Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
I.
Ihre Berechnung und Herangehensweise zur Ermittlung des Auszahlungsbetrags an die Schwester ist grundsätzlich korrekt und entspricht der in der Praxis und Rechtsprechung üblichen Vorgehensweise. Ich erläutere Ihnen die einzelnen Schritte und gehe auf die rechtlichen Hintergründe ein:
1.
Wert des Nießbrauchsrechts
Der Wert des Nießbrauchs wird nach der sogenannten Kapitalwertmethode berechnet.
Dabei wird die jährliche (fiktive) Miete für die vom Nießbrauch umfassten Flächen (Wohnhaus, Scheune, Garage, Grundstück) ermittelt und mit einem Vervielfältiger multipliziert, der sich nach dem Alter des Berechtigten und den Vorgaben des Bundesfinanzministeriums (§ 14 BewG, BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2009, IV C 2 - S 3104/09/10001) richtet.
Sie haben folgende Werte angesetzt:
- Wohnhaus: 200 qm x 10 €/qm = 2.000 €/Monat = 24.000 €/Jahr
- Scheune: 750 qm x 2 €/qm = 1.500 €/Monat = 18.000 €/Jahr
- Garage: 75 €/Monat = 900 €/Jahr
- Gesamte Jahresmiete: 24.000 + 18.000 + 900 = 42.900 €/Jahr
Der von Ihnen verwendete Vervielfältiger (11,074) für das Alter des Schwiegervaters (66 Jahre) ist sachgerecht und entspricht den aktuellen Tabellenwerten.
Der Kapitalwert des Nießbrauchs beträgt somit:
42.900 € x 11,074 = 475.044,60 €
2.
Berechnung des ausgleichspflichtigen Werts
Vom Verkehrswert der Immobilie (750.000 €) wird der Wert des Nießbrauchs (475.000 €) abgezogen:
750.000 € - 475.000 € = 275.000 €
Dieser Betrag ist der aktuelle Wert der Immobilie, der zwischen den beiden Schwestern aufzuteilen ist.
3.
Ausgleichszahlung an die Schwester
Da Ihre Frau und ihre Schwester jeweils hälftig berechtigt sind, steht jeder ein Anteil von 137.500 € zu:
275.000 € / 2 = 137.500 €
Wenn Ihre Frau das Haus alleine übernehmen möchte, müsste sie ihrer Schwester diesen Betrag als Ausgleich zahlen.
4.
Rechtliche Bewertung
Diese Vorgehensweise ist rechtlich anerkannt und entspricht der gängigen Praxis.
Der Wert des Nießbrauchs ist als Belastung vom Verkehrswert der Immobilie abzuziehen, da der Nießbrauch die wirtschaftliche Nutzung der Immobilie für den Erwerber erheblich einschränkt.
Die Schwester erhält somit den hälftigen Wert des unbelasteten Anteils.
5.
Einwände der Schwester
Dass der Betrag der Schwester zu niedrig erscheint, ist nachvollziehbar, da der Wert des Nießbrauchs bei großen Immobilien und langer Lebenserwartung der Berechtigten einen erheblichen Teil des Immobilienwerts ausmachen kann.
Dies ist jedoch keine "Mathematik-Lüge", sondern entspricht der gesetzlichen und steuerlichen Bewertungspraxis. Auch die Rechtsprechung und Literatur bestätigen dieses Vorgehen.
6.
Zusätzliche Hinweise
Die genaue Berechnung kann im Einzelfall noch durch die Berücksichtigung von Instandhaltungslasten, Betriebskosten und ggf. steuerlichen Aspekten beeinflusst werden.
Die Einigung über die Höhe der Ausgleichszahlung ist letztlich eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten. Die von Ihnen gewählte Berechnungsmethode ist jedoch objektiv und nachvollziehbar.
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Fazit:
Ihre Berechnung ist rechtlich und mathematisch korrekt.
Der Wert des Nießbrauchs ist nach den aktuellen Tabellen zu ermitteln und vom Verkehrswert abzuziehen. Die Schwester hat Anspruch auf die Hälfte des verbleibenden Werts, also 137.500 €. Ein höherer Anspruch besteht nicht, solange der Wertansatz für Miete und Vervielfältiger sachgerecht ist.
Sollten Sie eine neutrale Bestätigung wünschen, kann ein Sachverständigengutachten zur Wertermittlung eingeholt werden, das in der Regel zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
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