Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Nachfolgend möchte ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung sowie Ihres Einsatzes Ihre Frage wie folgt beantworten:
1. Die Regelung des Versorgungsausgleiches wurde im Jahr 2009 teilweise geändert.
Da in Ihrem Fall der Scheidungsantrag im August 2008 bereits anhängig war, gilt noch das alte Recht zum Versorgungsausgleich und insbesondere zur Beschränkung und zum Wegfall des Anspruches auf Versorgungsausgleich, § 1587 c BGB
alte Fassung (a.F.).
2. Nach § 1587 c BGB
a.F. besteht ein Anspruch auf Versorgungsausgleich nicht, soweit
(Nr. 1) die Gewährung des Versorgungsausgleiches nach den beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnissen für den anderen Teil grob unbillig wäre (grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleiches)
- oder -
(Nr. 2) der Berechtigte in Erwartung der Scheidung unterlassen hat, für eine eigene Altersversorgung Sorge zu tragen (Vereitelung des eigenen Anwartschaftserwerbs)
- oder -
(Nr. 3) der Berechtigte während der Ehe seine Verpflichtung grob verletzt hat, zum Familienunterhalt beizutragen (grobe Unterhaltspflichtverletzung).
3. Bevor ich im Einzelnen auf die vom Gesetz vorgesehenen Fallgruppen zum Ausschluss / zur Herabsetzung des Versorgungsausgleiches eingehe, muss ich darauf hinweisen, dass der Ausschluss / die Herabsetzung die Ausnahme für Härtefälle darstellen. D.h. es besteht nur ein enger Spielraum für die Annahme eines Ausschlussgrundes.
Das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines der genannten drei Ausschlussgründe wäre zudem von Ihnen zu beweisen, wenn Sie sich hierauf berufen.
4. In Ihren konkreten Fall kommt in erster Linie die grobe Unterhaltspflichtverletzung Ihres Ex- Mannes in Betracht.
Eine grobe Unterhaltspflichtverletzung, die zur Reduzierung oder zum Wegfall des Versorgungsausgleiches führen kann, wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn ein Ehepartner neben der Versorgung des Haushaltes und der Kinder berufstätig war, während der andere sich nicht um eine zumutbare Erwerbstätigkeit bemüht hat ( BGH, Urteil vom 09.07.1986, AZ IVb ZB 4/85
; FamRZ 1987, 49
ff.)
Dies ist auch dann anzunehmen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehepartner einer selbständigen Tätigkeit nachgeht, die nachhaltig aber keinen Gewinn abwirft. Hiervon ist nach Ihrer Schilderung auszugehen, da Sie und Ihre Eltern immer wieder mit Krediten aushelfen mussten.
Gerade wenn durch die Geburt eines Kindes der finanzielle Bedarf steigt, ist der selbständige Ehepartner gehalten, eine andere gewinnbringende berufliche Tätigkeit zu suchen (BGH, in der o.g. Entscheidung).
Hier fällt auch ins Gewicht, dass Ihr Ex-Mann seiner Verpflichtung zum Kindesunterhalt nur unzureichend nachgekommen ist.
Als zusätzliche Voraussetzung muss vorliegen, dass es sich um eine g r o b e Unterhaltspflichtverletzung handelt. D.h. die Verletzung der Unterhaltspflicht muss den anderen Teil in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht haben.
Bei dem Ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln kann
dies zu bejahen sein. In Unkenntnis Ihrer monatlichen Kosten ist dies von hieraus jedoch leider schwer zu beurteilen.
Noch kurz zu den anderen 2 Ausschlussgründen:
Der Ausschlussgrund „Vereitelung des eigenen Anwartschaftserwerbs“ ist vorliegend hingegen auszuschließen, da Ihr Ex-Mann nicht erst davon absah, eine Altersversorgung zu betreiben, als die Scheidung im Raum stand, sondern die ganze Zeit über.
Eine „grobe Unbilligkeit“ ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Zweck des Versorgungsausgleiches (Nachehelich Solidarität durch Teilung der Rentenanwartschaften) verfehlt würde.
Etwa, wenn die Ehepartner während der Ehezeit gar nicht zusammenlebten (dann gibt es keinen Grund für nacheheliche Solidarität) oder der Ausgleich nicht dem – bei Eintritt ins Rentenalter – wirtschaftlich schlechter gestellten Ehegatten zu Gute käme, weil bis dahin mit großer Sicherheit von einem Einkommenssprung auszugehen ist.
Diese beiden Ausschlussgründe kommen daher kaum in Betracht.
--- Sehr geehrte Fragestellerin, da die Bearbeitungszeit von 2 Stunden nicht ganz ausreicht, werde ich meine Antwort im direkten Anschluss noch ergänzen. Bitte gedulden Sie sich noch ein wenig. ---
Ergänzung:
5. Sie können gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich gemäß § 621 e ZPO
innerhalb eines Monats ab Zustellung der anzugreifenden Entscheidung Beschwerde beim Oberlandesgericht einreichen. Beim OLG herrscht jedoch Anwaltszwang, so dass die Beschwerde leider nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden kann.
6. Zusammenfassend ist m.E. durchaus eine Erfolgsaussicht für die Herabsetzung/den Ausschluss des Versorgungsausgleiches gegeben. In der Beschwerde wäre darzulegen, wie sich während der Ehezeit die beiderseitigen Beiträge zum Familienunterhalt (finanzielle Mittel und Haushaltsführung, Kindererziehung darstellten).
Ich würde Ihnen jedoch raten, dies mit einem Rechtsanwalt vor Ort zu besprechen, da die Beschwerde auch – wie gesagt – durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden muss.
Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!
Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen:
Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können mich natürlich gerne über die Nachfrageoption mit mir Verbindung aufnehmen, wenn noch Unklarheiten bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt