Sehr geehrte Fragestellerin,
aufgrund Ihrer Schilderungen beantworte ich Ihre Frage in einer ersten rechtlichen Einschätzung wie folgt:
FRAGEN:
Muss mein Ex-Mieter die Wohnung angesichts der konkreten Vertragsklauseln in unserem Mietvertrag und im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts renovieren?
-> nein, es handelt sich nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes jeweils um starre (End-)Renovierungsklauseln, soweit diese nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sind.
Wenn nein, kann ich dann zumindest die Wiederherstellung der Schäden an den Holzteilen (OSB-Platten, Holzgarage) verlangen?
-> der Mieter ist zu Schadensersatz verpflichtet, wenn der Schaden durch eine Nutzung entstanden ist, der über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgeht. Dies ist eine Frage des Einzelfalls und bedarf einer konkreten Einschätzung vor Ort. Diese ist im Rahmen des Forums leider nicht abschließend möglich.
Wenn ja, wie ist der Passus im Mietvertrag, betreffend „Dübel- löcher zum vertragsgemäßen Gebrauch unerläßlich...“ zu interpretieren?
-> Dübellöcher, die für eine vertragsgemäße Nutzung erforderlich sind, stellen keine übermäßige Nutzung dar. Dies richtet sich nach Anzahl und Zweck im jeweils konkreten Fall.
Gehören dazu die Anbringung von Hängeschränken seiner mitge-brachten Einbauküche, von Bücherregalen, Lampen etc.?
-> aus dieser Schilderung sehe ich keine übervertragsgemäße Nutzung.
In manchen Räumen sind die Wände einigermaßen o.k., in anderen nicht.
Sollte er zur Renovierung verpflichtet sein, kann ich dann nur das Streichen der wirklich häßlichen Räume verlangen?
-> keine Renovierungspflicht, s.o.
FRAGEN:
Welche Möglichkeiten haben wir als Vermieter? Wer muß wem was beweisen?
Von unserer Seite aus gibt es nur uns, die Vermieter, als Zeugen. Evtl. noch ein Handwerker, der den Boden verlegte und das Klavier verschieben mußte. Ob sich die Maklerin als Zeugin
bereit erklären würde, kann ich nicht sagen.
-> Soweit Sie einen Schadensersatzanspruch geltend machen wollen, haben Sie auch dessen Anspruchsvoraussetzungen zu beweisen. Die jeweiligen Zustandsveränderungen können Sie über Ein- und Auszugsprotokolle, Bilder und/oder Zeugenaussagen beweisen.
FRAGEN:
Wird die gesetzliche Verjährungsfrist unterbrochen, wenn auf beiden Seiten ein anderes zeitliches Vorgehen der Abrechnung nachweislich vereinbart wurde, wie z.B. durch monatelange Aussetzung der Mietzahlung (von mir „bis zur endgültigen
Abrechnung“ angeboten und von ihm länger als zugestanden ein-gestellt)?
Kann man von „arglistiger Täuschung“ (oder was wäre der juri-stische Ausdruck?) sprechen, wenn er von mir diese horrente Arbeit forderte, um dann zu sagen, ist ja sowieso verjährt, weil die Abrechnung zu seinen Ungunsten ausging?
-> Die Abrechnungsmodalitäten hinsichtlich der Nebenkostenabrechnungen bei vermietetem Wohnraum richten sich bei vereinbarter Vorauszahlung nach § 556 BGB
. Nach § 556 III BGB
ist über die Vorauszahlungen für Betriebskosten jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.
Von dieser Regelung in § 556 III BGB
kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden, § 556 IV BGB
. Eine entgegenstehenden „Vereinbarung“ wäre nicht wirksam.
Auch wenn Sie somit für die Jahre bis 2005 keine Nachforderungen mehr gegenüber dem Mieter geltend machen können, sind Sie dennoch zur Abrechnung verpflichtet. Denn ggf. kann ein Nachforderungsanspruch des Mieters bestehen, falls dieser zuviel gezahlt hat.
FRAGE:
Kann ich Schadenersatz für dieses „Gartenmassaker“ verlangen?
-> Der Mieter ist zunächst einmal nur dann zur Gartenpflege verpflichtet, wenn dies im Mietvertrag so geregelt wurde. Dies war nach Ihrer Schilderung der Fall. Die nähere Durchführung der Gartenpflege ergibt sich sodann zunächst wiederum aus den vertraglichen Vereinbarungen. Ist im Mietvertrag z.B. geregelt „Der Mieter ist verpflichtet, den Garten zu pflegen“ bedeutet dies, dass der Mieter lediglich die allgemeinen Gartenpflegearbeiten (wie Rasenmähen, Unkrautjäten, Entfernen von Laub, Umgraben von Beetflächen etc.) auszuführen hat. Hinsichtlich der Durchführung und Gestaltung wird dem Mieter von der Rechtssprechung dabei ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt. Denn bei der Übernahme der Gartenpflege handelt es sich um keinen feststehenden Begriff, da es keine einheitlichen Vorstellungen darüber gibt, was unter einer "ordnungsgemäßen“ oder einer „sachgerechten Gartenpflege" zu verstehen ist.
Beachten Sie insgesamt, dass die Rechtssprechungstendenz eher als mieterfreundlich zu bezeichnen ist. Fehlt es daher an einer konkreten vertraglichen Individualvereinbarung über die Arbeiten, die auszuführen sind und in welcher Form diese auszuführen sind, sehe ich einen Schadensersatzanspruch nur erschwert durchzusetzen. So ist von einem Mieter nicht zu verlangen, dass er gärtnerische Fähigkeiten besitzt oder besitzen muss. Daher sehe ich hinsichtlich des unfachmännischen Rückschnitts der Rosen eine vorwerfbare Pflichtverletzung eher als unwahrscheinlich. Etwas anderes könnte hinsichtlich der Gartenumgestaltung (Herausreißen der Sträucher) gelten. Eine nähere Einschätzung bedarf jedoch eine Prüfung der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und einer Würdigung der tatsächlichen Umstände. Soweit diese zu dem Ergebnis kommen würde, dass der Mieter nicht zur Gartenumgestaltung berechtigt war, könnten Sie Ersatz verlangen. Beachten Sie aber, dass Sie auch in diesem Fall für diese Anspruchsvoraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet wären.
Grundsätzlich billigt die Rechtssprechung dem Vermieter im Einzelfall dann einen Schadensersatzanspruch zu, wenn der Mieter die wirksam übernommene Gartenpflege derart vernachlässigt, dass er die Arbeiten entweder gar nicht oder nur so spärlich durchgeführt hat, dass der Garten letztendlich verwildert oder verkommen ist. Beachten Sie, dass Sie vor der Geltendmachung eines Anspruches dem Mieter eine angemessene Frist zur Durchführung der sodann im Einzelnen zu bezeichnenden Arbeiten zu setzen haben. Erst nach fruchtlosem Ablauf könnten Sie einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Dieser würde auf Ersatz derjenigen Kosten lauten, die erforderlich sind, um den Zustand herzustellen, der letztendlich vertraglich geschuldet war. Es kommt somit wiederum auf die vertraglichen Vereinbarungen an.
FRAGE:
Darf ich mit der Rückzahlung abwarten, bis die Frage der zu erledigenden Arbeiten und dem schwierigen Komplex KLAVIER geklärt ist?
-> Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat der Vermieter zeitnah über die Kaution abzurechnen. Soweit Sie einen Teil der Kaution einbehalten wollen, haben Sie somit sobald wie möglich diesen Teil (offene Nebenkosten, Schadensersatzansprüche etc.) zu beziffern (ggf. durch Schätzung) und dem Mieter diese Abrechnung mitzuteilen. Der Mieter hätte sodann Klage auf Rückzahlung der (Rest-)Kaution zu erheben, wenn er mit dieser Abrechnung nicht einverstanden ist. In diesem gerichtlichen Verfahren wären sodann die Berechtigungen der Schadensersatzansprüche etc. zu prüfen, d.h. ob ein Einbehalt der Kaution rechtlich zutreffend war.
Beachten Sie, dass Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten verjähren, § 548 BGB
. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen eine erste rechtliche Orientierung geben zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber ausschließlich auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Ich empfehle Ihnen daher, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu beauftragen, sofern Sie eine abschließende Beurteilung erhalten möchten. Bitten beachten Sie, dass dabei weitere Kosten anfallen. Dies gilt insbesondere, wenn Sie den Abzug von Schadensersatzpositionen oder die Aufforderung an den Mieter zur Durchführung von Gartenpflegearbeiten in Betracht ziehen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
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Antwort
vonRechtsanwalt Martin P. Freisler
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Tel: 0 61 31 / 333 16 70
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Rechtsanwalt Martin P. Freisler
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
An RA Martin P. Freisler
Sehr geehrter Herr Freisler,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, die mir zum großen
Teil Klärung brachte. Trotzdem noch zwei Bemerkungen:
Zu Schönheitsreparaturen:
Es ist für das Rechtsempfinden eines „Lieschen Müllers“, zu der ich mich (aber nur in diesem Fall!) zählen möchte, schwer nachzuvollziehen, warum das Urteil des Bundesgerichts-
hofes nicht erst ab Urteilsverkündung gültig ist, sondern bereits rückwirkend auf zuvor abgeschlossene Mietverträge. Somit kann ein Mieter 10 Jahre lang zu günstigstem Mietzins
wohnen und dann gehen, ohne renovieren zu müssen. Gerecht?
Zu Betriebskosten:
Kann es sein, daß ich mich vielleicht nicht klar genug ausgedrückt oder aber Ihre Antwort nicht richtig verstanden habe. Weit davon entfernt, Ihre Auskunft in Frage zu stellen,
möchte ich noch einmal drauf zurückkommen, zumal mir der Vorsitzende des Grundeigentümervereins und gleichzeitig auch Anwalt auf telefonische Anfrage gesagt hatte,
daß die Verjährungsfrist UNTERBROCHEN wird, wenn andere Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter getroffen wurden. Der Mieter könne nicht auf Abrechnung von neun zurückliegenden Jahren bestehen, um sich dann hinterher – (nach aufwändiger Arbeit des Vermieters, die z.T. durch fehlende Angaben des Mieters deutlich erschwert wurden) – auf die Verjährungsfrist zu berufen. Ich kann mich nicht mehr an den Ausdruck erinnern, aber ich meine, er erwähnte den Ausdruck „böswillige Arglist“ oder „arglistisches Vorgehen“ oderähnlich...(auf gut deutsch: Vera....ung). Ín unserem Fall war die Konstellation ja anders gelagert als in anderen Fällen, da der Mieter einen Teil der
Betriebskosten, der Vermieter einen anderen Teil trug.
Es könnte ja auch sein, daß der Mieter es in der ganzen Zeit versäumt hatte, die von ihm bezahlten Strom/Gasrechnungen
uns als den Vermietern anteilig in Rechnung zu stellen.
Können Sie diese Frage noch einmal überprüfen?
Sollte es aber tatsächlich auch angesichts dieser oben präziser beschriebenen Sachlage so aussehen, daß die Verjährungsfrist bis 2005 greift, dann hätte es keinen Grund gegeben, daß mein Mieter die Mietzahlungen (erlaubt „bis zur Gesamtabrechnung“) von August 2006 bis Mai 2007 aussetzte, denn sowohl für 2006 als auch für 2007 waren die Betriebskostenabrechnungen noch
gar nicht fällig gewesen. In diesem Fall könnte ich zumindest die mir gesetztlich zustehenden Versäumniszinsen für verspäteten Mieteingang verlangen, immerhin über 230,- EUR. Sehen Sie das auch so?
Herzlichen Dank für die nochmalige Auskunft
und freundlichen Gruß
Vielen Dank für die Nachfrage.
Leider ist die Wirksamkeitskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Verbraucherschutzgesichtspunkten in Ihrem Fall zu Ihren Lasten. Dies ist ein immanentes Risiko, wenn man sich derartigen vorformulierten Klauseln bedient und den Vertrag nicht im einzelnen aushandelt.
Wie geschildert, ist eine Abweichung von der Regelung des § 556 III BGB
bei vereinbarten Nebenkostenvorauszahlungen bei Wohnraum nicht zu Lasten des Mieters möglich. Eine „Verjährungsunterbrechung“ ist ebenfalls wie geschildert nur dann möglich, wenn „der Vermieter die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat“. Das fehlende Vertreten ist von Ihnen darzulegen und zu beweisen. Der Vermieter hat z.B. eine verzögerte Erstellung dann nicht zu vertreten, wenn ihm die entsprechenden Unterlagen für die Abrechnung nicht rechtzeitig vorgelegen haben. Hat somit bei Ihnen der Mieter diese trotz Verpflichtung nicht rechtzeitig herausgegeben oder die Angaben zurückgehalten, kann er sich darauf nicht berufen.
Soweit die Betriebskosten nicht als „Vorauszahlung“ im Sinne des § 556 II BGB
vereinbart waren, gilt § 556 III BGB
nicht. Dies wird aus Ihren Schilderungen aber nicht eindeutig erkennbar, so dass eine Nebenkostenvorauszahlung bei der Antwort zugrunde gelegt wurde. Beachten Sie, dass auch dabei gilt, dass sich eine Antwort ausschließlich auf Ihre Angaben beziehen kann; soweit somit Teile der vertraglichen Vereinbarungen anders lauten als wiedergegeben o.ä. kann sich der Sachverhalt wieder anders darstellen. Diese Forum kann nur eine erste Orientierung darstellen und ersetzt nicht eine umfassende Prüfung, wie Sie im Rahmen einer Mandantierung möglich ist.
Die Einstellung von Mietzinszahlungen war mir bislang nicht bekannt. Diese haben Sie in der Nachfrage erstmals angeführt. Ich erlaube mir daher den Hinweis, dass es sich um eine neue Frage handelt, die von dem ursprünglichen Einsatz nicht gedeckt war. Ich darf Sie daher darum bitten, weitere Fragen im Rahmen dieses Forum in einer neuen Frage einzustellen. Ich bedanke mich für Ihr Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
Rechtsanwalt