundheitsschädigung tatsächlich eingetreten ist (BGH NStZ-RR 2007, 304 (305 f.)). Für den Qualifikationsgrund genügt freilich schon die bloße Gefahr ihres Eintritts. Die Gefahr einer schweren Gesundheitsbeschädigung umfasst außer den Risiken, die generell für jeden Betroffenen von Quälerei, Misshandlung oder Sorgepflichtverletzung ausgehen, auch die konkreten Gefahren, denen das im Einzelfall wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit wehrlose Opfer wegen seiner individuellen Schadensdisposition ausgesetzt ist, wenn sie durch die Tat messbar gesteigert werden (Jakobs NJW 1974, 1829 ). Dadurch ist der Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestands im Pflegebereich von besonderer Bedeutung.
34 Die Gefahr muss konkret eingetreten sein (BGH NStZ-RR 2015, 369 (370); Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben Rn. 21; Wessels/Hettinger StrafR BT I/1 Rn. 316). Wann eine einfache Gesundheitsschädigung in eine schwere übergeht und wann im Vorfeld des tatsächlichen Eintritts der schweren Gesundheitsschädigung dieser Übergang iSd Qualifikationsmerkmals konkret droht, ist schwer abzugrenzen. Deshalb bestehen Bedenken gegen die Bestimmtheit des Qualifikationstatbestands iSv Art. 103 Abs. 2 GG , die nur durch genauere Konturierung des relativ unbestimmten Merkmals in der Rspr. iSd Präzisierungsgebots aus der Verfassungsnorm (BVerfGE 126, 170 (198)) überwunden werden können."

B) Definition "erhebliche Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung nach StGB § 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen Eschelbach BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg
34. Edition
Stand: 01.05.2017 Rn. 35-36:

"Weitere Qualifikationsalternative ist nach Abs. 3 Nr. 2 die durch die Misshandlung vorsätzlich (NK-StGB/Paeffgen Rn. 28) hervorgerufene Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Opfers. Das Merkmal entspricht § 171 Alt. 1 (→ § 171 Rn. 11), wobei aber dort die geschützte Person eine solche unter sechzehn Jahren sein muss. In der vorliegenden Vorschrift hat der Gesetzgeber diese Tatbestandseinschränkung nicht beachtet. Die Tat ist hier auf Personen unter achtzehn Jahren oder auf wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Personen bezogen. Deren körperliche oder seelische Entwicklung kann anlage- oder situationsbedingt verzögert oder retardiert sein, sodass sich hier andere Feststellungsprobleme als bei § 171 ergeben können. Auch die Verzögerung der körperlichen oder seelischen Entwicklung in der Rehabilitation eines Kranken kann qualifizierend wirken. § 225 Abs. 3 Nr. 2 verdrängt auf der Konkurrenzebene § 171 Alt. 1 (BGH StraFo 2010, 123 ). Das Merkmal der erheblichen Entwicklungsschädigung bleibt relativ unbestimmt (NK-StGB/Paeffgen Rn. 27a).
36 Eine erhebliche Entwicklungsschädigung liegt vor, wenn die normale körperliche oder psychische Entwicklung andauernd und nachhaltig gestört ist (NK-StGB/Paeffgen Rn. 27). Dazu kann eine posttraumatische Belastungsreaktion oder durch Trauma bedingte Persönlichkeitsstörung bei nachhaltigen Wirkungen für die Lebensführung ausreichen. Deren nachträgliche Feststellung und Ursachenermittlung sowie erst recht deren anfängliche (Gefahren-) Prognose ist schwierig. Leichter zu erfassen sind Beeinträchtigungen der körperlichen Entwicklung. Waren unabhängig von der Tat Entwicklungsstörungen bei dem späteren Tatopfer vorhanden, kommt es für Anwendung von Abs. 3 Nr. 2 darauf an, ob eine erhebliche Vergrößerung der Gefahr der Entwicklungsschädigung durch die Tat konkret droht; auch das ist schwer festzustellen. Ist schon der Eintritt einer erheblichen Entwicklungsstörung infolge der Tathandlung iSv Abs. 1 schwer feststellbar, so potenzieren sich die Feststellungsprobleme, wenn es nur um die konkrete Gefahr des Eintritts einer solchen Folge geht. Die relative Unbestimmtheit des Verbrechenstatbestands wirkt sich auch an dieser Stelle auf die praktische Rechtsanwendung aus."

Fazit: Sollte der § 225 Abs. 3 StGB verwirklicht sein, liegt noch keine Verjährung vor. Ansonsten schon.

MfG
D. Saeger
- RA -


Rückfrage vom Fragesteller 9. Juni 2017 | 22:58

Vielen Dank für Ihre Antwort. Sie haben mir sehr geholfen. Nun sind Sie aber auf eine Frage nicht eingegangen. Wie sieht es rechtlich aus wenn mein Vater nicht der aktive Teil der Kindesmisshandlung war, sondern es nur zugelassen hat? Kann ich ihn dafür strafrechtlich belangen?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Juni 2017 | 23:07

Sehr geehrter Fragenstellerin,

das Delikt kann nach § 13 StGB durch Unterlassen verwirklicht werden.

So z.B. BGH, Beschluss vom 04.02.2016 - 4 StR 266/15 ( BeckRS 2016, 04214 ):

"1. In Fällen, in denen nicht festgestellt werden kann, wer von beiden Elternteilen die Misshandlung zum Nachteil des gemeinsamen Kindes vornahm, kommt in Anwendung des Zweifelssatzes eine Strafbarkeit wegen Unterlassungstäterschaft in Betracht kommt (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 06223 ). (red. LS Hans-Joachim Lutz)
2. Eine Handlungspflicht existiert aber nur, falls die früheren Misshandlungen durch den anderen Elternteil begangen worden waren (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 06223 ). (red. LS Hans-Joachim Lutz)"

MfG
D. Saeger
- RA -

Ergänzung vom Anwalt 9. Juni 2017 | 23:11

So auch
StGB § 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen Eschelbach BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg
34. Edition
Stand: 01.05.2017 Rn. 30:

"Misshandelt ein Elternteil das gemeinsame eheliche Kind, so trifft den nicht misshandelnden Elternteil die Pflicht, das Kind von dem aktiv handelnden Täter zu trennen. Unterlässt er dies, macht er sich als Nebentäter durch Unterlassen wegen Misshandlung eines Schutzbefohlenen (BGH BeckRS 2017, 108099 ), ggf. auch in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorgepflicht strafbar (BGH FamRZ 2003, 450 )."

Bewertung des Fragestellers 9. Juni 2017 | 23:16

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