Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Anzusetzen ist bei § 22 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung (GemO):
Bürger und Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben, sowie hauptamtliche Bürgermeister und Beigeordnete dürfen nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung ihnen selbst, einem ihrer Angehörigen im Sinne des Absatzes 2 oder einer von ihnen kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.
Dazu hat sich das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 24. Juni 2009 – 2 A 10098/09 –, Rn. 25 - 27, juris, wie folgt positioniert:
1. Das Merkmal der Unmittelbarkeit eines möglichen Vor- oder Nachteils liegt nicht erst dann vor, wenn zwischen der zu treffenden Entscheidung des Rates und den möglichen vor- oder nachteiligen Folgen ohne Hinzutreten eines weiteren Umstandes eine direkte Kausalität besteht (sog. formale Theorie, vgl. HessVGH, NVwZ 1982, 44 [45]) oder wenn die zur Verwirklichung des Vor- oder Nachteils noch erforderliche Umsetzung des Ratsbeschlusses zwangsläufig zu erwarten ist (sog. modifizierte formale Theorie, vgl. Schaaf/Oster in: Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand: November 2008, § 22 Ziff. 2.3.4.4). Zwar ermöglicht das Kausalitätserfordernis vorhersehbare Ergebnisse bei der Anwendung der Ausschließungsregelungen. Darüber hinaus werden eine Ausuferung der Befangenheitsvorschriften und damit eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Rates verhindert. Jedoch führt das Kausalitätskriterium nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen. Bedarf eine Gemeinderatsentscheidung - wie im vorliegenden Fall - einer Umsetzung, die sowohl ihrem Inhalt als auch ihrem Zeitpunkt nach nicht zwangsläufig erfolgt, dürfte ein Ratsmitglied, das einen Vor- oder Nachteil von der Entscheidung haben könnte, auch nach der modifizierten formalen Sicht ohne weiteres an der Beratung und Entscheidung teilnehmen. Damit würde das Mitwirkungsverbot in nicht wenigen Fällen leer laufen, obwohl dies wegen einer besonderen Nähe des Ratsmitgliedes zum Beratungsgegenstand dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. GemO widerspricht.
2. Sinn und Zweck des gesetzlichen Mitwirkungsverbotes des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO ist es, kommunale Ratsmitglieder anzuhalten, ihre Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung auszurichten, ihnen persönliche Konfliktsituationen zu ersparen sowie das Vertrauen der Bürger in eine saubere Kommunalverwaltung zu erhalten und zu stärken (OVG RP, AS 25, 161 [164]; OVG RP, NVwZ-RR 2000, 103 [104]). Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob das betroffene Ratsmitglied durch die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte einen möglichen Vor- oder Nachteil tatsächlich erfährt. Vielmehr genügt ein dahingehender Anschein. Er besteht bereits dann, wenn konkrete Umstände den Eindruck begründen, das Ratsmitglied könne bei seiner Entscheidung auch von persönlichen Interessen geleitet werden.
Aus dem aufgezeigten Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO folgt, dass das Unmittelbarkeitskriterium die Beziehung zwischen dem Ratsmitglied und dem Beratungs- und Entscheidungsgegenstand umschreibt. Insoweit dient es der Abgrenzung individueller Belange von Gruppeninteressen. Wird das Ratsmitglied nur als Teil einer Gruppe berührt, liegt lediglich eine mittelbare Betroffenheit vor. Folglich ist ein Ratsmitglied nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 3 GemO nicht nach Abs. 1 ausgeschlossen, wenn es als Angehöriger einer Berufsgruppe oder eines Bevölkerungsteils, deren gemeinsame Belange berührt werden, betroffen ist. Demnach fordert § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO für den Ausschluss eines Ratsmitgliedes von der Beratung und Beschlussfassung eine Individualisierung seines Interesses am Beratungs- und Entscheidungsgegenstand. Erforderlich ist ein auf seine Person bezogener besonderer, über den allgemeinen Nutzen oder die allgemeine Belastung hinausgehender möglicher Vor- oder Nachteil. Er muss eng mit den persönlichen Belangen des Ratsmitgliedes zusammenhängen und darf zusätzlich nicht von derart untergeordneter Bedeutung sein, dass er vernachlässigt werden kann. Denn eine zu weit gehende Anwendung des Mitwirkungsverbotes würde die Zusammensetzung des gewählten Rates unter Verstoß gegen demokratische Grundprinzipien unzulässig verändern. Deshalb ist die Unmittelbarkeit des Vor- oder Nachteils bei einem Ratsmitglied gegeben, bei dem aufgrund einer engen persönlichen Beziehung zum Beratungsgegenstand ein individuelles Sonderinteresse besteht, welches zu einer Interessenkollision führt und die Besorgnis nahelegt, der Betroffene werde nicht mehr uneigennützig und gemeinwohlorientiert handeln (OVG RP, NVwZ-RR 2000, 103 [104]; OVG RP, NVwZ 1986, 1048; VGH BW, BauR 2006, 952f, VGH BW, NVwZ-RR 1998, 63f; OVG MV, Urteil vom 22. Juni 2005 – 3 K 10/02 -, juris Rn. 27). Wann dies der Fall ist, ergibt eine Bewertung der Beziehung zwischen dem Ratsmitglied und dem Beratungs- und Entscheidungsgegenstand aufgrund der Umstände des Einzelfalles.
Nun haben Sie keine Einzelheiten dazu mitgeteilt, wie und warum der Bekannte Sie unterstützen soll. Offensichtlich ist die Unterstützung aber von einem solchen Gewicht, dass sie Gegenstand Ihres Antrages war. Möglicherweise bekommt er für seine Hilfe ein Entgelt oder Naturalien (Wildbret etc.). Dann würde auf jeden Fall Befangenheit in obigem Sinne vorliegen. Ob das auch bei einer unentgeltlichen Hilfe der Fall wäre, müsste allerdings eingehender geprüft werden. Das Abstellen auf Jagdpachtfähigkeit und damit ggf. eine eigene Vertragsbeteiligung wäre jedenfalls eine zu enge Sicht.
Eine Befangenheit ist auch schon im Rahmen eines Weisungsbeschlusses, um den es hier geht, zu beachten.
Sollte die Ausschließung Ihres Bekannten gegen dessen Willen aber rechtswidrig gewesen sein, müsste er dagegen einen förmlichen Rechtsbehelf einlegen, weil der Fehler sonst nach 3 Monaten gemäß § 22 Abs. 6 GemO unbeachtlich wird.
Ein Ratsmitglied ist auf jeden Fall ausgeschlossen von der Beschlussfassung, wenn es um die Bewilligung einer finanziellen Hilfe zu seinen Gunsten durch den Gemeinderat geht.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonNotar und Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
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Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Gero Geißlreiter,
Die erste Frage bezüglich der Befanngenheit des Bekannten haben Sie mir ausreichend beantwortet.
Ich denke hier ist es besser, wenn man es dabei belässt, dass er nicht an der Abstimmung teilnehmen durfte, da er gewillt ist Pachtfähig zu werden und mit mir zusammen Pachten möchte.
Was ich zu Punkt 2 noch sagen möchte:
Die Interessenverkündung meinerseits fand im November 2019 statt.
Der aktuelle Pächter wurde darüber im Frühjahr 2021 informiert und hat im Zuge dessen mitgeteilt, dass er seinen bestehenden Vertrag gerne Verlängern würde.
Die Spenden an die Ortsgemeinde ging im August/September 2021 ein,
die Auszahlung an die Betroffenen geschah recht zeitnah nach Spenden Eingang.
Die Abstimmtung im Gemeinderat war vor ca 3 Wochen.
Hier gab es dem zufolge vor erst keine Vorteile für Mitglieder des Rats, wenn diese für den aktuellen Pächter stimmen, da die Auszahlung bereits erfolgte.
Viel mehr sehe ich hier eine Art Bestechung.
Sehr geehrter Fragesteller,
die Umstände der Fluthilfe sind in der Tat dubios. Sie geben durchaus Anlass, die Kommunalaufsicht und die Staatsanwaltschaft (in Form einer Strafanzeige wegen des Verdachts der Vorteilsnahme/Vorteilsgewährung) zu informieren. Das könnten Sie noch tun.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt