Sehr geehrter Fragesteller,
1. Grundsätze der Abrechnungsspitze
Die sogenannte Abrechnungsspitze ist der Betrag, der sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich angefallenen Kosten eines Wirtschaftsjahres und den von den Wohnungseigentümern geleisteten Vorschüssen ergibt. Sie wird im Rahmen der Jahresabrechnung festgestellt und bildet die Grundlage für etwaige Nachforderungen oder Erstattungen an die einzelnen Wohnungseigentümer.
2. Bedeutung des Wirtschaftsplans
Nach § 28 WEG ist der Verwalter verpflichtet, für jedes Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen. Dieser Plan enthält die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben sowie die anteiligen Verpflichtungen der Wohnungseigentümer. Die Vorschüsse, die die Eigentümer im Laufe des Jahres zahlen, beruhen auf diesem Wirtschaftsplan.
3. Fehlt ein Wirtschaftsplan – wie wird die Abrechnungsspitze ermittelt?
Fehlt ein wirksamer Wirtschaftsplan, ist die Situation rechtlich problematisch, da die Vorschüsse, die zur Ermittlung der Abrechnungsspitze herangezogen werden müssten, nicht verbindlich beschlossen wurden. Dennoch ist die Jahresabrechnung zu erstellen, da sie die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben des abgelaufenen Jahres abbildet.
In der Praxis wird in solchen Fällen wie folgt verfahren:
Tatsächlich geleistete Zahlungen: Es werden die tatsächlich von den Eigentümern im Abrechnungsjahr geleisteten Zahlungen (sogenannte „Soll-Vorauszahlungen" oder tatsächlich gezahlte Hausgelder) den tatsächlichen Kosten gegenübergestellt.
Abrechnungsspitze: Die Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten und den tatsächlich geleisteten Zahlungen ergibt die Abrechnungsspitze, die entweder als Nachzahlung oder als Guthaben ausgewiesen wird.
4. Rechtsprechung zur Abrechnungsspitze ohne Wirtschaftsplan
Die Rechtsprechung stellt klar, dass die Jahresabrechnung auch dann zu erstellen ist, wenn kein wirksamer Wirtschaftsplan vorliegt. Die Abrechnungsspitze ist dann anhand der tatsächlich geleisteten Zahlungen zu ermitteln.
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt hierzu fest:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wirkt der Beschluss über die Jahresabrechnung anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze); im Hinblick auf Zahlungsverpflichtungen, die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, hat er dagegen nur bestätigende und rechtsverstärkende Wirkung. […] Die Jahresabrechnung dient nicht der Ermittlung des ‚eigentlichen‘ Beitragsanspruchs, sondern nur der Anpassung der laufend zu erbringenden Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten."
(BGH, Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797)
Auch wenn kein Wirtschaftsplan beschlossen wurde, ist die Abrechnungsspitze anhand der tatsächlich gezahlten Vorschüsse zu berechnen. Die Jahresabrechnung bleibt das maßgebliche Instrument zur Feststellung der endgültigen Zahlungsverpflichtungen der Eigentümer.
5. Zusammenfassung
Fehlt ein Wirtschaftsplan, werden für die Ermittlung der Abrechnungsspitze die tatsächlich geleisteten Zahlungen der Eigentümer im Abrechnungsjahr herangezogen.
Die Abrechnungsspitze ergibt sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten und den tatsächlich gezahlten Vorschüssen.
Die Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 171/11) bestätigt, dass die Jahresabrechnung auch ohne wirksamen Wirtschaftsplan zu erstellen ist und die Abrechnungsspitze anhand der tatsächlich geleisteten Zahlungen zu ermitteln ist.
6. Praxishinweis
Die Wohnungseigentümergemeinschaft sollte darauf achten, dass der Wirtschaftsplan ordnungsgemäß beschlossen wird, um Unsicherheiten und Streitigkeiten zu vermeiden. Fehlt ein solcher Beschluss, ist die Abrechnungsspitze dennoch anhand der tatsächlich geleisteten Zahlungen zu berechnen und in der Jahresabrechnung auszuweisen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
2. Juli 2025
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13:10
Antwort
vonRechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist
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Ergänzung vom Anwalt
2. Juli 2025 | 13:11
* Sehr geehrte Fragestellerin! (sorry)