Sehr geehrter Rechtssuchender,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die ich unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworten möchte. Beachten Sie bitte, dass die von mir erteilte rechtliche Auskunft ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben basiert. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.
Vorweg die Information, dass die von Ihnen vorgeschlagene Möglichkeit bislang - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung entschieden wurde noch in der einschlägigen Fachliteratur diskutiert wird.
§ 11
i.V.m. § 7 Abs. 1 AGG
verlangt grundsätzlich, dass sich Ausschreibungen in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Männer als auch an Frauen richten. Dabei ist jedoch die Verwendung einer maskulinen Form mit weiblichem Zusatz ausreichend (z.B. Verkäufer/in) Nach einer Entscheidung des LAG Hamm ist auch die Verwendung einer femininen Bezeichnung mit dem Zusatz (m/w) zulässig (s.u.). Um sicherzugehen, dass kein Verstoß gegen das AGG erfolgt, müssen also stets die Berufsbezeichnungen in beiden Formen verwendet werden. Alternativ kommt nur die Verwendung eines geschlechtsneutralen Oberbegriffs in Frage, wie z.B. "Bürokraft" oder "Pflegekraft". Auch die von Ihnen genannte "Buchhaltungskraft" wäre möglich, Helfer, Betreuer und Dienstleister hingegen nicht.
In der Literatur wird bislang überwiegend davon ausgegangen, dass es nicht ausreicht, wenn die Überschrift geschlechtsneutral ist, sondern dass auch der weitere Inhalt der Stellenausschreibung beide Geschlechter berücksichtigen muss. Folgende Formulierung wäre daher mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen das AGG:
"Gesucht wird ein Sekretär (m/w) Sie sollte über ... verfügen."
Richtig wäre:
"Gesucht wird wird ein Sekretär (m/w) Er/Sie sollte über ... verfügen."
Auf der anderen Seite hat das LAG Hessen in einem Urteil vom 03.02.2009 - 12 Sa 28/08
folgende Situation zu entscheiden: Die stellenausschreibung war überschrieben mit "Assistent Planung Abteilungsleitung 330-6". der weitere Text bezog sich neutral auf die fachlichen und persönlichen Anforderungen sowie die wesentlichenaufgaben. Der Text schloss ab mit „Hinweise(n) für Bewerber/innen" in Fettschrift. Daraus schloss das LAG Hessen - obwohl die Überschrift nicht geschlechtsneutral formuliert war - dass sich aus der geschlechtsneutralen Formulierung des Textes sowie den Hinweisen am Ende ergibt, dass der Arbeitgeber keine diskriminierenden Absichten hat.
Unter diesem Gesichtspunkt mag es ausreichend sein, an exponierter Stelle die Formulierung: "Um die Lesbarkeit zu erleichtern, verzichten wir im Text bei den Berufsbezeichnungen auf das gesonderte Aufführen des weiblichen Geschlechts." zu verwenden. Richterlich entschieden ist diese Möglichkeit - soweit ersichtlich - jedoch nicht. Auch in der einschlägigen Literatur findet sich kein entsprechender Hinweis auf diese Möglichkeit. Der sicherste Weg wäre daher die durchgehende geschlechtsneutrale Formulierung der Stellenanzeige.
Hinsichtlich Ihrer Fragestelung 2 gilt folgendes:
Das LAG Hamm hat in einem Urteil vom 24.04.2008 - 11 Sa 95/08
entschieden, dass die Bezeichnung "Hotelfachfrau (Hotelfachmann,-frau)" dem AGG genügt. In der Begründung heißt es: "Ebenso wie anerkannt ist, dass eingangs einer Stellenanzeige eine männliche Bezeichnung vorangestellt verwandt werden kann, kann auch die weibliche Bezeichnung verwandt werden, sofern durch einen nachfolgenden Klammerzusatz oder durch sonstige Ausführungen im Text der Stellenanzeige deutlich gemacht ist, dass Bewerber beiderlei Geschlechts angesprochen werden sollen."
Die Reihenfolge ist daher nach meiner Einschätzung egal, sofern nur deutlich wird, dass beide Geschlechter gleichermaßen berücksichtigt werden. Die Voranstellung der männlichen Bezeichnung ist jedoch meistens kürzer möglich und besser lesbar (Verkäufer/in - Verkäuferin/Verkäufer).
Hinsichtlich Ihrer weiteren Anschlussfragen gilt: Sie haben grundsätzlich die Wahl, ob Sie eine rein männliche oder rein weibliche Bezeichnung mit dem Zusatz (m/w) oder (w/m) verwenden oder ob Sie z.B. „Hebamme/Entbindungspfleger" schreiben. Wichtig ist stets nur, dass deutlich wird, dass beide Geschlechter angesprochen werden.
Abschließend bleibt die Feststellung, dass - nicht zuletzt auch aufgrund der Beweislastregeln des AGG - der Arbeitgeber recht schnell in die Diskriminierungsfalle rutschen kann. Daher rate ich an diesem Punkt von "kreativen Lösungen" generell eher ab. Solange die Rechtsprechung bestimmte Formulierungen nicht eindeutig für möglich erachtet hat, können solche Versuche leider schnell sehr teuer werden.
Dies zur ersten Einschätzung im Rahmen dieser Erstberatungsplattform. Sofern Sie Rückfragen haben, nutzen Sie bitte die entsprechende Funktion. Über eine positive Bewertung würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Klüting
Rechtsanwältin
Guten Tag Frau Klüting,
danke für Ihre umfassende Antwort.
Ich habe eine Nachfrage. Ich möchte wissen, ob die dargelegten Einschätzungen und Risiken bei Stellenausschreibungen analog für Ausbildungsangebote gelten oder ob es Unterschiede gibt.
Ich hatte ja bereits angesprochen, dass wir bei einem Anbieter von Ausbildungskursen die folgende Formulierung gefunden haben: "Um die Lesbarkeit zu erleichtern, verzichten wir im Text bei den Berufsbezeichnungen auf das gesonderte Aufführen des weiblichen Geschlechts."
Danach folgt eine Liste mit den aktuellen Ausbildungsangeboten "Ausbildung zum [männliche Bezeichnung]" mit Datum, Ort, Preis usw.
Nach meiner Auffassung hat ein Stellenangebot einen anderen Charakter als ein Ausbildungsangebot, auch im Hinblick auf das AGG.
Bei einem Stellenangebot mit männlicher Prägung könnte die Diskriminierung und damit ein möglicher Schadensersatzanspruch darin bestehen, dass der Job bevorzugt an einen Mann vergeben wird.
Bei einem Ausbildungsangebot besteht die Gefahr eigentlich nicht - es sei denn, es sind alle Kursplätze durch Männer belegt.
Oder schätze ich das falsch ein, weil die praktische Gewichtung gar keine entscheidende Rolle spielt und es im Sinne des AGG schon reicht, dass Fälle GEEIGNET sind, benachteiligend zu sein?
Wie immer richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Abmahngefahr.
Also kurzum: Sehen Sie bei Ausbildungsangeboten mehr Spielräume bei Formulierungen und Darstellungen ohne die dauernden Zusätze "/in" oder "m/w" als bei Stellenangeboten?
Wäre ein Satz wie „Selbstverständlich können Frauen und Männer an der Ausbildung teilnehmen" hilfreich oder gar schädlich?
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Rechtssuchender,
die Vorschrift des § 11 AGG
umfasst nicht nur Arbeitsverhältnisse sondern auch jede Form der beruflichen Aus- und Weiterbildung (so auch ausdrücklich die Gesetzesbegründung der Bundesregierung in BT-Drs. 16/1780 S. 36
). Dies ergibt sich auch aus dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG in § 6 Abs. 1 AGG
, der neben Arbeitnehmern auch die zur Berufsbildung Beschäftigten umfasst.
Die o.g. Ausführungen gelten daher genauso für Ausbildungsangebote.
Die Beweislastverteilung ergibt sich aus § 22 AGG
. Der Bewerber hat zunächst die volle Beweislast dafür, dass tatsächlich eine Benachteiligung vorliegt. Dies liegt jedoch in der Regel schon darin begründet, dass ein anderer Bewerber eingestellt wurde und der klagende Bewerber eben gerade nicht. Wichtig dabei ist jedoch, dass der Bewerber objektiv für die zu besetzende Stelle geeignet sein muss.
Ist dies der Fall, genügt für die Frage, ob diese Benachteiligung auf einer Geschlechterdiskriminierung beruht, der Vortrag von Indizien (Anhaltspunkte), die eine solche Diskriminierung vermuten lassen (sog. Beweiserleichterung). Nach der Gesetzesbegründung kann sich ein solcher Anhaltspunkt aus einer nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung ergeben (BT-Drs. 16/1780 S. 47
).
Ist der Bewerber also objektiv für die Stelle geeignet und liegt eine Stellenausschreibung vor, die nicht geschlechtsneutral ist, so obliegt dem Arbeitgeber grundsätzlich die volle Beweislast dafür, dass dennoch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegt.
Ich hoffe, Ihre Nachfrage damit beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Klüting
Rechtsanwältin