Ich bin Wohnungseigentümer in einem größeren Komplex von Mehrparteienhäusern.
Vor ein paar Wochen versandte die Vonovia als Verwalter Einladungen zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung, bei der über eine kostspielige Sanierung des Daches abgestimmt werden sollte. Ich kürze die längere Vorgeschichte auf die wesentliche Frage:
Haben die Eigentümer unabhängig vom Ausgang der Abstimmung eine rechtliche Handhabe, das weitere Prozedere wegen eines Verfahrensfehlers zu stoppen und eine erneute Abstimmung zu veranlassen, wenn sie zu der Abstimmung gar nicht erst eingeladen wurden?
Wie würden Sie vorgehen?
Zur Erläuterung:
Im Einladeprozedere wurden die Eigentümer unseres Aufgangs komplett vergessen, abzulesen an der Anwesenheitsliste der EV. Auf der EV stimmte die Mehrheit der Anwesenden für den Sanierungsvorschlag.
Wir erfuhren von dem Vorhaben offiziell erst durch das Protokoll und die resultierenden Sonderumlagen. Darüber hinaus berichteten Teilnehmer von weiteren Formfehlern, fehlenden Gutachten, widersprüchlichen Rechnungen, der Beauftragung einer Fliesenlegerfirma für die Dachsanierung und einer insgesamt verdächtigen Eile, das Vorhaben durchzupeitschen und die Corona-Abstandsregeln zu nutzen, um Diskussionen der Teilnehmer zu unterbinden.
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsangaben wie folgt beantworte:
Die Einberufung der Versammlung und die Beschlußfassung sind nach ihrer Schilderung nicht akzeptabel.
In § 24 WEG
ist im Einzelnen gesetzlich vorgeschrieben, wie eine Eigentümerversammlung einzuberufen ist.
Dabei ist es selbstverständlich, daß alle betroffenen Eigentümer zu der Versammlung unter Einhaltung gewisser Regeln und Fristen zu der Versammlung einzuladen sind.
Daher hat der BGH auch in der Vergangenheit festgestellt, daß eine unbeabsichtigte oder irrtümliche Nichteinladung eines Eigentümers zur Anfechtbarkeit des entsprechenden Beschlusses berechtigen.
Das gilt natürlich umso mehr, wenn mehrere Eigentümer nicht eingeladen werden.
Bei einer gezielten und willkürlichen Nichteinladung kann dies sogar zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, dies ist jedoch schwieriger nachzuweisen.
Daher gehe ich nach ihren Angaben von der Anfechtbarkeit des Beschlusses aus.
In diesem Zusammenhang bedeutet Anfechtbarkeit, daß der Beschluss nach § 23 Abs. 4 WEG
zunächst als gültig betrachtet wird, aber durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden kann
Beachten Sie bitte, daß nach § 46 Abs. 1 WEG
die Anfechtungsklage innerhalb von einem Monat nach Beschlußfassung erhoben werden muß.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Mack
Rechtsanwalt
Rückfrage vom Fragesteller26. Juli 2020 | 23:25
Sehr geehrter Herr Mack
Haben Sie vielen Dank für die Antwort.
Gestatten Sie eine entscheidende Rückfrage: Ab wann läuft die Frist für §46 Abs. 1? Ab der Fassung des Beschlusses (24.6.) oder dem Erhalt der Nachricht (23.7.)?
Im ersten Fall lade ich als Verwalter die potentiellen Gegenstimmen einfach nicht ein und verzögere lange genug den Versand des Protokolls. Funktioniert es tatsächlich so?
Vielen Dank noch einmal
Mit freundlichem Gruss
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt26. Juli 2020 | 23:44
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne möchte ich Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:
Die vorgenannte Frist läuft tatsächlich ab Beschlußfassung.
Allerdings können Sie bei schuldlosem Fristversäumnis entsprechend §§ 233 ff ZPO
Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand geltend machen, um die Frist doch noch zu wahren.
Daher sollten Sie in diesem Fall zeitnah einen Rechtsanwalt vor Ort kontaktieren, um die Anfechtungsklage trotzdem noch erheben zu können.
Ich hoffe ich konnte Ihre Nachfrage zufriedenstellend beantworten.