Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen aufgrund des geschilderten Sachverhalts wie folgt beantworte:
Grundsätzlich ist derjenige für die Folgen verantwortlich, der durch das Anbringen von Futterstellen (Vogelhäuschen etc.) wildlebende Vögel anlockt. Solange die Beeinträchtigungen für Ihre Nachbarin hierdurch nur unwesentlich sind, wird Ihre Nachbarin keine Abwehransprüche geltend machen können. Dies haben Sie bereits richtig erkannt.
Ich darf Ihnen Absatz I des § 906 BGB
einmal zitieren:
„§ 906
Zuführung unwägbarer Stoffe
Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben."
Grundsätzlich fallen unter diese Vorschrift alle grenzüberschreitenden Einwirkungen, deren Ausbreitung nicht kontrollierbar ist. Dies gilt für sämtliche Kleinstkörper wie Pflanzensamen oder auch Blüten. Vogelkörner sind m. E. demnach als ähnliche Einwirkungen im Sinne der Vorschrift zu qualifizieren, da diese mit den genannten Beispielen vergleichbar sind.
Aber nun zum Merkmal der Wesentlichkeit, für das es tatsächlich allgemeine Formulierungen gibt. Die Rechtsprechung legt als Maßstab für das Merkmal der Wesentlichkeit das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit fest und nicht das subjektive Empfinden des Betroffenen. Konkret bedeutet das für ein Wohngrundstück, dass gefragt werden muss, ob dieses durch die Beeinträchtigung an Annehmlichkeit verliert und dadurch der Wohnwert gemindert wird. Auch die Lage des Grundstücks spielt eine Rolle. In einer ländlichen Gegend ist Laubbefall oder das Aufhängen von Vogelhäuschen eher hinzunehmen als in der Stadt. Konkret wird es aber immer auf den Einzelfall ankommen. Ein paar Körner Vogelfutter sind sicher noch nicht als wesentlich einzustufen. Mehrere Vögelkörner, die sich großflächig über den Rasen ausbreiten dürften nicht mehr unwesentlich sein.
Sachbeschädigungen sind in der Regel als wesentlich anzusehen (BGH NJW 99, 1029
). Ob ein Gericht dies hier beim angefressenen Salat auch so sieht, ist eine Frage des Einzelfalls. Hier muss sicher auch die Häufigkeit berücksichtigt werden. Für Laubbefall gilt im Übrigen, dass dieser erst wesentlich ist, wenn er zu erheblichen Verschmutzungen oder Verstopfungen von Abflüssen führt (BGH NJW 04, 1037
).
Sollte Ihre Nachbarin tatsächlich gegen Sie vorgehen wollen, müsste sie die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung beweisen. Das Gericht wird sich dann höchstwahrscheinlich vor Ort selbst ein Bild von der Lage machen, um eine objektive Entscheidung treffen zu können. Ratsam ist es in solchen Fällen immer, zunächst einen Kompromiss mit der Nachbarin zu suchen. In der Regel muss vor einem gerichtlichen Verfahren eine Schiedsstelle eingeschaltet werden und ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden. Ein solches Verfahren ist in Baden-Württemberg bei Nachbarstreitigkeiten vorgeschrieben, wobei auch hier bereits eine bindende Regelung getroffen werden kann.
Das zuständige Umweltamt wird Ihnen eher nicht weiterhelfen können, es kann aber nicht schaden, sich dort zu erkundigen, wie viele Vogelhäuschen im Allgemeinen in Ihrer Region erlaubt sind und wie mit solchen Fällen umgegangen wird. Sollte die Streitigkeit eskalieren, können Sie sich an die zuständige Schiedsstelle wenden, um ein Schlichtungsverfahren einzuleiten.
Ich hoffe, dass ich Ihnen zunächst weiterhelfen konnte.
Marion Deinzer
Rechtsanwältin
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