Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen geschilderten Sachverhalts wie folgt beantworten möchte:
Beim Vorausvermächtnis (§ 2150
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) wird das Vermächtnis einem (Mit-)Erben selbst zugewendet, das heißt er ist sowohl Erbe als auch Vermächtnisnehmer.
Er erhält einen bestimmten Gegenstand aus dem Nachlass ohne Anrechnung auf seinen Erbteil, hier das Grundstück.
Nach der Rechtsprechung ist das Vorausvermächtnis regelmäßig schon vor der Erbauseinandersetzung zu befriedigen.
Soweit dem Sohn aus der zweiten Ehe seitens des Erblassers ein wirksames (unterstelle ich, ich gehe von einem Berliner Testament aus, was notariell erstellt worden ist beziehungsweise auch ansonsten, wenn es dann eigenhändig erfolgt sein sollte, also ohne Notar, wirksam ist) Vorausvermächtnis zugewandt worden ist, hat er hierdurch einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erbengemeinschaft auf Übertragung des Alleineigentums an dem Grundstück/Haus erworben, den er grundsätzlich schon vor Erbauseinandersetzung aus dem Nachlass befriedigen darf.
Dies setzen allerdings voraus, dass beide Ehegatten, die das Berliner Testament gemacht haben, verstorben sind.
In der Zwischenzeit gilt folgendes:
Der überlebende Ehegatte, hier die Ehefrau und Mutter, ist in seiner Verfügung über den Nachlass frei, da er schließlich nach dem Berliner Testament Alleinerbe geworden ist.
Verfügungsbeschränkungen bestehen in der Regel nicht, lediglich besteht bei einem solchen gemeinschaftlichen Testament eine Bindung in zwei Punkten:
1.
Der Überlebende kann den Nachlass nur dann definitiv durch Schenkungen verringern, wenn dieser einem lebzeitigen Eigeninteresse entsprechen. Dieses wird nicht schon dann bejaht, wenn er durch die Schenkung seiner Zuneigung Ausdruck verleihen möchte. Geht es aber wir hier beispielsweise darum, die weitere Pflege zusichern oder ein nichtehelichen Lebenspartner zu versorgen, ist dieses in Ordnung und zulässig (siehe aber unten stehende Ausnahme beim Vermächtnis aufgrund der weiteren Bindungswirkung des Berliner Testaments, 2.).
2.
Der überlebende Ehegatte kann kein Testament errichten, das an den vorhandenen Anordnungen (des Berliner Testaments) etwas ändert.
Danach gilt hier:
Das Vermächtnis kann nicht durch einseitige Verfügung des überlebenden Ehegatten rückgängig gemacht werden, hat also demnach Bestand.
Allerdings erwirbt beim Vermächtnis der Bedachte den vermachten Vermögensvorteil nicht von selbst, sondern vielmehr erwirbt der Bedachte nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Zugewendeten, also das Recht, die Erfüllung dieses Anspruchs von dem mit dem Vermächtnis Beschwerten zu fordern (§ 2174 BGB
).
Das Vermächtnis auf den speziellen Gegenstand, hier das Grundstück und das Haus, räumt dem Bedachten einen eigenen einklagbaren Anspruch auf Erfüllung gegen den/die Erben ein.
Aller Voraussicht nach (auch wenn ich das Testament nicht kenne) ist demnach eine Veräußerung ausgeschlossen, soweit der Erwerber nicht der Sohn selbst ist, was möglich wäre.
Da sich das Vermächtnis auf den Nachlassgegenstand in Form des Grundstückes bereits konkretisiert hat, ist derart eine Übertragung vorbehaltlich anderer Regelung im Testament nicht möglich.
Alle anderen Werte, die neben dem Vermächtnis existieren und von der Frau angeschafft worden sind, erben ganz normal beide Kinder als Miterben.
Eines möge noch von Ihnen berücksichtigt werden:
Dieses ist hier nur eine erste vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage. Um sich ein abschließendes Urteil bilden zu können, ist es unerlässlich, den gesamten Text des Berliner Testaments zu kennen. Bezüglich einer weiteren Beratung bin ich Ihnen gerne behilflich; eine hier gezahlte Erstberatung würde Ihnen dabei angerechnet und gutgeschrieben.
Aufgrund der finanziellen Folgewirkungen gerade im Hinblick auf die Pflegeaufwendungen, die meistens sehr hoch sind, rate ich Ihnen dringend dazu, einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl mit der weiteren Interessenwahrnehmung zu betrauen.
Dieser kann dann nach weiteren Gestaltungsmöglichkeiten der überlebenden Ehefrau suchen.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
Marktstraße 17/19
70372 Stuttgart
Tel: 0711-7223-6737
Web: https://www.hsv-rechtsanwaelte.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Vielen Dank für die Antwort.
Für mich widersprechen sich 2 Abschnitte.
Darf der Sohn das Haus nun kaufen oder nicht, weil
der Erbfall (Vater) bereits eingetreten ist ?
Gesetzt den Fall er dürfte, würde der nicht verwertete
Kaufpreis wohl in das gemeinschaftliche Erbe fallen ?
Ist es nicht verkaufbar (auch mit Betreuungsverfügung durch
Richter nicht), muß der Sohn die Pflegeaufwendung entsprechend
der Gesetzgebung bezüglich Elternunterhalt tragen ?
Vielen Dank.
Sehr geehrter Fragesteller,
sollte der Sohn das Haus nun kaufen wollen, so ist dieses sicherlich möglich, doch würde er damit seinen eigenen gegenüber den Erben geltend zu machenden Vermächtnisanspruch erfüllen - dieses macht für mich wenig Sinn, auch wenn etwaiges bei einem gemeinschaftlichen Erbe im Hinblick auf die Miterben der Stiefschwester berücksichtigt werden könnte.
Ich hatte dieses oben im Wege meiner ersten Beantwortung als theoretische Möglichkeit angenommen, wie gesagt, dieses müsste noch näher durchdacht werden.
Wie gesagt, dazu muss Einsicht in das Testament und in die konkrete Vermächtnisanordnung genommen werden, um näheres sagen zu können, ich insofern um Ihr geschätztes Verständnis bitten darf.
Wahrscheinlich meinten Sie aber "verkaufen" und nicht "kaufen", so das gilt:
Aller Voraussicht, wie ich dieses geschrieben hatte, geht dieses nicht, aufgrund meiner obigen Argumentation.
Bitte haben Sie auch Einsicht dafür, dass ich die letzte Frage hier nicht mehr erschöpfend im Rahmen einer Rückfrage und Erstberatung beantworten kann, es sich insofern um einen neuen Sachverhalt handelt, wenn Sie mir nunmehr mitteilen, der Sohn selbst wolle das Haus kaufen - dieses war mir bisher nach dem von Ihnen oben geschilderten Sachverhalt nicht bekannt.
Meinten Sie, es solle an jemand anderen verkauft werden, muss der Sohn in der Tat die Pflegeaufwendungen als Angehöriger im Wege des Elternunterhalts tragen. Er würde ja auch das Vermächtnis bekommen und selbst erben.
Wie ich bereits gesagt hat, rate ich Ihnen dringend zu weiterem anwaltlichen Rat, da sich der Sachverhalt, so wie es sich jetzt nun abzeichnet, hier nicht mehr für eine Erstberatung eignet.
Vielen Dank für ihr Verständnis.
Ich hoffe trotzdem, Ihre Rückfragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt