Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Fragen möchte ich anhand der vorliegenden Informationen wie folgt beantworten:
Ein Anwalt hat seinen Mandanten allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu beraten. Insbesondere gehört hierzu auch die Pflicht, über die Prozessaussichten zu informieren. Ist der Anwalt der Ansicht, dass nur geringe oder sogar keine Erfolgsaussicht besteht, einen Prozess zu gewinnen bzw. ein Rechtsmittel erfolgreich einzulegen, muss er dies dem Mandanten mitteilen.
Nach den allgemeinen Regeln trägt jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer ihr günstigen Rechtsnorm. Auch im Falle einer Anwaltshaftung muss daher
der Mandant sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen, also auch die einer falschen oder unzureichenden Belehrung beweisen. Der Anwalt muss jedoch seinerseits eine behauptete Belehrung konkret und substantiiert bspw. hinsichtlich Inhalt und Zeitpunkt der Belehrung vortragen.
Dem Mandanten kann allerdings im Falle unzureichender Beratung die Beweiserleichterung des sog. Anscheinsbeweises zugute kommen. Das bedeutet konkret: Ist ein Prozess/Rechtsmittel ersichtlich nicht erfolgreich zu führen und ist daher nur eine bestimmte Verhaltensweise vernünftig, nämlich den Prozess nicht zu führen/das Rechtsmittel nicht einzulegen, ist anzunehmen, dass der Mandant sich entsprechend verhalten hätte, wenn er ordnungsgemäß beraten worden wäre.
Der Anwalt kann aber wiederum diese Vermutung entkräften, wenn er Tatsachen konkret vorträgt, aus denen sich ergibt, dass der Mandant entgegen dem anwaltlichen Rat handeln wollte. Dann liegt wieder die volle Beweislast beim Mandanten.
An dieser Beweislastverteilung ändert auch eine mangelnde schriftliche Dokumentation des Anwalts nichts.
Zusammengefasst bedeutet das für Ihre Fragen: Eine evtl. Aussichtslosigkeit hätte Ihnen mitgeteilt werden müssen, dies jedoch nicht schriftlich. Die Beweislast für die unterbliebene Belehrung liegt zunächst bei Ihnen. Die spätere negative Einschätzung der Erfolgsaussichten führt nicht automatisch zu einer Schadensersatzpflicht; zu beweisen wäre vielmehr zunächst die unterbliebene Belehrung.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen zunächst einen hilfreichen ersten Überblick verschaffen. Bei Unklarheiten nutzen Sie bitte die kostenlose Nachfragefunktion.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Mauritz
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Christian Mauritz
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Sehr geehrter Herr Mauritz
Vielen Dank für die schnelle Antwort. Wenn ich Ihre Ausführungen richtig interpretiere heisst das:
Das Unterlassen über die Aussichtslosigkeit zu unterrichten kann nur als Behauptung meinerseits erfolgen, weil i.d.R. ein Nichttun nicht schriftlich fixiert wird. Daher muß der Anwalt nun beweisen - nicht nur behaupten-, dass er dies doch getan hat.
Ist das wirklich so, dass es von den Berufsorganisationen (RAK, oder ähnlichem)keine Richtlinien/Empfehlungen an den gesamten Berufsstand gibt, laut welchen diese bei eindeutiger Aussichtslosigkeit und ausdrücklichen Wunsch des Mandanten trotzdem zu prozessieren, angehalten sind, den Mandanten auf das ausserordentliche Risiko schriftlich hinzuweisen ?
mfG
Sehr geehrter Fragesteller,
der Anwalt muss nicht beweisen, er muss substantiiert vortragen, was nicht dasselbe ist. Er muss sich nicht der Beweismittel bedienen, die die Zivilprozessordnung erlaubt, es genügt, wenn er bspw. anhand einer Aktennotiz detailliert belegen kann, wann er seinen Mandanten wie belehrt hat. Kann der Mandant seinerseits diesen Vortrag entkräften, indem er bspw. beweisen kann, dass er zu diesem fraglichen Zeitpunkt keinerlei Kontakt zu seinem Anwalt hatte, ist die Aussage des Anwalts in ihrer Glaubhaftigkeit nachhaltig erschüttert.
Richtlinien/Empfehlungen, die der Anwalt bzgl. einer solchen Belehrung befolgen muss, gibt es nicht. Es liegt vielmehr in seinem eigenen Interesse, in solchen Konstellationen seinen Mandanten schriftlich und damit beweisbar zu belehren.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Mauritz
Rechtsanwalt