Kann ich mein Bruchteilseigentum verkaufen ohne Zustimmung des Amtsgerichts ?

| 20. Februar 2021 13:53 |
Preis: 60,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Helge Müller-Roden

Zusammenfassung

Nach § 747 Satz 1 BGB kann jeder Teilhaber über seinen Anteil verfügen.
Die Rechtsordnung lässt es im Rahmen der Ausgestaltung des Eigentumsrechts gem. Art. 14 Abs. I Satz 2 GG) zu, dass Miteigentumsanteile ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer übertragen werden können.

Folgenden Sachverhalt möchte ich hier erklären und dazu gerne meine Fragen beantwortet wissen:

Bis 2017 besaß ich mit meinem Mann hälftig ein Mittelreihenhaus. Mit der Scheidung in 2017 ,verkaufte ich ihm 25% meines Anteils.
Ich benötigte zum damaligen Zeitpunkt Bargeld für den Aus,- und Umzug. Er bewohnte die Immobilie danach weiterhin, zahlte mir jedoch nie eine anteilige Miete
(dieses ist jedoch nur nebenher zu erwähnen), was ich auch nicht verlangte. Ich wollte vielmehr meine Ruhe haben und ließ es dabei.
Das Haus ist übrigens schuldenfrei und keine Erbpacht,sondern ein bezahltes Grundstück.

Wir sahen uns nach Scheidung noch sporadisch,da wir gemeinsame erwachsene Kinder haben. So entging mir, dass es ihm körperlich und seelisch schlechter erging (er ist 63) und er trotz häuslicher Krankenpflege in einen schlechten Zustand geriet. Vor ca. 5 Wochen wurde er nun,alamiert durch den Pflegedienst, in eine Kurzzeitpflege gegeben, welche nach 4 Wochen in eine unbefristete Pflege im Heim überging. Eingeleitet wurde dieser Prozess von einer gerichtlich bestellten Betreuerin. Da ich keine Verwandte mehr bin, ist diese Betreuerin mir gegenüber selbstverständlich nicht auskunftspflichtig.

Allerdings leitet die Betreuerin nun den Verkauf unserer Immobilie ein (dafür hat sie dann offenkundig bereits beim Amtsgericht die Erlaubnis eingeholt, was ich nur vermute. Wie gesagt; Ich habe keine Einsicht in Papiere), hat einen Gutachter bestellt, welcher den Verkehrswert ermitteln soll uns will dann über einen Makler die Immobilie zu Höchstpreisen verkaufen.
Es ist völlig in Ordnung und nachvollziehbar für mich/meinen mittellosen Exmann , daß ein Erlös aus einem Verkauf zu 75% in die Pflege meines Exmannes geht.
Wir hatten jedoch bereits mündlich und per Handschlag vor 3 Jahren unserer Nachbarin das Haus zugesagt und möchten dieser auch weiterhin das Haus verkaufen. Sie soll den Verkehrswert bezahlen. Aktuell haben wir diesen über die Anfrage zur Baufinanzierung ermittelt (dieser Wert entsteht dort durch: Bodenrichtwert/Sachwert/mom.Zustand (bestenfalls mittel) und entsprach auch unserer Einschätzung). Die Nachbarin ist auch zu dieser Zahlung bereit, selbst wenn der Betrag sich nach der Ermittlung des (hoffentlich) neutralen, geprüften Gutachters noch ändert.
Da mich diese ganze Angelegenheit sehr aufbringt, wollte ich nun meinen 25%igen Anteil an die Nachbarin verkaufen. Nachdem,was ich mir erlas dachte ich, daß ich dieses wohl auch darf nach § 747 BGB und wir hatten vor zum Notar zu gehen.
Die Betreuerin teilte mir nun mit, daß ich keine Handhabe über meinen 25%-Anteil mehr habe und ein Vertrag beim Notar ab sofort als ungültig/schwebend gelten würde. Das Haus werde verkauft über den Makler ihrer/des Amtsgerichts Wahl (stimmt das ? Kann nicht auch ich auf einen Makler meiner Wahl bestehen? Warum einen Makler? ), notfalls in einer Teilungsversteigerung. Wenn ich nicht zustimme sogar über ein Vollstreckungsgericht !
Ich bin sehr verwirrt und weiß nicht, wie viel Wahrheit in diesen Aussagen steckt.

1.) Sind mein Exmann und ich gezwungen über einen Makler zu Höchstpreisen zu verkaufen, wenn wir auch mit dem Verkehrswert zufrieden sind ? Können wir es durchsetzen, daß an unsere Nachbarin verkauft wird zum Verkehrwert laut Gutachter?
2.) Kann man mich zum Verkauf meines 1/4 Anteils zwingen,um die Immobilie als ein Stück zu verkaufen, wie es mir glaubhaft gemacht werden soll ?
3.) Muss ich mich in eine Teiliungsversteigerung "ergeben" ?
4.) Wo steht, daß ich nicht verkaufen darf (§ ?) ? Ich fühle mich vollkommen entmündigt. Die Nachbarin würde auch nur meinen Bruchteil kaufen wollen.
5.) Verkauft das Amtsgericht die 75% ggfs an ein Unternehmen, welches Erbteile kauft o.ä., um einen Weiterverkauf zu blockieren ? Laufen wir dort Gefahr, daß das Geld der Käuferin jahrelang festsitzt und sie nie das ganze Haus bekommt? Wie sind die Erfahrungen ?
6.) Welche Chancen und Möglichkeiten habe ich, um diesen Fall zu unseren Wünschen zu beenden ? Uns geht es nicht in erster Linie um das meiste Geld, sondern darum, daß eine liebe Nachbarin zum Verkehrwert unser Haus erwerben kann.

Mir fehlt es leider an Vergleichsurteilen, deutlichen Aussagen/Paragraphen zu dieser Situation und einem Lösungsfahrplan, obwohl es diesen Fall sicherlich schon zu Genüge gegeben hat.

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Sobald das Eigentum an einer Sache mehreren Personen zusteht, entsteht eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (z.B. eine Erbengemeinschaft zur gesamten Hand oder eine Hauseigentümergemeinschaft beim gemeinsamen Erwerb.

Die Rechte der Bruchteils-Miteigentümer untereinander sind in den §§ 1008 ff BGB bestimmt, ergänzt durch §§ 741 ff BGB, aber auch Pflichten gegenüber Dritten.

Bei der Bruchteilsgemeinschaft hat jeder Miteigentümer einen ideellen Bruchteil an dem Genstand bzw. dem Haus.

Den Anspruch auf Verwertung des eigenen Vermögens machen in aller Regel Sozialhilfeträger geltend und fordern die Leistungsempfänger auf, ihr Einkommen und Vermögen offenzulegen (per „Wahrungsanzeige" mit Auskunftsanspruch).

Denn das Sozialamt hat gegenüber den Leistungsempfängern den Vorteil eines gesetzlichen Forderungsübergangs:

Ein Erstattungsanspruch geht gem.
§ 94 Abs. I S. 1 SGB XII kraft Gesetzes auf den Träger der Sozialhilfe über, wenn dieser bereits Leistungen erbracht hat.

Gem. § 90 SGB XII steht ein Betrag von 5000€ als Schonvermögen zu.

Jeder Miteigentümer kann jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, (§ 749 Abs. 1 BGB), was vertraglich für immer oder auf Zeit ausgeschlossen werden kann.

Der Ausschluss ist jedoch unwirksam, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, um die Bruchteilsgemeinschaft zu beenden.

Will oder muß ein Bruchteilseigentümer die Gemeinschaft verlassen, kann er seinen Anteil verkaufen. Käufer können die anderen Miteigentümer sein oder Dritte. Mangels Interessenten kann die Aufhebung der Gemeinschaft verlangt werden.

Die Aufhebung erfolgt durch den Verkauf des gemeinschaftlichen Gegenstandes über den Pfandverkauf, bei Grundstücken durch Teilungsversteigerung. Der Verkauf erfolgt zwangsweise, und zwar an den Meistbietenden.

Deshalb kann ein Verkauf auch nicht zum „Verkehrswert" erfolgen, auch den Nachbarn zuliebe, weil es versprochen war. Dieses Versprechen wäre rechtlich auch nicht bindend, da nicht notarielle beurkundet. Es ist richtig, die Immobilie zu Höchstpreisen verkaufen.

Ihr Ex-Mann, vertreten durch die Betreuerin, kann die Auflösung der Gemeinschaft verlangen. Sie können die Teilungsversteigerung nicht verhindern, es gelten die §§ 752 – 754 BGB.

Allerdings können Sie gem. § 747 Abs. I BGB ihren Anteil veräußern.

Die Rechtsordnung lässt es im Rahmen der Ausgestaltung des Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. I Satz 2 GG) zu, dass Miteigentumsanteile ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer übertragen werden können. Nach § 747 Satz 1 BGB kann jeder Teilhaber über seinen Anteil verfügen. Hierfür bedarf er keiner Zustimmung der übrigen Miteigentümer. Grundlage dieser Regelung ist die gesetzgeberische Wertung, dass ein Teilhaber kein schützenswertes Interesse daran hat, nur mit bestimmten und nicht mit anderen Teilhabern verbunden zu sein. Ist ein Teilhaber mit dem neuen Teilhaber nicht einverstanden, kann er die Auflösung der Gemeinschaft betreiben [Staudinger/Eickelberg, BGB [2015],
§ 747 Rn. 1); BGH, Beschluss vom 29.10.2020 (Az.: I ZR 172/19)].

Dass es Ihnen nicht in erster Linie um das meiste Geld geht, sondern darum, daß eine liebe Nachbarin zum Verkehrwert Ihr Haus erwerben kann, werden Sie keinen Erfolg haben. Denn das Sozialamt muß Meistbietend Verkaufen.


Ich hoffe, Ihre Fragen verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 27. Februar 2021 | 19:29

Folgende Frage hätte ich noch, da sich die 2 unten aufgeführten Passagen für mich etwas wiedersprechen:
Darf ich meinen 25% Anteil an die Nachbarin verkaufen ohne Zustimmung des Amtgerichts (meine Exmann wäre ohnehin einverstanden) ?



Diese Passage aus Ihrem Text würde für mich ein "Nein" bedeuten :
Die Aufhebung erfolgt durch den Verkauf des gemeinschaftlichen Gegenstandes über den Pfandverkauf, bei Grundstücken durch Teilungsversteigerung. Der Verkauf erfolgt zwangsweise, und zwar an den Meistbietenden.
......

Diese Passage ein "Ja" bedeuten :
Allerdings können Sie gem. § 747 Abs. I BGB ihren Anteil veräußern.

....Die Rechtsordnung lässt es im Rahmen der Ausgestaltung des Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. I Satz 2 GG) zu, dass Miteigentumsanteile ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer übertragen werden können. Nach § 747 Satz 1 BGB kann jeder Teilhaber über seinen Anteil verfügen. Hierfür bedarf er keiner Zustimmung der übrigen Miteigentümer. Grundlage dieser Regelung ist die gesetzgeberische Wertung, dass ein Teilhaber kein schützenswertes Interesse daran hat, nur mit bestimmten und nicht mit anderen Teilhabern verbunden zu sein. Ist ein Teilhaber mit dem neuen Teilhaber nicht einverstanden, kann er die Auflösung der Gemeinschaft betreiben [Staudinger/Eickelberg, BGB [2015]......

WAS STIMMT ?

Freundliche Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 27. Februar 2021 | 21:06

Ihren ersten Absatz zitieren Sie aus dem Zusammenhang.

Sie können verkaufen und das führt zur Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft.

Soweit der Verkauf freihändig erfolgt, ist das Amtsgericht nicht beteiligt, wenn eine Zwangsversteigerung erfolgt geht das über das Amtsgericht

Bewertung des Fragestellers 28. Februar 2021 | 16:12

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