Sehr geehrter Fragesteller,
ich möchte Ihre Anfrage anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer ERSTberatung wie folgt beantworten:
"Ist die Forderung des AZV eventuell verjährt?"
Nach § 15, 11 Abs. 1 Satz 2 KAG SH i.V.m. §§ 169
, 170 AO
muss der Änderungsbescheid innerhalb der Festsetzunsfrist erlassen werden. (4Jahre + Ablauf des vorangehenden Kalenderjahres)
Wenn also die Gebühren im Jahr 2000 angefallen sind, ist dieser insoweit rechtzeitig geändert.
Der für die Eintragung der Zwangshypothek notwendige Bestandskraft des Bescheides hat (unterstellt) vorgelegen.
§ 197 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BGB
bestimmen für rechtskräftig festgestellte Ansprüche und vollstreckbaren Urkunden eine Verjährung von 30 Jahren.
"Bedingt durch die Tatsache, dass der AZV von der Zahlungsunfähigkeit der Herrn R. ausging, welche jedoch nicht bestätigt ist ( keine EV des Herrn R.) und keine Sicherungshypothek hat eintragen lassen, fühle ich mich getäuscht."
Der AZV hat im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten gehandelt. Da er auch gegen den "Nacheigentümer" vorgehen kann, hat er Sie nicht getäuscht, soweit er keine anders lautenden Auskünfte erteilte.
Eine Täuschung wäre wohl nur durch die Vertreter der insolventen Firma, mithin der Verkäufers erfolgt. Hier durch Verschweigen der offenen Forderungen seitens des AZV.
"Da der seinerzeitige Verkäufer an mich insolvent ist und Herr R. in keiner direkten rechtlichen Beziehung zu mir im Zuge des Verkaufs steht, habe ich wohl auch keine Beteiligten, die ich zur Schadenersatzleistung heranziehen kann.
Komme ich irgentwie aus dieser Nummer?"
Gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG SH i.V.m. § 219 AO
hätte der AZV zunächst gegen den persönlichen Schuldner die Vollstreckung betreiben müssen.
Davon kann nur abgewichen werden,
WENN die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des persönlichen Schuldners (Vorvoreigentümer) ohne Erfolg geblieben ist
ODER die Vollstreckung aussichtslos sein würde.
Hat der AZV dagegen verstoßen, können Sie versuchen Schadensersatz zu erlangen.
Hinsichtlich der ausstehenden Kosten des AZV haften Sie (als nicht persönlicher Schuldner) nur mit dem Grundstück. (OVG Bautzen: Beschluss vom 16.11.2010 - 5 B 207/10
in BeckRS 2011, 45172
) Diese Haftung endete mit der Zwangsversteigerung.
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Ich hoffe, dass ich Ihnen eine erste Orientierung in der Sache geben konnte.
Sollte sich der Sachverhalt doch etwas anders darstellen, nutzen Sie bitte die Nachfrage.
Sie können mich jederzeit über die Kontaktdaten in meinem Profil erreichen und auch in anderen Angelegenheiten beauftragen.
Es sei noch der Hinweis erlaubt, dass die rechtliche Einschätzung ausschließlich auf den von Ihnen mitgeteilten Tatsachen beruht und dass durch das Hinzufügen oder Weglassen von weiteren tatsächlichen Angaben die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen kann.
Antwort
vonRechtsanwalt Heiko Tautorus
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Rechtsanwalt Heiko Tautorus
Sehr geehrter Herr Anwalt,
zunächst vielen Dank für Ihre Einschätzung.
In § 219 AO
heißt es:
"soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde"
bedeutet das, dass der AZV die Vollstreckung gar nicht betreiben muss, allein wegen der Vermutung, der Schuldner sei nicht zahlungsfähig, oder muss der Versuch der Vollstreckung erfolgt sein.
Der gleiche AZV hat gegen mich wegen rückständiger Abwassergebühren ( gleiches Grundstück) durch Beitreibung der Forderung unter Zuhilfenahme eines Gerichtsvollziehers vollstreckt. In meinem Fall war sogar die Abgabe der eV gefordert worden.(Konnte ich durch Zahlung der Gebühren abwenden)
Muss der AZV nach Ablauf einer Frist erneut die Beitreibung der Gebühren bei dem Schuldner versuchen. Es können sich ja die wirtschaftlichen Bedingungen eines Schuldners mit Zeitablauf durchaus verbessern. Wie gesagt, der Schuldner hat nach eigener Aussage mir gegenüber erklärt, das nicht vollstreckt wurde und keine eV abgegeben wurde.
Vielen Dank
Sehr geehrter Fragesteller,
Ja, der AZV muss die Vollstreckung nicht betreiben, soweit diese aussichtslos ist.
Die Aussichtslosigkeit der Vollstreckungshandlung spielt im Rahmen des Ermessens des AZV eine Rolle.
Wenn Anhaltspunkte vorlagen, die diese Ansicht begründeten, konnte sich das Ermessen (gegen Sie zu vollstrecken) darauf stützen.
Z.B. bekannter Insolvenzantrag privat oder als vollhaftender Gewerbetreibender/Freiberufler, SGB II-Bezug oder bekannte gewährte Prozesskostenhilfe oder... eben Anhaltspunkte die dafür sprechen, dass die Pfändungsgrenzen zu Gunsten des Betroffenen eingreifen.
Ja, im auszuübenden Ermessen wäre vor Verwertung der Zwangshypothek die weiterhin bestehende Aussichtslosigkeit der Vollstreckung erneut zu prüfen gewesen.
Waren dem AZV später Tatsachen bekannt, die den für die Aussichtslosigkeit gegebenen Grund nachträglich entfallen ließen, bedurfte es für die Ausübung des Ermessens (Verwertung der Zwangssicherungshypothek) zunächst einer nochmaligem Vollstreckungsversuchs beim persönlichen Schuldner. Denn die Verwertung der eingetragenen Sicherheit aus dem Grundbuch ist an keine Frist gebunden, sodass ein zeitlicher Aufschub zum Versuch einer anderweitigen Vollstreckungsmaßnahme vorrangig ins Ermessen einzustellen wäre.
Zu beachten ist weiterhin § 166 AO
. Sollten Sie die Möglichkeit besessen haben, die Unanfechtbarkeit der Festsetzung (2005) zu verhindern, mithin anzufechten, dann müssten Sie die Festsetzung auch gegen sich gelten lassen.Dies setzt aber zumindest Kenntnis vom Abgabenbescheid vor dessen Unanfechtbarkeit voraus. Jedoch sehe ich keine Anhaltspunkte für eine erfolgversprechende damalige Anfechtungsmöglichkeit, da die Schuld wohl dem Grunde nach unstreitig war.
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Zur Vollständigkeit ist noch nachzutragen, dass die reine Zahlungsaufforderung aus dem Bescheid von 2005 wegen §§ 228
, 229 AO
mit Ablauf des 31.12.2010 verjährt wäre. Dies unter der Berücksichtigung, dass zwischenzeitlich keine Handlungen zur Unterbrechung der Verjährung erfolgt sind. Hier wurde jedoch auf Basis des Bescheides ein vollstreckungsfähiger Titel zur Eintragung der Zwangshypothek erwirkt.
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Mit freundlichen Grüßen und ein schönes Wochenende
Heiko Tautorus
Rechtsanwalt