Sehr geehrter Ratsuchender,
für ihre Anfrage möchte ich Ihnen danken und diese unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes summarisch wie folgt beantworten:
Ob der von Ihnen genannte § 9 Abs. 4 PO einen Anspruch auf Herausgabe gibt, ist durch juristische Auslegung des Paragraphen herauszufinden.
Nach dem juristische Rechtsprofessor Savigny, dem sich die Rechtsprechung mehrheitlich anschließt, erfolgt diese Auslegung durch die grammatische Auslegung (Auslegung nach Wortsinn / Wortlaut), die historische Auslegung (Auslegung des Willens des Normgebers mit Hilfe der Vorläufernormen), die systematische Auslegung (Auslegung im Sinnzusammenhang mit anderen Normen) und die teleologische Auslegung (nach Sinn und Zweck der Vorschrift).
Nach meiner Auffassung ist die grammatische Auslegung nicht eindeutig, da die Wortwahl „wird zurückgegeben“ vom Wortsinn her sowohl so auslegt werden kann, dass eine Verpflichtung zur Herausgabe besteht (im Gegensatz zu „können zurückgegeben werden“) als auch dass keine Verpflichtung zur Herausgabe besteht (da nicht die Wortwahl „zurückzugeben sind“ gewählt worden ist).
Eine Auslegung nach der Historie der Norm ist für mich nicht möglich, da mir die Vorgängernorm nicht bekannt ist und diese übers Internet nicht zu ermitteln ist, da nicht angegeben wurde, um welche Prüfungsordnung es sich handelt.
Vergleichbares gilt für die systematische Auslegung. Bei dieser Auslegung müsste man sich andere Normen der Prüfungsordnung genauer ansehen und herausfinden, ob in anderen Normen der Prüfungsordnung Formulierung wie „können zurückgegeben werden“ oder „sind zurückzugeben“ gewählt wurden. Sollte dieses der Fall sein, so wäre dieses ein Indiz für die eine oder die andere Möglichkeit der Auslegung.
Abschließend ist auch die teleologische Auslegung nicht eindeutig, da die Vorschrift sowohl den Sinn und Zweck haben kann, der Universität die Möglichkeit zur Entlastung von Prüfungsunterlagen zu geben (siehe Meinung der wissenschaftlichen Hilfskraft) als auch die Möglichkeit zur Überprüfung der Bewertungen durch den Studenten.
Im Ergebnis tendiere ich jedoch zur Meinung der wissenschaftlichen Hilfskraft, da eine Überprüfung der Bewertung auch durch ein mit Sicherheit gegebenes Einsichtsrecht des Studenten ausreichend gewährleistet ist.
Sollten Sie daher die Herausgabe der Klausuren und Hausarbeiten zum Zwecke der Überprüfung begehren, empfehle ich Ihnen die persönliche Einsichtnahme in Ihre Klausuren und Hausarbeiten, ggf. durch Erstellung einer entsprechenden Kopie. Dieses Einsichtsrecht kann man Ihnen nach meiner Meinung nicht verwehren, da sie andernfalls keine Möglichkeit zur Überprüfung der Begutachtung haben.
Ich hoffe, Ihnen mit der Beantwortung der Frage weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen für die Klärung der Angelegenheit viel Glück.
Gern können Sie die Nachfragefunktion nutzen.
Abschließend weise ich daraufhin, dass das Weglassen oder Hinzufügen von Details die rechtliche Beurteilung der Angelegenheit verändern kann.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Lattreuter
- Rechtsanwalt -
www.ra-lattreuter.de
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Sehr geehrter Herr Lattreuter,
vielen Dank für Ihre Antwort!
Da mir die Lehrkraft auch eine Kopie nicht angeboten hat, kann ich mich dann auf den § 1 Abs. 2 S. 1
Informationsfreiheitsgesetz M-V berufen? (ich studiere in MV).
Dann müsste sie mir doch ohne Widerrede eine Kopie der Klausur zulassen?
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Es mag sein, dass auch das Informationsfreiheitsgesetz ein Einsichtsrecht gibt (der Wortlaut der Vorschrift lässt darauf schließen). Ich würde Ihnen aber empfehlen, vielmehr so zu argumentieren, dass Sie zur Wahrung Ihrer Rechte gerne Einsicht in die Klausuren nehmen möchte und - sollte die Bewertung ordnungsgemäß erfolgt sein - die Lehrkraft ja nichts zu befürchten hätte. Zudem sei es ja auch im Interesse der Lehrkraft, dass Sie aus Ihren Fehler lernen, dieses sei jedoch nur dann möglich, wenn Sie Einsicht nehmen könnten.
Abschließend möchte ich Sie jedoch drauf hinweisen, dass in einigen Prüfungsordnungen nur die persönliche Einsichtnahme in Klausuren und Hausarbeiten, nicht aber die Erstellung von Kopien vorgesehen ist. Da eine solche Regelung nach meiner Auffassung als speziellere Regelung dem Informationsfreiheitsgesetz vorgeht, empfehle ich Ihnen in diesem Fall die stichprobenartige Mitschrift der Einsichtnahme.
Abschließend weise ich daraufhin, dass das Weglassen oder Hinzufügen von Details die rechtliche Beurteilung der Angelegenheit verändern kann.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Lattreuter
- Rechtsanwalt -
www.ra-lattreuter.de