Sehr geehrter Fragesteller,
einleitend darf ich anmerken, dass die Beantwortung Ihrer Frage im Rahmen der zeitlichen Vorgabe von zwei Stunden normalerweise kaum möglich ist. Da ich mich aus politischem Interesse (ich selbst gehöre allerdings der FDP an) mit diesen Fragen vorher schon befasst habe, ist mir die grundsätzliche Fragestellung allerdings geläufig. Ihre Frage beantworte ich daher wie folgt:
Im Vorfeld des Verschmelzungsprozesses von PDS und WASG sind beide Parteien in rechtlicher Hisicht auf übereinstimmenden Beschluss der jeweiligen Parteitage als eingetragene Vereine formiert und in das Vereinsregister eingetragen worden (vgl. Gutachten Prof. Morlok). Die Parteien WASG und PDS sind damit rechtlich selbstständige Vereine mit eigener Rechtspersönlichkeit geworden. Zur rechtlichen und tatsächlichen Verschmelzung kommt es, indem die PDS als übernehmender Verein fungiert. Die Mitgliedschaft in einer der beiden Parteien führt automatisch zur Mitgliedschaft in der neuen Partei mit allen Rechten und Pflichten.
Die Partei gliedert sich nach § 12 der (neuen) Satzung in Landesverbände. Dabei ist es unerheblich, ob die einzelnen Landesverbände der vormaligen Parteien eigene Vereinbarungen getroffen haben, mit Verschmelzung der Parteien auf Bundesebene bestehen die Landesverbände der Parteien WASG und PDS in getrennter Weise jedenfalls nicht mehr fort, da die Parteien auf Bundesebene nicht mehr existieren. Die einzelnen Landesverbände teilen als unselbstständige Teile des Bundesverbandes somit auch das "rechtliche Schicksal" der Bundespartei.
Aus meiner Sicht rechtswirksam zustande gekommen ist die Verschmelzung beider Vereine durch die entsprechenden Beschlüsse der beiden Parteitage am 24. und 25.3.2007 selbst auch dann, wenn die Vorgaben des Verschmelzungsvertrags nicht eingehalten worden sein sollten, weil nämlich die Verschmelzungsbeschlüsse der Mitgliederversammlungen beider Vereine (=Parteitage) durch die Urabstimmungen beider Parteien entsprechend der satzungsmäßigen Vorgaben auch bestätigt worden sind. Die Frage der organisatorischen Zusammenführungen rechtlich unselbstständiger Teile der Vereine /Parteien (Landesverbände) berührt nicht die Frage des Zusammenschlusses der beiden Vereine insgesamt, selbst wenn diese nicht entsprechend des Verschmelzungsvertrags zustande gekommen sein sollten. Die Landesverbände von PDS und WASG haben keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern sind Teil der verschmolzenen Vereine. Auch wenn die Vorgaben des Verschmelzungsvertrags in der Frage der Organisation und Neukonstituierung der Landesebene nicht eingehalten worden sein sollten, besteht damit in Berlin keine WASG außerhalb des bundesweiten WASG e. V.
2. Hiervon zu trennen ist allerdings die Frage der Fraktionen.
Hierbei ist § 5 Abs. 3 BezVG zu beachten. Dieser lautet wie folgt:
„Eine Fraktion besteht aus mindestens drei Mitgliedern der Bezirksverordnetenversammlung, die
derselben Partei oder Wählergemeinschaft angehören oder auf demselben Wahlvorschlag gewählt worden sind“.
Diese gesetzliche Formulierung halte ich persönlich für problematisch, da anders als in den Formulierungen in anderen Bundesländern hiermit die Fraktionen nicht „freiwillige“ Zusammenschlüsse der Abgeordneten, sondern vom Schicksal der jeweiligen Parteien abhängig sind. Es entspricht deshalb auch geltender Rechtslage, dass sich Bezirksverordnete in Berlin nicht zu einer neuen Fraktion zusammenschließen können, selbst wenn sie aus ihrer bisherigen Partei ausgetreten sind, dies wäre allenfalls dann möglich, wenn die ausgetretenen Bezirksverordneten einer neuen Partei beitreten würden. Eine solche Möglichkeit bestünde natürlich auch in Ihrem Fall. Sofern sich der BVV-Vorsteher somit auf den Standpunkt stellt, dass Sie zukünftig der gemeinsamen Fraktion „Die Linke“ angehören, übersieht er dennoch, die zweite Alternative des § 5 Abs. 3 BezVG, nämlich dass Sie als Bezirksverordnete der WASG auf „demselben“ Wahlvorschlag gewählt worden sind, der aber ein anderer Wahlvorschlag als der der PDS war. Hier kommt es nur auf den Wahlvorschlag selbst an, das Gesetz verlangt nicht, dass dieser von einer Partei kommen muss. Vor diesem Hintergrund können Sie aus meiner Sicht jedenfalls durchaus für sich in Anspruch zu nehmen, nicht der Fraktion der PDS bzw. Die Linke anzugehören, da sie jedenfalls auf einem anderen Wahlvorschlag gewählt worden sind, der eine eigene Fraktion rechtfertigen könnte, wobei mir natürlich nicht bekannt ist, ob Sie Fraktionsstärke hätten (mindestens 3 Personen), was jedoch Voraussetzung wäre. Ebenso wäre Voraussetzung, dass alle Mitglieder des Wahlvorschlags der WASG selbstständig bleiben wollen. Sofern Sie als WASG-Mitglieder keine Fraktionsstärke haben, bliebe nur der Austritt aus der Fraktion Die Linke und die Weiterarbeit als fraktionslose Bezirksverordnete.
Vor diesem Hintergrund könnten eine einstweilige Anordnung oder eine Klage vor dem VG Berlin durchaus Erfolg haben. Für eine Vertretung stünde ich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Eckart Johlige, Rechtsanwalt