Wer aus Deutschland wegzieht und seine selbstständige Tätigkeit künftig über eine US-LLC strukturiert, muss insbesondere in steuerlicher Hinsicht sehr genau analysieren, ob und wann die sogenannte erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG greift. Diese Vorschrift soll verhindern, dass Personen mit enger persönlicher oder wirtschaftlicher Verbindung zu Deutschland durch den Wegzug in Niedrigsteuerländer einer deutschen Besteuerung entgehen. Sie betrifft deutsche Staatsangehörige, die in den letzten zehn Jahren mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren und weiterhin erhebliche inländische Interessen haben. Diese erweiterte Besteuerung erfasst unter anderem Einkünfte, die keiner ausländischen Betriebsstätte oder keinem ausländischen ständigen Vertreter zugeordnet werden können. In diesem Fall wird fingiert, dass eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte existiert.
Wenn Sie als Freiberufler Ihre Tätigkeit künftig über eine US-LLC (Disregarded Entity) abwickeln, wird die LLC aus deutscher Sicht grundsätzlich als Personengesellschaft behandelt, was bedeutet, dass die Einkünfte steuerlich Ihnen direkt zugeordnet werden. Entscheidend ist dabei, ob diese Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Eine Betriebsstätte liegt steuerlich nur dann vor, wenn im Ausland eine feste Geschäftseinrichtung besteht, über die die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Reine Briefkastenfirmen oder ein virtuelles Setup genügen hier nicht. Auch allein das Vorhandensein einer ausländischen Gesellschaft (LLC) ist nicht ausreichend, solange dort keine substanzielle Geschäftstätigkeit stattfindet. Wenn keine Betriebsstätte oder ständiger Vertreter vorliegt, greift § 2 Abs. 1 Satz 3 AStG mit der Fiktion einer inländischen Betriebsstätte. Dann gelten Ihre Einnahmen als steuerlich in Deutschland erzielt, selbst wenn Sie formell keinen Wohnsitz mehr in Deutschland haben.
Sie erwähnen zutreffend, dass es sich bei diesen Einkünften grundsätzlich um solche nach § 34d Nr. 3 EStG handeln kann. Diese Vorschrift bezieht sich auf Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, die in einem ausländischen Staat ausgeübt wird. Entscheidend ist jedoch die tatsächliche Ausübung – also wo und wie die freiberufliche Leistung erbracht wird. Wenn Sie ausschließlich digital tätig sind und keinen festen ausländischen Aufenthaltsort haben, sondern sich als digitaler Nomade ohne steuerliche Ansässigkeit bewegen, fehlt es an einer steuerlich anerkannten Betriebsstätte oder Substanz im Ausland. Dann besteht die erhebliche Gefahr, dass die Einkünfte als betriebsstättenlos qualifiziert werden. In diesem Fall greift § 2 AStG und Sie unterliegen trotz vollständiger Abmeldung aus Deutschland weiterhin einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht auf Ihre weltweiten Einkünfte.
Wenn Sie hingegen tatsächlich einen gewöhnlichen Aufenthalt und eine steuerliche Ansässigkeit in einem ausländischen Staat begründen, zum Beispiel durch tatsächliches Wohnen, Registrierung beim Finanzamt vor Ort, Mietvertrag und Mittelpunkt der Lebensinteressen, dann entfällt diese Gefahr unter der Voraussetzung, dass dieser Staat nicht als Niedrigsteuerland im Sinne des § 2 AStG qualifiziert wird oder dass dort eine wirtschaftliche Substanz nachgewiesen werden kann. Wenn das Land eine effektive Besteuerung von weniger als 25 % auf Ihre Einkünfte vorsieht, wird es als Niedrigsteuergebiet angesehen. Dann genügt für § 2 AStG allein die Existenz inländischer wirtschaftlicher Interessen – und diese können auch in Form einer deutschen Kundenstruktur bestehen.
Ihre Einschätzung, dass § 2 AStG nicht greift, wenn die Einkünfte über eine ausländische Betriebsstätte erzielt werden, ist mithin zutreffend – vorausgesetzt, eine solche Betriebsstätte liegt nach deutschem Steuerverständnis tatsächlich vor. Ist das nicht der Fall, greift die Fiktion der inländischen Betriebsstätte. In diesem Fall müssen Sie auch als Nichtansässiger weiterhin eine deutsche Steuererklärung (Vordruck ASt 1 A) abgeben, selbst wenn letztlich keine Steuerlast entsteht. Das bedeutet, dass das bloße Vorliegen einer US-LLC allein nicht ausreicht – entscheidend ist, ob die Substanzanforderungen erfüllt sind und eine Betriebsstätte oder steuerliche Ansässigkeit im Ausland nachgewiesen werden kann. Nur dann können Sie § 2 AStG sicher umgehen.
Ich hoffe das hilft für die erste Einschätzung, viele Grüße und einen tollen Tag!
Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Stefan Sepp Lorenz, Steuerberater, LL.M. oec., Diplom-Finanzwirt (FH)
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Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Stefan-Sepp-Lorenz-__l108700.html
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Vielen Dank für die Antwort.
Ich verstehe dass ohne festen ausländischen Aufenthaltsort die Einkünfte keiner Betriebsstätte zugeordnet werden können. Die freiberufliche Tätigkeit wird ausschließlich digital und für Kunden außerhalb Deutschlands erbracht. Ist die Betriebsstätte hier entscheidend, da nach § 34d Nr. 3 die Tätigkeit im Ausland ausgeübt bzw. beim Leistungsempfänger (Kunde) verwertet wird und es sich damit um ausländische Einkünfte handelt. Die tatsächliche Ausführung sollte hier dennoch im Ausland bzw. in dem Land in dem ich mich gerade aufhalte liegen. Greift § 2 AStG dann auch bei "ausländischen Einkünften" die aber (fiktiv) mit "Inländischer Betriebsstätte" begründet werden.
Kann ich § 2 AStG auch umgehen bei gewöhnlichen Aufenthalt in einem Niedrigsteuerland wenn dieser keine Steuern erhebt? Es sollte sich dann nicht um Betriebsstättenlose Einkünfte handeln und damit § 2 AStG umgangen werden. Natürlich unter der Voraussetzung dass ich dort auch tatsächlich lebe und z.B. einen Mietvertrag habe.
Sehr gerne. Ihre Einschätzung ist grundsätzlich korrekt: Wenn Sie als Freiberufler Ihre Tätigkeit ausschließlich digital und außerhalb Deutschlands ausüben, können die daraus resultierenden Einkünfte als ausländische Einkünfte im Sinne des § 34d Nr. 3 EStG gelten. Voraussetzung hierfür ist, dass die Tätigkeit tatsächlich im Ausland ausgeübt oder dort verwertet wird. Allerdings ist die reine digitale Ausübung ohne festen ausländischen Wohnsitz oder Betriebsstätte problematisch, da in solchen Fällen das Finanzamt eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte fingieren kann, was zur Anwendung des § 2 AStG führt.
Um die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG zu vermeiden, ist es entscheidend, eine tatsächliche steuerliche Ansässigkeit in einem ausländischen Staat nachzuweisen. Dies erfordert mehr als nur einen Mietvertrag; es müssen substanzielle wirtschaftliche Aktivitäten im Ausland erfolgen, wie beispielsweise die Nutzung von Büroräumen oder die Anstellung von Personal. Ein bloßer Aufenthalt in einem Niedrigsteuerland ohne entsprechende wirtschaftliche Substanz reicht nicht aus, um die erweiterte beschränkte Steuerpflicht zu umgehen.
Mithin lässt sich sagen, dass ohne eine nachweisbare steuerliche Ansässigkeit und wirtschaftliche Substanz im Ausland die Gefahr besteht, dass Ihre Einkünfte als betriebsstättenlos eingestuft werden und somit der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Es ist daher ratsam, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um eine klare steuerliche Ansässigkeit im Ausland zu begründen und die erforderliche wirtschaftliche Substanz nachzuweisen.
Schöne Grüße!