Qulifikationsnachweis Physiothrapie

Question

Beim Besuch in einer Physiotherapie-Praxis habe ich zunehmend den Eindruck, dass die dort beschäftigten Mitarbeiter über gar keine ordentliche Qualifikation verfügen.   Habe ich bei Physiotherapie &lpar;per Rezept vom Orthopäden beauftragt&rpar; überhaupt einen Rechtsanspruch auf eine Behandlung durch eine Person mit physiotherapeutischer oder einschlägiger medizinischer Ausbildung?   Habe ich das Recht, einen Nachweis über die Qualifikation zu verlangen? Meine diesbezügliche Frage wurde zurückgewiesen und sogar mit dem Datenschutz begründet.

Rechtsanwalt Cedric Hohnstock · Accepted Answer

Antwort vom Rechtsanwalt: Sehr geehrte&lpar;r&rpar; Fragesteller&lpar;in&rpar;,    ich bedanke mich herzlich für Ihre medizinrechtliche Anfrage, die mir vor wenigen zugewiesen wurde. Diese möchte ich gern anhand der von Ihne gemachten Angaben beantworten.    Ich verstehe sehr gut, dass der Eindruck mangelnder Qualifikation in einer Physiotherapiepraxis Verunsicherung, Ärger und Sorge auslösen kann &#8211; gerade dann, wenn Sie ohnehin unter Beschwerden leiden und sich auf eine fachgerechte Behandlung verlassen müssen. Im Folgenden ordne ich Ihre Rechte rechtlich ein, zeige die maßgeblichen Grundlagen auf und formuliere praktische Handlungsschritte, damit Sie Ihre Versorgung rechtssicher klären können.    Haben Sie Anspruch auf Behandlung durch qualifiziertes Personal?    Ja, das haben Sie. Wenn Ihre Physiotherapie auf Kassenrezept erfolgt, haben Sie gegenüber Ihrer gesetzlichen Krankenkasse einen Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln nach &#167; 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V in Verbindung mit &#167; 32 SGB V. Diese Leistungen dürfen nur von zugelassenen Leistungserbringern &lpar;Heilmittelerbringern&rpar; erbracht werden &lpar;&#167; 124 Abs. 1 SGB V&rpar;. Die Zulassung setzt voraus, dass die Praxis die personellen und sachlichen Anforderungen erfüllt; dazu gehört, dass die Behandlung durch Personen mit der hierfür erforderlichen beruflichen Qualifikation erfolgt. Näheres regeln die Rahmenverträge nach &#167; 125 SGB V &lpar;Rahmenvertrag Physiotherapie&rpar;, die bundesweit Mindeststandards zu Qualifikation, Fortbildung und ggf. Zusatzqualifikationen &lpar;z. B. Manuelle Therapie, Lymphdrainage&rpar; festschreiben.    Die Berufsbezeichnung &#8222;Physiotherapeutin/Physiotherapeut" ist gesetzlich geschützt. Sie darf nur führen, wer die staatliche Erlaubnis nach dem Masseur- und Physiotherapeutengesetz &lpar;MPhG&rpar; hat &lpar;&#167; 1 Abs. 1 MPhG&rpar;. Die Erlaubnis setzt eine geregelte Ausbildung und das Bestehen der staatlichen Prüfung voraus &lpar;&#167;&#167; 8 ff. MPhG&rpar;.    Daraus folgt: In einer zugelassenen Vertrags-Physiotherapiepraxis darf die verordnete Kassenleistung grundsätzlich nur von entsprechend ausgebildeten und zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigten Personen erbracht werden; für spezielle Maßnahmen sind zusätzlich anerkannte Zusatzqualifikationen erforderlich &lpar;Einzelheiten im Rahmenvertrag nach &#167; 125 SGB V&rpar;.    Wird Ihre Leistung privat abgerechnet &lpar;Selbstzahler&rpar;, gelten zwar nicht die Zulassungsregeln des SGB V, aber auch dann dürfen geschützte Berufsbezeichnungen nur bei Vorliegen der staatlichen Erlaubnis geführt werden &lpar;MPhG&rpar;. Zudem schuldet die Praxis einen fachgerechten Standard der Behandlung &lpar;&#167; 630a Abs. 2 BGB &#8211; Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards&rpar;.    Dürfen in einer Praxis auch andere Personen &lpar;z. B. ungelernte Kräfte&rpar; behandeln?    Eine eigenständige Behandlung im Rahmen der physiotherapeutischen Kassenleistung setzt die entsprechende Erlaubnis und Qualifikation voraus. Innerbetriebliche Hilfstätigkeiten &lpar;z. B. Vorbereitung von Geräten, Terminmanagement&rpar; können von nicht-therapeutischem Personal erledigt werden, die fachliche Behandlung jedoch nicht. Bei delegationsfähigen Teilleistungen ist stets sicherzustellen, dass diese im Rahmen des rechtlich Zulässigen und unter fachlicher Verantwortung qualifizierten Personals erfolgen. Die Praxis trägt eine Organisations- und Auswahlverantwortung; wird gegen diese Pflichten verstoßen und kommt es zu einem Schaden, können Haftungsansprüche wegen Organisationsverschulden in Betracht kommen &lpar;&#167;&#167; 280, 823 BGB i. V. m. &#167; 630a BGB&rpar;.    Haben Sie ein Recht, einen Qualifikationsnachweis zu verlangen?    Ja, das haben Sie. Sie haben ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wer Sie behandelt und mit welcher Qualifikation dies geschieht.     Rechtlich ist zu unterscheiden:    Information über Qualifikation und Zuständigkeit: Aus dem Behandlungsvertrag &lpar;&#167; 630a BGB&rpar; in Verbindung mit den Informationspflichten &lpar;&#167; 630c Abs. 2 BGB&rpar; folgt, dass Sie über wesentliche Umstände der Behandlung zu informieren sind. Dazu zählt, dass Ihnen die Berufsgruppe der behandelnden Person &lpar;Physiotherapeutin/Physiotherapeut&rpar; und &#8211; sofern für die konkrete Maßnahme erforderlich &#8211; vorhandene Zusatzqualifikationen &lpar;z. B. &#8222;Manuelle Therapie"&rpar; mitgeteilt werden. Diese Angaben sind auch leistungsrechtlich relevant &lpar;Rahmenvertrag nach &#167; 125 SGB V&rpar; und somit keine &#8222;freiwillige Gefälligkeit" der Praxis.    Einsicht in Behandlungsdokumentation: Sie haben einen gesetzlichen Anspruch auf Einsicht in Ihre Patientenakte &lpar;&#167; 630g Abs. 1 BGB&rpar;. Die Dokumentation muss u. a. enthalten, wer die Behandlung durchgeführt hat &lpar;&#167; 630f Abs. 1 BGB &#8211; nachvollziehbare Dokumentation des Behandlungsgeschehens&rpar;. Der Bundesgerichtshof hat das Einsichtsrecht der Patientinnen und Patienten &#8211; grundsätzlich ohne Begründungserfordernis &#8211; bestätigt &lpar;BGH, Urteil vom 23.06.2020, VI ZR 476/18&rpar;. Über die Akteneinsicht können Sie also feststellen, welche Person Sie behandelt hat; häufig ergibt sich daraus auch die Funktion/Qualifikation.    Vorlage &#8222;amtlicher" Urkunden &lpar;z. B. Kopie der Berufsurkunde&rpar;: Ein unmittelbarer Anspruch, Kopien persönlicher Dokumente der Mitarbeitenden zu erhalten, besteht in der Regel nicht. Der Datenschutz kann insoweit eine Rolle spielen, weil es sich um personenbezogene Daten der Beschäftigten handelt. Allerdings ist die pauschale Berufung auf den Datenschutz kein tragfähiger Grund, Ihnen die für Ihre Behandlung relevanten Qualifikationsangaben zu verweigern. Die Praxis kann &#8211; datenschutzkonform &#8211; die Berufsbezeichnung und ggf. die für die Leistungserbringung notwendige Zusatzqualifikation mitteilen; diese Verarbeitung ist zur Erfüllung des Behandlungsvertrages zulässig &lpar;Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO&rpar;. Nicht erforderlich ist regelmäßig die Herausgabe von Kopien der Zulassungs- oder Prüfungsurkunden.    Für gesetzlich Versicherte gilt zusätzlich: Da nur zugelassene Heilmittelerbringer abrechnen dürfen &lpar;&#167; 124 SGB V&rpar;, dürfen Sie von der Praxis die Bestätigung erwarten, dass die Leistung von entsprechend qualifizierten Therapeutinnen/Therapeuten erbracht wird. Im Zweifel können Sie Ihre Krankenkasse um Prüfung bitten.    Was tun, wenn die Praxis die Auskunft verweigert oder Zweifel bestehen?    Sachlich und bestimmt um Klarstellung bitten: Bitten Sie um schriftliche Bestätigung, dass Ihre Behandlung von einer/einem staatlich anerkannten Physiotherapeutin/Physiotherapeuten erfolgt und &#8211; soweit verordnet &#8211; die erforderliche Zusatzqualifikation &lpar;z. B. MT&rpar; vorliegt. Verweisen Sie auf &#167; 630c BGB &lpar;Informationspflicht&rpar;, &#167; 630g BGB &lpar;Einsicht in die Patientenakte&rpar; sowie auf die Leistungserbringer-Zulassung nach &#167; 124 SGB V.    Einsicht in die Patientenakte verlangen: Nehmen Sie Ihr Einsichtsrecht nach &#167; 630g BGB wahr, um die dokumentierten Behandlerinnen/Behandler zu identifizieren. Die Praxis darf hierfür einen angemessenen Kostenerstattungsbetrag verlangen, muss die Einsicht aber gewähren &lpar;BGH, Urteil vom 23.06.2020, VI ZR 476/18&rpar;.    Krankenkasse einschalten: Bitten Sie Ihre Krankenkasse um Überprüfung, ob die Praxis und die konkret eingesetzten Personen die Voraussetzungen nach &#167;&#167; 124, 125 SGB V erfüllen. Die Kasse kann sich die erforderlichen Nachweise von der Praxis vorlegen lassen. Auch die regionalen Arbeitsgemeinschaften der Heilmittelerbringer-Zulassung &lpar;zuständig nach &#167; 124 SGB V&rpar; oder die Kassenärztliche Vereinigung wissen, welche Praxen zugelassen sind; die Personalqualifikation prüfen die Kassen im Rahmen von Abrechnungs- und Qualitätsprüfungen.    Gesundheitsamt/Berufsaufsicht informieren: Das Führen einer geschützten Berufsbezeichnung ohne Erlaubnis ist unzulässig &lpar;MPhG&rpar;. Bei gravierenden Zweifeln können Sie das zuständige Gesundheitsamt bzw. die Landesbehörde für Gesundheitsberufe informieren.  Behandlungsabbruch und Wechsel: Wenn die Praxis die gebotene Transparenz verweigert oder objektiv keine qualifizierte Behandlung gewährleistet, dürfen Sie die Behandlung abbrechen und sich eine andere zugelassene Praxis suchen. Informieren Sie die verordnende Praxis bzw. Ihre/ Ihren Orthopädin/Orthopäden, damit die Verordnung sachgerecht weitergeführt werden kann.    Haftungsfragen: Kommt es aufgrund mangelnder Qualifikation oder Aufsicht zu einem Behandlungsfehler, bestehen Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus Vertrag und Delikt &lpar;&#167;&#167; 280, 611a, 630a, 823 BGB&rpar;. Dokumentations- und Organisationsmängel können beweisrechtlich zu Ihren Gunsten wirken. Der BGH betont seit Langem die Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation und Dokumentation medizinischer Behandlungen; Verletzungen dieser Pflichten können haftungsrechtlich erheblich sein &lpar;vgl. zum Einsichtsrecht und seiner Bedeutung für die Rechtsverfolgung: BGH, Urteil vom 23.06.2020, VI ZR 476/18&rpar;.    Zur häufigen &#8222;Datenschutz"-Einrede der Praxis    Die DSGVO schützt personenbezogene Daten, verhindert aber nicht die Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten im Behandlungsverhältnis. Die Auskunft, dass eine Behandlung durch eine/n staatlich anerkannte/n Physiotherapeutin/Physiotherapeuten mit ggf. erforderlicher Zusatzqualifikation erfolgt, ist zur Vertragserfüllung erforderlich und nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO zulässig. Die Praxis darf und muss Ihnen diese für die Behandlung relevanten Informationen geben. Nicht geschuldet ist hingegen die Herausgabe von Kopien persönlicher Urkunden der Mitarbeitenden; hier überwiegen regelmäßig deren Datenschutzinteressen. Ihr Anspruch richtet sich deshalb auf inhaltliche Bestätigung der Qualifikation und auf Einsicht in Ihre Dokumentation, nicht auf private Dokumentkopien.    Kernaussagen auf einen Blick    Gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf Heilmittelversorgung nur durch zugelassene, qualifizierte Heilmittelerbringer &lpar;&#167;&#167; 27, 32, 124, 125 SGB V&rpar;. Die Berufsbezeichnung &#8222;Physiotherapeut/in" ist geschützt &lpar;MPhG&rpar;.    Sie dürfen verlangen, dass Ihnen die Qualifikation der konkret behandelnden Person mitgeteilt wird; außerdem steht Ihnen Einsicht in Ihre Patientenakte zu &lpar;&#167;&#167; 630c, 630f, 630g BGB; BGH, Urteil vom 23.06.2020, VI ZR 476/18&rpar;.  Die pauschale Berufung auf &#8222;Datenschutz" trägt nicht, soweit es um die für Ihre Behandlung erforderlichen Qualifikationsangaben geht &lpar;Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO&rpar;. Kopien persönlicher Urkunden müssen jedoch nicht herausgegeben werden.    Bei Verweigerung: Kasse einschalten, Akteneinsicht verlangen, ggf. Gesundheitsamt informieren, Praxis wechseln. Bei Schäden kommen Haftungsansprüche in Betracht.    Wenn Sie möchten, formuliere ich für Sie ein sachliches Anwaltsschreiben an die Praxis &lpar;oder an Ihre Krankenkasse&rpar;, in dem ich die rechtlichen Punkte präzise darlege und um die erforderliche Bestätigung bitte. Damit schaffen Sie Klarheit, ohne die Behandlung unnötig zu eskalieren.    Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.    Mit freundlichen Grüßen    Cedric Hohnstock  Rechtsanwalt

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Medizinrecht

Rechtsanwalt Cedric Hohnstock

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