Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Nach dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt ergeben sich mehrere rechtliche Problemfelder, die sowohl das Arbeitsrecht (insbesondere Mindestlohn), das Sozialrecht (Anrechnung von Einkommen beim Bürgergeld) als auch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte (Minijobregelungen) betreffen.
1. Mindestlohn und Arbeitsentgelt
Nach deutschem Recht gilt für alle Arbeitnehmer grundsätzlich der gesetzliche Mindestlohn. Laut Kontext (Dokument 5) beträgt dieser mindestens 9,35 € brutto pro Stunde (Stand 2020, aktuell liegt er höher). Sie zahlen 15 € brutto pro Stunde, was den Mindestlohn deutlich übersteigt. Problematisch wird es jedoch, wenn der Mitarbeiter für die Ausübung der Tätigkeit eine Gegenleistung erbringen muss – in diesem Fall den Kauf eines vergünstigten Festivaltickets für 140 €.
Wenn der Erwerb des Tickets zwingende Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme ist, handelt es sich bei den 140 € um eine Aufwendung, die wirtschaftlich betrachtet als Abzug vom Arbeitsentgelt zu werten ist. Das bedeutet: Der effektive Stundenlohn reduziert sich, wenn man die Ticketkosten auf die gearbeiteten Stunden umlegt. Bei 19 Stunden Arbeit und 15 € brutto pro Stunde ergibt das 285 € brutto. Zieht man die 140 € ab, bleiben 145 €, was einem effektiven Stundenlohn von ca. 7,63 € entspricht – also unter dem gesetzlichen Mindestlohn.
Das ist rechtlich problematisch. Nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) dürfen keine Abzüge erfolgen, die den Mindestlohn unterschreiten lassen. Auch geldwerte Vorteile (wie ein vergünstigtes Ticket) dürfen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, wenn sie nicht als Teil des Arbeitsentgelts gewährt werden, sondern als Voraussetzung für die Arbeit. Das Vorgehen, den Mitarbeiter das Ticket selbst kaufen zu lassen, ist daher nicht zulässig, wenn dadurch der Mindestlohn unterschritten wird.
2. Sozialversicherungsrecht/Minijobzentrale
Grundsätzlich ist es so, dass ein Minijob vorliegt, wenn das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt 450 € (früher 400 €) nicht übersteigt. Die Anmeldung bei der Minijobzentrale ist erfolgt, was korrekt ist. Problematisch wird es, wenn das gezahlte Arbeitsentgelt durch Abzüge (wie das Ticket) unter den Mindestlohn fällt. In diesem Fall kann die Minijobzentrale eine Nachzahlung des Mindestlohns verlangen und ggf. Bußgelder verhängen.
3. Steuerrecht/Finanzamt
Für das Finanzamt ist entscheidend, dass das gezahlte Arbeitsentgelt korrekt versteuert wird. Wenn Sie dem Mitarbeiter das Ticket als geldwerten Vorteil gewähren, müsste dies als Sachbezug versteuert werden. Wenn der Mitarbeiter das Ticket selbst kauft und dies als Voraussetzung für die Arbeit gilt, ist das kritisch, da es wie oben beschrieben den Mindestlohn unterläuft.
4. Sozialrecht/Jobcenter
Das Jobcenter rechnet das Einkommen aus dem Minijob auf das Bürgergeld an. Nach § 11 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen, abzüglich der in § 11b SGB II genannten Absetzbeträge. Fahrtkosten und andere notwendige Ausgaben im Zusammenhang mit der Arbeit können abgesetzt werden. Ob das Ticket als absetzbare Ausgabe gilt, ist fraglich, da es nicht zwingend eine beruflich notwendige Ausgabe ist, sondern eher eine Voraussetzung für den Festivalbesuch. Das Jobcenter kann daher argumentieren, dass der Mitarbeiter eine Tätigkeit mit unangemessen niedrigem Lohn angenommen hat, was zu Problemen führen kann.
Empfohlene Vorgehensweise:
1. Erstattung des Ticketpreises: Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie dem Mitarbeiter die 140 € für das Ticket erstatten. Damit erhält er für seine 19 Stunden Arbeit tatsächlich 15 € brutto pro Stunde, und der Mindestlohn wird eingehalten. Das Ticket darf nicht als Voraussetzung für die Arbeit auf eigene Kosten des Mitarbeiters verlangt werden.
2. Korrektur gegenüber dem Jobcenter: Sie können dem Jobcenter bestätigen, dass der Mitarbeiter das Ticket nicht selbst zahlen musste bzw. dass ihm die Kosten erstattet wurden. Damit entfällt das Problem des zu niedrigen effektiven Stundenlohns.
3. Korrektur gegenüber der Minijobzentrale und dem Finanzamt: Sollte bereits eine Abrechnung erfolgt sein, in der das Ticket als Abzug berücksichtigt wurde, sollte eine Korrektur erfolgen, sodass das volle Arbeitsentgelt (ohne Abzug des Tickets) abgerechnet wird.
4. Zukünftige Gestaltung: In Zukunft sollten Sie sicherstellen, dass Mitarbeiter keine eigenen Kosten tragen müssen, um bei Ihnen arbeiten zu können, wenn dadurch der Mindestlohn unterschritten wird. Alternativ könnten Sie das Ticket als geldwerten Vorteil gewähren, der zusätzlich zum Lohn gezahlt wird, nicht aber als Voraussetzung für die Arbeit.
Fazit:
Es war nicht legal, den Mitarbeiter das Ticket selbst kaufen zu lassen, wenn dadurch der effektive Stundenlohn unter den Mindestlohn fällt. Um Konsequenzen von Minijobzentrale, Finanzamt oder Jobcenter zu vermeiden, sollten Sie dem Mitarbeiter die Ticketkosten erstatten und dies auch gegenüber dem Jobcenter bestätigen. Zukünftig sollten Sie solche Konstruktionen vermeiden und sicherstellen, dass der Mindestlohn immer eingehalten wird.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
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