Sehr geehrter Ratsuchender,
unter Berücksichtigung Ihrer Angaben und Ihres Einsatzes beantworte ich die von Ihnen gestellten Fragen zusammenfassend wie folgt:
Eine Anklage des deutschen Polizeibeamten kommt dann in Betracht, wenn sich dieser einer Straftat hinreichend verdächtig gemacht hat, vgl. § 170 Abs. 1 StPO
. Fraglich ist, ob der Polizist nach deutschem Recht einer solchen Straftat hinreichend verdächtig ist.
Anzudenken wäre zunächst eine sog. Urkundenunterdrückung gem. § 274 StGB
durch das Abschrauben des Nummernschildes. Das Nummernschild stellt nämlich in Verbindung mit dem betreffenden (Ihrem) PKW eine sog. zusammengesetzte Urkunde dar, die durch das Abschrauben zerstört wurde im Sinne von § 274 StGB
.
Das Abschrauben geschah jedoch nicht, um Ihnen einen Nachteil zuzufügen, sondern um Ihren Versicherungsstatus festzustellen. Auch handelte die Polizei hierbei im Rahmen Ihrer Befugnisse, da Sie zunächst dazu verpflichtet ist, den Sachverhalt zu klären, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (was bei dem Betrieb eines unversicherten PKW unzweifelhaft der Fall ist) vorliegt und somit nicht Vorsätzlich bezüglich der Verwirklichung des § 274 StGB
. Eine entsprechende Strafbarkeit scheidet somit aus.
Auch liegt keine Sachbeschädigung im Sinne von § 303 StGB
vor. Nach Ihrer Schilderung des Sachverhalts ist es durch das Abschrauben des Nummernschildes nicht zu Beschädigungen am PKW oder am Nummernschild gekommen. Sollte dieses der Fall sein, also eine Beschädigung des Lackes etc. vorliegen, so läge zwar objektiv eine Sachbeschädigung vor, diese wäre aber nach den Umständen nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig und daher nicht strafbar. Hierdurch würden Ihnen dann jedoch zivilrechtliche Ansprüche gegen den Dienstherren des betreffenden Polizisten aus Amtshaftung gem. §839 BGB
in Verbindung mit Art. 34 GG
zustehen.
Auch liegt keine Verfolgung Unschuldiger in Ihrem Fall vor gem. § 344 StGB
, da der Polizist Sie nicht wegen einer Straftat verfolgt hat.
Auch sind nach Ihrer Sachverhaltsschilderung keine beleidigenden Äußerungen seitens der Polizei gefallen und auch keine handgreiflichen Übergriffe erfolgt, so dass eine Strafbarkeit gem. §§ 185 ff. StGB
(Beleidigung) und § 340 StGB
(Körperverletzung im Amt) ausscheidet.
Ernsthaft in Betracht kommt in Ihrem Fall ausschließlich die Nötigung gem. § 240 StGB
.
Diese setzt gem. § 240 Abs. 1 StGB
tatbestandlich voraus, dass ein Mensch einem anderen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder unterlassen genötigt wird.
Eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB
ist darin zu sehen, dass Ihnen für den Fall der Weiterfahrt ohne Kennzeichen und dergleichen Strafe droht. Auch ist in der Wegnahme der Papiere und des Nummernschildes eine gewisse Gewaltanwendung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB
zu sehen. Eine solche setzt nämlich eine physische Krafteinwirkung voraus, die das Opfer als Zwang empfindet.
In Ihrem Fall wurde die physische Kraftanwendung zwar nicht gegenüber Ihnen entfaltet, sondern gegenüber Ihrem PKW, also durch die Stilllegung, hierdurch waren Sie jedoch dem Zwang ausgesetzt, nicht weiter fahren zu können, ohne von der nächsten Polizeikontrolle wegen Fahrens ohne Papiere und Kennzeichen angehalten zu werden.
Auch ist das polizeiliche Handeln als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. II StGB
anzusehen, da die Polizei die Sachlage hätte viel schneller klären können und auch müssen, um Ihnen dann die Weiterfahrt zu ermöglichen.
Durch dieses Verhalten wurden Sie auch zu einem Unterlassen genötigt, nämlich zum Weiterfahren. Sie mussten ja erst Ihre Papiere wiedererhalten.
Im Ergebnis liegt somit der objektive Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB
nach Ihrer Schilderung vor.
Der Polizeibeamte müsste allerdings um strafbar zu sein, auch vorsätzlich gehandelt haben. Dies wird dem Polizisten schwer nachzuweisen sein. Im Gegenteil wird es wohl eher dafür sprechen, dass er sich unsicher war und um keinen Fehler zu machen, es so lange gedauert hat. Im Ergebnis halte ich bezüglich der Nötigung aufgrund des wohl fehlenden oder schwer Nachweisbaren Vorsatzes den hinreichenden Tatverdacht, wie es § 170 Abs1 StGB
für eine Anklageerhebung verlangt, für nicht gegeben, so dass eine Strafverfolgung wenig Aussicht auf Erfolg hätte.
Sollte Ihnen der Vorfall immer noch so stark auf der Seele liegen, dass Sie eine Genugtuung/Wiedergutmachung suchen, so könnten Sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den konkreten Polizisten einleiten. Diese wäre bei seinem Dienstherrn anhängig zu machen.
Nachfolgend habe ich Ihnen die wichtigsten Bestimmungen zum besseren Verständnis beigefügt:
§ 170 StPO
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) 1Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. 2Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
§ 240 StGB
, Nötigung
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) 1In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1.
eine andere Person zu einer sexuellen Handlung oder zur Eingehung der Ehe nötigt,
2.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
3.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.
§ 274 StGB
, Urkundenunterdrückung, Veränderung einer Grenzbezeichnung
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.
eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt,
2.
beweiserhebliche Daten (§ 202a Abs. 2), über die er nicht oder nicht ausschließlich verfügen darf, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert oder
3.
einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälschlich setzt.
(2) Der Versuch ist strafbar.
§ 839 BGB
, Haftung bei Amtspflichtverletzung
(1) 1Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) 1Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. 2Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Art 34
Grundgesetz
1Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. 2Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. 3Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
Ich wünsche Ihnen für Ihr weiteres Vorgehen viel Erfolg!
Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen: Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann. So kann nämlich durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen eine völlig andere rechtliche Beurteilung die Folge sein.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können mich natürlich gerne im Rahmen der Nachfrageoption auf diesem Portal oder über meine E-Mail-Adresse mit mir Verbindung aufnehmen.
Sehr gerne stehe ich Ihnen für eine weitergehende Vertretung im Wege der Mandatierung zur Verfügung.
Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.
mit freundlichem Gruß
Danjel-Philippe Newerla, Rechtsanwalt
Antwort
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