Wohnung betreten bevor Erbe ausgeschlagen wird

2. November 2022 23:06 |
Preis: 75,00 € |

Erbrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Helge Müller-Roden

Zusammenfassung

Nach deutschen Erbrecht geht eine Erbschaft kraft Gesetzes von selbst und ohne Wissen und Wollen der Erben auf diese über (§ 1922 BGB).

Gegen Dritte als Erbschaftsbesitzer haben sie Auskunfts- & Herausgabeansprüche.

Ich und mein Bruder sind Alleinerbe unserer vor 10 Tagen verstorbenen Mutter.
Das Ordnungsamt hat die Wohnung versiegelt und wir haben keinen Zugang zur Wohnung.
Können wir das Ordnungsamt zur Herausgabe der Wohnungsschlüssel zwingen?
Wir möchten lediglich einen letzten Blick in Ihre Wohnsituation werfen und Portraitfotos der Familie entnehmen, bzw. fotokopieren, wenigstens jedoch ablichten.
Wir überlegen ernsthaft das Erbe auszuschlagen und möchten nicht durch eine konkludente Handlung diese Entscheidung vorwegnehmen.

Abgesehen von Schmuck im Wert von wenigen hundert Euro gibt es kein verwertbares Vermögen. Können wir nach der Ausschlagung das Nachlassgericht kontaktieren und anbieten den Schmuck käuflich über Marktwert zu erwerben?

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Leider teilen Sie nicht mit, ob ein Testament Ihrer Mutter bzw. eine Verfügung von Todes Wegen besteht, aufgrund der Sie nicht Erbe Ihrer Mutter werden würden.

Ich gehe daher von der gesetzlichen Erbfolge gem. § 1924 BGB aus.

Daher sind Sie bereits Erben Ihrer Mutter, und zwar ab deren Tod.

Nach deutschen Erbrecht geht eine Erbschaft kraft Gesetzes von selbst und ohne Wissen und Wollen der Erben auf diese über (§ 1922 BGB).

Leider teilen Sie auch nicht mir, warum das Ordnungsamt die Wohnung versiegelt hat und den Zugang zur Wohnung verwehrt.
Das ist an sich unüblich und vor allem nicht rechtens, denn Sie sind Erbe.

Gegen das Ordnungsamt als Erbschaftsbesitzer haben Sie einen Auskunfts- & Herausgabeanspruch.

Den durchzusetzen dauert aber.

Als Erben können Sie einen letzten Blick die Wohnsituation Ihrer Mutter werfen, das Erbe sichten und m.E. auch Portraitfotos der Familie entnehmen bzw. diese fotokopieren oder abfotografieren.

Sie müssen sich ja eine Grundlage für die Entscheidung schaffen, das Erbe anzunehmen oder auszuschlagen.

Grundsätzlich gehören persönliche Erinnerungsstücke zum Nachlass. Sie dürfen nach der Ausschlagung nicht einfach behalten werden. Sollten aber alle Erben ausschlagen und der Fiskus Erbe übrig bleiben, hat der Fiskus in der Regel kein Interesse an Erinnerungsstücken des Erblassers, vorausgesetzt, dass diese nicht werthaltig sind.

Natürlich können Sie nach erfolgter Ausschlagung das Nachlassgericht bzw. die Erben kontaktieren und anbieten , den Schmuck oder einzelne Sachen käuflich zum Zeit- oder Marktwert zu erwerben.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 4. November 2022 | 11:04

Vielen herzlichen Dank für die schnelle Antwort.
Sie hatten Rückfragen , welche ich hiermit nun hoffe zu erläutern.

Das Ordnungsamt hat sich Zugang zur Wohnung verschafft und die Schlüssel einbehalten, weil wir als Erben nicht unmittelbar ermittelt und kontaktiert werden konnten.

Auch nach erneuter bitte sieht sich das Ordnungsamt nicht im Stande uns den Schlüssel, Familienstammbuch, etc. auszuhändigen und verweist diese als Teil der Erbmasse und auf das Nachlassgericht.

Es ist kein Testament vorhanden, so dass die gesetzliche Erbfolge greift.

Darf das Ordnunsgamt einfach diese Gegenstände einbehalten? Wir fühlen uns am Zugang zur Erbmasse gehindert und können uns keinen Einblick in die Wohnsituation verschaffen.

Dass wir uns keinerlei Gegenstände aus der Wohnung habhaft machen dürfen ist unumstritten.

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 4. November 2022 | 11:38

Das darf das Ordnungsamt nicht,
Sie müssen sich als mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund gesetzlicher Erbfolge berufene Erben einen Überblick über die Erbmasse verschaffen können und ggf. erforderliche Maßnahmen treffen, die keinen Erbschein oder eine Feststellung der Erben durch das Nachlaßgericht bedürfen.

Allenfalls könnte das Ordnungsamt die Sachen beim Nachlaßgericht abgeben, wo Sie sie dann sicherlich abholen können.

Ich rate Ihnen daher eine einstweilige Verfügung ins Auge zu fassen.

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