Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Sie wohnen zur Miete und beziehen Strom über ein sog. Mieterstrommodell vom Vermieter, wobei als „Stromzähler" lediglich ein einfacher Hutschienenzwischenzähler (nicht von einem Messstellenbetreiber oder Netzbetreiber, sondern „privat") verbaut ist. Die Installation eines eigenen, offiziellen Stromzählers, der es Ihnen ermöglichen würde, frei den Stromanbieter zu wählen und z. B. die Grundversorgung in Anspruch zu nehmen, wird vom Vermieter verweigert mit Hinweis darauf, dass kein eigener Netzbetreiber-Zählpunkt existiert und dies technisch/vertraglich unmöglich sei. Sie möchten wissen, ob rechtlich Anspruch auf einen eigenen Zähler besteht, welche Chancen auf Durchsetzung eines solchen Anspruchs bestehen, wie die Kostenfrage zu behandeln ist und welche Handlungsoptionen bestehen.
Der Mieter kann grundsätzlich verlangen, dass seine Mieträume an die allgemeine elektrische Stromversorgung angeschlossen werden. Dieses Recht leitet sich aus der mietrechtlichen Gebrauchsgewährleistungspflicht des Vermieters (§ 535 BGB) ab: Der Vermieter muss dem Mieter die vertragsgemäße Nutzung der Räume ermöglichen. Dazu gehört beim heutigen Wohnstandard, dass stets ein tauglicher Anschluss an das allgemeine Stromnetz vorhanden ist. Der Anschluss muss „ausreichend dimensioniert" sein und eine Versorgung mit marktüblichen Leistungen ermöglichen, insbesondere auch, dass ein Mieter selbst einen Liefervertrag mit einem Versorger seiner Wahl abschließen kann, sofern keine abweichende vertragliche Regelung getroffen wurde.
Der Vermieter hat also die Pflicht, einen entsprechenden Hausanschluss vorzuhalten und den Zugang zur Stromversorgung zu ermöglichen, nicht nur rein technisch – er muss auch die vertraglichen und tatsächlichen Voraussetzungen schaffen, dass der Mieter grundsätzlich nicht auf einen einzigen Lieferanten (insbesondere nicht auf den Vermieter selbst) festgelegt ist.
Die Liberalisierung des Energiemarktes (§§ 1, 36 EnWG) garantiert jedem Letztverbraucher das Recht auf freien Wechsel des Stromanbieters. Dies setzt voraus, dass für jede Wohneinheit ein am öffentlichen Netz angekoppelter Zählpunkt vorhanden ist, der von einem zertifizierten Messstellenbetreiber (i.d.R. der Netzbetreiber) verwaltet wird.
Nach § 3 Nr. 24a EnWG ist eine Kundenanlage so zu gestalten, dass „die Belieferung der Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei" möglich ist. Der Betreiber der Kundenanlage (i.d.R. der Vermieter) ist verpflichtet, die notwendigen nachgelagerten Zählpunkte bereitzustellen und zu verwalten, sodass auch der Letztverbraucher (Mieter) seinen Energielieferanten frei wählen kann.
Zur Verpflichtung des Netzbetreibers: Nach § 20 Abs. 1d EnWG muss der Betreiber des Energieversorgungsnetzes „die erforderlichen Zählpunkte" stellen, betreffende Zählpunkte werden aber in der Praxis oft erst auf Anforderung des Betreibers der Kundenanlage (also des Vermieters) eingerichtet.
Das Messstellenbetriebsgesetz regelt, dass Einbau und Betrieb intelligenter/klassischer Zähler in der Regel Aufgabe des grundzuständigen Messstellenbetreibers (oft identisch mit dem regionalen Netzbetreiber) sind. Der Messstellenbetreiber muss auf Verlangen einen modernen Stromzähler („moderne Messeinrichtung") installieren; dazu ist allerdings die Schaffung eines eigenen Zählerplatzes Voraussetzung.
- Der Vermieter kann Sie im Regelfall _nicht_ dauerhaft auf einen Strombezug über ihn selbst beschränken – Stichwort: Stromversorgungsmonopol widerspricht geltendem Energierecht und Mietrecht.
- Sie dürfen verlangen, dass ein Netzbetreiber-fähiger Zählerplatz geschaffen wird, sofern dies technisch möglich und nicht vertraglich abweichend und wirksam geregelt ist.
- Die bisherige Praxis, lediglich einen Zwischenzähler (Hutschienenzähler) ohne Netzanbindung zu verwenden, genügt regelmäßig weder dem Energierecht noch dem Mietrecht, sofern Sie als Mieter den Wunsch äußern, eigenständig einen Stromliefervertrag abzuschließen.
Fordern Sie den Vermieter schriftlich und unter ausdrücklichem Verweis auf Ihr Recht (siehe oben zitierte Stellen) auf, die baulichen und organisatorischen Voraussetzungen für Ihren eigenen Zählpunkt bei Netzbetreiber und Messstellenbetreiber zu schaffen.
Der nächste Schritt ist die Einschaltung der Schlichtungsstelle Energie bzw. Ihrer örtlichen Verbraucherzentrale, um eine einvernehmliche Lösung (oft auch kostengünstiger und zügiger) herbeizuführen.
Durchsetzung wäre ggf. im Wege einer Klage auf Duldung der Installation eines Stromzählers (bzw. Schaffung eines entsprechenden Zählerplatzes und Anmeldemöglichkeit beim Netzbetreiber) möglich. Auch ist der Weg über eine einstweilige Verfügung grundsätzlich eröffnet, wenn die Versorgung durch die Weigerung ernsthaft bedroht ist - denn die Rechtsprechung sieht die Verweigerung des Stromanschlusses als Besitzstörung, gegen die Eilrechtsschutz möglich ist.
In den seltenen Fällen, in denen (z. B. bauliche) Gegebenheiten dem entgegenstehen, müsste der Vermieter dies nachvollziehbar beweisen. Ohne zwingenden Grund ist eine Weigerung i.d.R. unzulässig.
Es existieren mehrere gerichtliche Entscheidungen (u. a. BGH, Oberlandesgerichte, diverse Amts- und Landgerichte), nach denen der Vermieter grundsätzlich dafür sorgen muss, dass dem Mieter die Nutzung der Mieträume inklusive eines eigenen Netzzugangszählers und der Möglichkeit zum Anbieterwechsel offensteht, sofern keine anderweitige klare Vereinbarung besteht. Entscheidend ist regelmäßig, ob ein Zählerplatz technisch herstellbar ist und ob der Mieter einen tatsächlichen Bedarf (hier: günstigere Versorgung) nachweisen kann.
Beispielentscheidungen:
- BGH, Stromzählereigentum und Anschlussrecht, VIII ZR 113/10
- OLG Bremen, 18.02.2016 - 3 U 41/12
In Neubauten oder bei vollständiger Modernisierung besteht eine klare Pflicht des Vermieters zur Schaffung der technischen Voraussetzungen, also auch des Zählerplatzes und Hausanschlusses. Die Kosten trägt im Regelfall der Vermieter.
Wenn Sie nachträglich einen separaten Zähler wünschen, weil Sie sich von der Stromlieferung des Vermieters lösen wollen, ist die Rechtslage differenzierter. Hier kann der Vermieter Sie ggf. an den hierfür entstehenden (Mehr-)Kosten beteiligen oder diese vollständig auf Sie abwälzen, sofern keine weitergehenden mietvertraglichen Vereinbarungen entgegenstehen. Entscheidend ist die Zumutbarkeit: Wenn der Wunsch mit einem vertretbaren Aufwand erfüllbar ist, tendiert die Rechtsprechung zur Teilung der Kosten nach Billigkeit, vor allem, wenn Sie bereit sind, die Hauptkosten selbst zu tragen.
Die Kosten für Messstellenbetrieb (Zählermiete beim Grundversorger oder Messstellenbetreiber, ca. 10 - 20 EUR/Jahr) sind üblicherweise – wie auch bei anderen Verbrauchskosten – vom Nutzer/Mieter zu tragen.
Wurde mietvertraglich ein niedriger Mindeststandard oder eine abweichende Versorgung (z. B. ausschließlich Gas oder Eigenversorgung durch den Vermieter) vereinbart, kann dies den Anspruch einschränken, ist aber äußerst selten für Wohnraummietverhältnisse.
In Ihrem Fall ergibt sich eine erhebliche Differenz (330 EUR jährlich) zwischen den marktüblichen Preisen im Grundversorgungstarif und Ihrer aktuellen Versorgungssituation. Nach der Rechtsprechung und herrschenden Meinung im Miet- und Energierecht ist dies ein starkes Argument für ein berechtigtes Interesse an der Schaffung eines eigenen Zählpunktes.
Zusammenfassung:
Sie haben nach geltendem Recht grundsätzlich das Recht, einen eigenen Netzbetreiber-Zählpunkt in Ihrer Mietwohnung zu verlangen, um frei den Stromanbieter wählen zu können.
Der Vermieter ist verpflichtet, einen entsprechenden Zählerplatz vorzuhalten, sofern dies mit vertretbarem baulichen und wirtschaftlichen Aufwand technisch möglich ist und keine anderslautende, im Vertrag ausdrücklich festgehaltene Regelung besteht.
Bei Verweigerung empfiehlt sich die schriftliche Aufforderung an den Vermieter unter Hinweis auf Ihre Rechte sowie ggf. das Hinzuziehen einer Schlichtungsstelle oder gerichtliche Schritte.
Letztlich ist ein Strommonopol des Vermieters in der Mietwohnung nach aktueller Rechtslage und herrschender Meinung im Wohnraummietrecht unzulässig, sofern Sie keine abweichende Versorgung oder einen Versorgungsausschluss ausdrücklich akzeptiert haben.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Schwartmann
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Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Familienrecht