Sehr geehrte Ratssuchende,
gerne beantworte ich Ihre Frage aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung wie folgt:
Grundsätzlich kann ein Fitnessvertrag – bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – außerordentlich gekündigt werden, da es bei diesem um ein sogenanntes Dauerschuldverhältnis handelt (so AG München, Urt. v. 17.12.2008 – Az.: 212 C 15699/08
).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dem Kunden unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines Fitnessstudiovertrages als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag, ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zu (BGH, Urt. v. 08.02.2012, XII ZR 42/10
).
Dabei geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass ein (berufsbedingter) Umzug in eine andere Stadt dann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Fitnessvertrages darstellt, wenn eine Fortsetzung des Vertrages unter Berücksichtigung aller Umstände im Ergebnis dazu führt, dass der Kunde trotz Zahlung des vollen Mitgliedsbeitrages keinerlei Leistungen des Fitnessstudios mehr in Anspruch nehmen kann (so AG Hamburg-Wandsbek, Urt. v. 29.10.1998 – Az.: 716 C 421/98
).
Leider gibt es in der Rechtsprechung keinerlei verbindliche Kilometer-Grenze, bei deren Vorliegen regelmäßig von einem wichtigen Grund auszugehen ist, der zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigt. So hat das Amtsgericht München in einem Urteil im Jahre 2008 argumentiert, dass beispielsweise die Entfernung München-Wien den Kunden zur außerordentlichen Kündigung berechtigt (AG München, Urt. v. 17.12.2008 – Az.: 212 C 15699/08
).
Vorliegend dürfte daher davon auszugehen sein, dass Ihr Umzug Sie zur außerordentlichen Kündigung des Fitnessvertrages berechtigt, wenn eine einfache Fahrt zum nächstgelegenen Fitnesscenter ca. 130 km beträgt. Es dürfte für Sie daher unzumutbar sein, eine derartige Strecke zum Besuch des nächstgelegenen Fitnessstudios auf sich zu nehmen.
Leider kann ich Ihrem Sachverhalt nicht entnehmen, ob Sie Ihren Fitnessvertrag überhaupt außerordentlich gekündigt haben. Aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung gehe ich davon aus, dass Sie Ihren Fitnessvertrag bislang noch nicht außerordentlich gekündigt haben. Bei der außerordentlichen Kündigung handelt es sich rechtlich um ein Gestaltungsrecht, was bedeutet, dass man die Kündigung auch tatsächlich aussprechen muss. Insoweit kommt es rechtlich auf den Zugang der Kündigung beim Erklärungsempfänger – dem Fitnessstudio – an, § 130 BGB
.
Daher sollten Sie – aus Beweisgründen – schnellstmöglich schriftlich kündigen und sich in dieser schriftlichen Kündigungserklärung auf die vorgenannten Urteile des AG Hamburg-Wandsbek und des AG München berufen.
Ferner kann ich Ihrem Sachverhalt leider nicht entnehmen, welche Laufzeit der am 01.03.2011 geschlossene neue Fitnessvertrag hat. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Grundlaufzeit des Erstvertrages einen Zeitraum von 24 Monaten nicht überschreiten darf, da ansonsten von einer Unwirksamkeit dieser Klausel gemäß § 309 Nr. 9 a BGB
auszugehen ist (LG Aachen, Urt. v. 20.12.2007 – Az.: 6 S 199/07
).
Daher dürfte aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung davon auszugehen sein, dass derzeit noch ein wirksamer Fitnessvertrag vorliegt, so dass eine Zahlung wohl dem Grunde nach nicht zu verhindern sein dürfte, sofern Sie den Fitnessvertrag nicht zwischenzeitlich gekündigt haben sollten.
Ob der von dem Inkasso-Büro geltend gemachte Anspruch in Höhe von 700 Euro auch der Höhe nach zutreffend ist, kann mangels Vorliegen des Fitnessvertrages von hieraus nicht abschließend beurteilt werden.
Ich kann Ihren daher leider nur empfehlen, sich schnellstmöglich – d.h. noch vor Ablauf der vom Inkasso-Büro gesetzten Frist zum 05.03.2013 – an einen ortsansässigen Rechtsanwalt zu wenden und diesem Ihren Fitnessvertrag sowie die gesamte Korrespondenz mit dem Inkasso-Büro zur Prüfung vorzulegen. Nach einer eingehenden rechtlichen Prüfung könnte der Kollege dann die weitere Vorgehensweise mit Ihnen absprechen.
Ich hoffe, Ihnen insoweit einen ersten Überblick verschafft zu haben.
Ich weise abschließend darauf hin, dass es durch Hinzufügen und Weglassen wesentlicher Umstände im Sachverhalt durchaus zu einer komplett anderen rechtlichen Bewertung kommen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Marcel Wahnfried
Rechtsanwalt
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