Sehr geehrter Fragesteller,
ich beantworte Ihre Fragen gerne wie folgt:
Zunächst einmal zur tatsächlichen Vorgehensweise:
Wenn die Baubehörde bereits mündlich ihre Einschätzung mitteilt, so ist nicht davon auszugehen, dass der Bauantrag ohne weiteres positiv beschieden wird. Wenn Sie einen negativen Bescheid über den Bauantrag erhalten, so haben Sie die Möglichkeit hiergegen binnen eines Monats Widerspruch einzulegen.
Ihr Ziel ist es aber ja nun vor der Entscheidung über den Bauantrag noch einmal mit der Baubehörde Kontakt aufzunehmen. Sie sollten dies tun und zwar in einem persönlichen Gespräch. Hierbei ist es natürlich von Vorteil, wenn Ihr Nachbar idealerweise mitkommt oder zumindest schriftlich Ihnen ein Schreiben mitgibt, dass er einverstanden ist.
Allerdings dürfte ihr Vorhaben insgesamt schwierig werden, da die Behörde offenbar bereits die Angelegenheit geprüft hat und zu einer Entscheidung gelangt ist. Die Vorschriften, die Sie ja schon aufgefunden haben, sind
weit gefasst und eröffnen den Behörden einen Ermessensspielraum. Gegen diesen kann man in rechtlicher Weise nur erfolgreich vorgehen, wenn man einen Ermessensfehlgebrauch oder einen Ermessensnichtgebrauch feststellen und nachweisen kann. Die Entscheidung der Behörde ist nur dann rechtsfehlerhaft, wenn sie völlig unverhältnismäßig wäre. Angesichts dessen dürfte es insgesamt schwierig werden, hier eine andere Entscheidung zu erlangen, da für die Rechtsfehlerhaftigkeit keine Anhaltspunkte vorhanden sind.
Nun zu Ihren rechtlichen Fragen:
„BauGB § 34
regelt grundsätzlich nur das Einfügen nach Art der Nutzung (Wohnen, ok), das Maß der Nutzung (Kubatur, Bauhöhen, ok), die Bauweise (bleibt offen, ok) und die überbaute Fläche (ok)"
Es ist hier schon eine Frage des Einfügen nach der Art und dem Maß. Maßgeblich ist das örtliche Erscheinungsbild. Wenn alle anderen nach hinten angebaut haben, so dürfte es sehr schwer werden, die Ausnahme des zeitlichen Anbaus durch zu setzen.
„-> Was es mangels Bebauungsplans >nicht< gibt ist eine Vorschrift, die die Gestaltung der Gebäude regelt, somit bleibt nur darauf zu achten, dass Ortsbild in der Nachbarschaft nicht zu stören und das bedeutet für uns: offene Bebauung mit Doppelhäusern)".
Nicht so ganz, das Gesamtbild der Bebauung ist schon auch maßgeblich.
-„>Solange unser Haus also eine Doppelhaushälfte im rechtlichen Sinne bleibt, entstehen keine baurechtliche Spannungen und auf die Nachbarschaft ist Rücksicht genommen."
So einfach ist das leider nicht, da das örtliche Bild In der Siedlung schon entscheidend ist. Es geht um das Gesamterscheinungsbild.
Hier wäre es wie gesagt gut, wenn Ihr Nachbar das auch gegenüber der Behörde kommunizieren würde. Das würde Ihre Chancen erhöhen.
„Zum Thema Doppelhauscharaketer (§ 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO
) finde ich leider kein Urteil, in dem jemand >seitlich< an seine DHH angebaut hat.
Was ich aber gefunden habe, ist die Grundaussage, dass zwei DDH nicht spiegelbildlich gebaut werden müssen.
Es gibt Urteile, in denen einzelne Maße, (meistens Länge der Grenzbebauung, was bei uns irrelevant ist) nicht um mehr als 50% vergrößert werden dürfen.
In unserem Fall sehe ich höchstens die Breite des Anbaus als potentiell problematisch: 4,5m/6,7m sind 67%."
Es gibt natürlich im Baurecht viele Urteile. Es handelt sich dabei jedoch immer um Einzelfall -Entscheidungen, so dass es hier anders als in anderen Fällen nicht so maßgebend ist, dass sie hier gegenüber der Behörde sogleich mit Urteilen aufwarten, da eben Paragraph 34 BauGB der Behörde einen weiten Ermessensspielraum eröffnet und es nach der Erfahrung die Behörde nicht überzeugt, wenn man als Laie mit rechtlichen Ausführungen hier aufwartet. Das ist der Baubehörde alles bekannt und erregt möglicherweise eher den Zorn, als wie wenn Sie probieren, mit sachlichen Argumenten für Ihren Einzelfall idealerweise bei einem Ortstermin bei Ihnen am Grundstück, hier das Bauamt von Ihrem Vorhaben zu überzeugen.
Ich hoffe, Ihnen weiter geholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Draudt Rechtsanwältin
Hallo Frau Draudt,
vielen Dank für Ihre Einschätzung der Situation, trotzdem möchte ich noch einmal nachhaken, da die Situation ganz und gar nicht meinem Rechtsempfinden entspricht.
Zum Verständis der Ermessensentscheidung im Baurecht:
1.) Wie kann es sein, dass in unserem schönen und ansonsten so stringent durchregulierten Land die Entscheidung darüber, in was für einem Haus ich mit meiner Familie lebe, eine als "Ermessen" getarnte Willkür ist?
Willkür deshalb, da wir vor Erwerb der Immobilie (Jan/2020) zur Planungsberatung bei einer (anderen) Sachbearbeiterin >derselben Abteilung< waren und explizit nach dem seitlichen Anbau gefragt haben. Die Aussage damals war grundlegend positiv, als einzige (mögliche) Einschränkung wurde die notwendige Zustimmung des Nachbarn der DHH genannt.
Wir haben die Kaufentscheidung davon abhängig gemacht und erleben nun, dass zwei >Meinungen< in einer Behörde unsere Pläne zunichte machen. Natürlich war die Aussage damals rein mündlich, für die Dauer einer Bauvoranfrage ist im gegenwärtigen Immobilienmarkt keine Zeit. Haben wir dennoch irgendeine Möglichkeit uns darauf zu berufen?
2.) Weiterhin haben wir die Umgebung geprüft und festgestellt, dass es in einer anderen Straße, etwa 450m entfernt, ebenfalls eine Sackgasse mit sehr ähnlichen DHH wie bei uns gibt(60er Jahre, Hausform, Dach, Volumen nahezu identisch). Die (ebenfalls) letzte DHH in dieser Sackgasse wurde zu einer Seite hin ca 3,5m breit vom EG bis zum Dach erweitert. Ganz offensichtlich wurde hier eine andere "Ermessensentscheidung" getroffen. Gibt es im Baurecht kein Recht auf Gleichbehandlung?
Zum Vorgang des Bauantrags:
Was ich Ihrer Ausführung leider nicht entnehmen konnte ist die Antwort auf folgende Frage:
Bedeutet eine Ablehnung dieses Bauantrags automatisch eine generelle Ablehnung aller möglichen weiteren Bauanträge unsererseits, die auf einen seitlichen Anbau abzielen?
Ansonsten werden wir Ihren Rat beherzigen und den Nachbarn um eine Stellungnahme bitten.
Ich bedanke mich erneut herzlich im Voraus für Ihre Einschätzung und verbleibe mit den besten Grüßen.
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Nachricht:
Wie kann es sein, dass in unserem schönen und ansonsten so stringent durchregulierten Land die Entscheidung darüber, in was für einem Haus ich mit meiner Familie lebe, eine als "Ermessen" getarnte Willkür ist?
Willkür deshalb, da wir vor Erwerb der Immobilie (Jan/2020) zur Planungsberatung bei einer (anderen) Sachbearbeiterin >derselben Abteilung< waren und explizit nach dem seitlichen Anbau gefragt haben. Die Aussage damals war grundlegend positiv, als einzige (mögliche) Einschränkung wurde die notwendige Zustimmung des Nachbarn der DHH genannt.
Wir haben die Kaufentscheidung davon abhängig gemacht und erleben nun, dass zwei >Meinungen< in einer Behörde unsere Pläne zunichte machen. Natürlich war die Aussage damals rein mündlich, für die Dauer einer Bauvoranfrage ist im gegenwärtigen Immobilienmarkt keine Zeit. Haben wir dennoch irgendeine Möglichkeit uns darauf zu berufen?
Ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen, jedoch sind eben die Tatbestands und Rechtsfolgekriterien des Paragraphen 34 BauGB so ausgestaltet. Nicht zu empfehlen ist es, bei der Behörde auf rechts politische Argumente einzugehen.
Leider sind auch mündliche Zusagen einer Sachbearbeiterin in keinster Weise verbindlich.
2.) Weiterhin haben wir die Umgebung geprüft und festgestellt, dass es in einer anderen Straße, etwa 450m entfernt, ebenfalls eine Sackgasse mit sehr ähnlichen DHH wie bei uns gibt(60er Jahre, Hausform, Dach, Volumen nahezu identisch). Die (ebenfalls) letzte DHH in dieser Sackgasse wurde zu einer Seite hin ca 3,5m breit vom EG bis zum Dach erweitert. Ganz offensichtlich wurde hier eine andere "Ermessensentscheidung" getroffen. Gibt es im Baurecht kein Recht auf Gleichbehandlung?
Doch, aber es gilt der Grundsatz: „keine Gleichbehandlung im Unrecht."
Dies bedeutet nicht, dass sie bei der Behörde die tatsächlichen Gegebenheiten in der benachbarten Straße nicht anführen sollten, aber es bedeutet, wenn eine Behörde anderswo eine rechtswidrige Entscheidung getroffen haben sollte, so entsteht im Einzelnen keinen Anspruch darauf, dass dies auch in seinem Fall zu einer anderen Entscheidung führen muss.
Zum Vorgang des Bauantrags:
Was ich Ihrer Ausführung leider nicht entnehmen konnte ist die Antwort auf folgende Frage:
Bedeutet eine Ablehnung dieses Bauantrags automatisch eine generelle Ablehnung aller möglichen weiteren Bauanträge unsererseits, die auf einen seitlichen Anbau abzielen?
Wenn Sie einen ablehnenden Bescheid erhalten können, so bleibt nur die Möglichkeit Widerspruch und ggf. Klage einzulegen und damit ihre Rechte zu verfolgen. Neue Anfragen ähnlicher oder gleicher Art machen dann weder rechtlich noch tatsächlich einen Sinn.
Mit freundlichen Grüßen
Draudt Rechtsanwältin