Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe Ihre Anfrage zur geplanten Entwidmung des Feldweges geprüft und komme zu folgender Antwort:
1. Rechtsnatur und Wirkung der Entwidmung
Ein Feld- oder Wirtschaftsweg, der einmal dem öffentlichen Verkehr gewidmet wurde, ist rechtlich eine öffentliche Straße im Sinne des jeweiligen Landesstraßengesetzes. Mit der Entwidmung (auch „Einziehung" genannt) wird diese Zweckbestimmung aufgehoben. Ab diesem Zeitpunkt besteht kein öffentliches Wegerecht mehr, die Fläche ist dann rechtlich nur noch Privatgrundstück.
2. Verfahren und Bekanntgabe
Die Entwidmung ist ein Verwaltungsakt der Stadt oder der Gemeinde. Das Verfahren richtet sich nach dem Straßengesetz des jeweiligen Bundeslandes.
• Bekanntgabe:
In aller Regel genügt für die Wirksamkeit die öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt oder im vom Gemeinderat bestimmten Veröffentlichungsorgan (§ 41 VwVfG i. V. m. Straßengesetz). Eine individuelle Zustellung an jeden Dorfbewohner ist allerdings nicht vorgesehen.
• Formelle Benachrichtigung:
Formell zu benachrichtigen sind regelmäßig nur die unmittelbar Betroffenen – das sind insbesondere die Eigentümer der betroffenen Grundstücksfläche (wenn die Gemeinde nicht selbst Eigentümerin ist) sowie ggf. Eigentümer angrenzender Grundstücke, wenn deren Grundstückszufahrt oder -nutzung wesentlich beeinträchtigt wird.
Andere Anwohner oder Dorfbewohner werden nicht individuell angeschrieben; ihnen wird die Möglichkeit der Kenntnisnahme über die öffentliche Bekanntmachung eröffnet.
3. Rechtsschutzmöglichkeiten
• Ab Bekanntgabe beginnt die Widerspruchs oder (falls im Bundesland kein Widerspruchsrecht vorgesehen ist) die Klagefrist von einem Monat. Maßgeblich ist hier die öffentliche Bekanntmachung. Wer zusätzlich individuell benachrichtigt werden musste (z. B. Grundstückseigentümer), für den beginnt die Frist erst mit der Zustellung.
• Rechtsbehelf ist die Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht. Voraussetzung ist, dass Sie geltend machen können, durch die Entwidmung in eigenen Rechten verletzt zu sein (z. B. weil Sie ein Anliegergrundstück haben, dessen Erreichbarkeit sich verschlechtert).
• Ein bloßes „allgemeines Interesse" der Dorfbewohner reicht rechtlich nicht aus; erforderlich ist eine konkrete Betroffenheit.
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4. Argumente gegen die Entwidmung
Sie können anführen:
• Der Weg war ursprünglich passierbar und wurde nur deshalb nicht mehr genutzt, weil ein Anlieger ihn eigenmächtig blockiert hat (Zäune, Maschinen, Bauschutt).
• Es fehlt daher an der gesetzlichen Voraussetzung für die Einziehung („keine Verkehrsbedeutung mehr"), weil die Gemeinde verpflichtet gewesen wäre, den Weg freizuhalten.
• Durch die Entwidmung wird unzulässigerweise der rechtswidrige Zustand des Anliegers nachträglich „legalisiert".
• Weiterhin besteht ein öffentliches Interesse an dem Weg (Fuß- und Radweg, landwirtschaftliche Erschließung, Verbindung im Dorf).
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5. Praktisches Vorgehen
• Prüfen Sie genau, wann und wie die Entwidmung bekannt gemacht wurde.
• Falls Sie oder andere Betroffene eine individuelle Zustellung hätten erhalten müssen (z. B. als angrenzender Grundstückseigentümer), beginnt die Frist für Sie erst mit Zugang dieser Zustellung.
• Sofern die Gemeinde auf Ihren Widerspruch nicht reagiert, können Sie nach Ablauf von drei Monaten eine Untätigkeitsklage erheben (§ 75 VwGO).
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Fazit:
Für die Bekanntgabe einer Entwidmung reicht die öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt aus. Nur die unmittelbar betroffenen Eigentümer müssen förmlich benachrichtigt werden. Gegen die Entwidmung können Sie mit Widerspruch und Klage vorgehen, wobei entscheidend ist, dass der Weg nicht von selbst an Bedeutung verloren hat, sondern durch unzulässige Privatnutzung blockiert wurde.
Mit freundlichen Grüßen
RA Wilke
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Wilke
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Vielen Dank für die Antwort. Ich würde gerne noch folgendes wissen: Die Entwidmung wurde gestern (3. September) rückwirkend zum 1. September bekannt gemacht. Können wir nochmals Widerspruch einlegen oder würde gleich eine Klage folgen? Das würden wir natürlich gerne vermeiden aufgrund fehlender Kapazitäten. Dass der Weg seine Bedeutung erst durch die unrechtmäßige Blockade verloren hat, haben wir im ersten Widerspruch bereits angeführt. Das wurde ignoriert. Gibt es deshalb dazu ein Urteil, das ich anführen könnte? Ist das nicht ein Verfahrensfehler?
Dankeschön und viele Grüße
Sehr geehrte Fragestellerin,
die Rechtsmittelfrist beginnt mit der tatsächlichen Bekanntgabe.
Eine rückwirkende Bekanntgabe wäre diesbezüglich verfahrensfehlerhaft, weil ja dann die Fristen schon ausgelaufen wären.
Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen verfahrensrechtlichen. Grundsätzen.
Mit freundlichen Grüßen
RA Wilke