Sehr geehrte Fragestellerin,
vorweg möchte ich Sie darauf hinweisen, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann, sondern ausschließlich dazu dient, eine erste überschlägige Einschätzung Ihres Rechtsproblems auf Grundlage der von Ihnen übermittelten Informationen von einem Rechtsanwalt zu erhalten.
Durch Hinzufügen oder Weglassen weiterer Sachverhaltsangaben Ihrerseits kann die rechtliche Beurteilung anders ausfallen.
Meiner Antwort liegt der Inhalt der aktuellen Widerrufsbelehrung der Firma 1&1 zugrunde, die ich den AGB auf der Homepage des Unternehmens entnommen habe.
Ebenso gehe ich davon aus, dass Sie den Anschluss als Verbraucher (13 BGB) und nicht als Unternehmer (§14 BGB
) bestellt haben. Ihre Angabe, den DSL-Anschluss für eine Tätigkeit im Rahmen eines Lieferservice nutzen zu wollen, könnte nämlich auf eine Unternehmereigenschaft Ihrer Person schließen lassen.
Dann würde aber kein Verbrauchervertrag mehr vorliegen und bereits aus diesem Grund kein Widerrufsrecht bestehen.
Aufgrund Ihrer weiteren Angaben beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Nach § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB
erlischt bei einer Dienstleistung das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht, wenn der Unternehmer mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers mit der Ausführung der Dienstleistung vor Ende der Widerrufsfrist begonnen oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat.
Fraglich ist jedoch, ob Sie in vorliegendem Fall Ihre ausdrückliche Zustimmung erteilt haben.
Ob eine solche tatsächlich erteilt wurde, kann ich anhand der gegebenen Informationen nicht beurteilen. Ich habe mir jedoch die Mühe gemacht, den Anmeldevorgang eines einfachen DSL-Vertrages auf der Homepage von 1&1 nachzustellen.
Hierbei viel mir lediglich auf, dass man die Wahl hatte, den Anschluss schnellstmöglich oder zu einem Wunschtermin geschaltet zu bekommen.
Eine Angabe in der Bestellung über einen „schnellstmöglichen“ Bezug reicht im Hinblick auf die gesetzliche Forderung nach einer ausdrücklichen Zustimmung meines Erachtens jedoch nicht aus.
Dem Verbraucher erschließt sich hierdurch nämlich nicht hinreichend, ob der Dienstleister bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist tätig wird oder nicht.
Aus diesem Grund wäre ein Widerruf meines Erachtens grundsätzlich möglich.
Beachtung verdient in diesem Zusammenhang aber auch das vor kurzem ergangene Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 21. Juni 2007 (Az. 6 C 177/07
).
Der Urteilsbegründung ist zu entnehmen, dass DSL-Verträge keine Verträge iSv § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB
sind, denen eine "sonstige Dienstleistung" zugrunde liegt, sondern schlichte Kaufverträge seien, bei denen das Widerrufsrecht gerade nicht erlischt, selbst wenn eine Teilleistung erfüllt sein sollte.
Die AGB von 1&1 entfalten daher insoweit keine Wirkung. Es kommt nicht darauf an, ob bereits irgendein Zugang freigeschaltet oder sonst eine Leistung erbracht wurde, sondern schlichtweg darauf, ob die Widerrufsfrist bereits abgelaufen ist.
Der Beginn der Widerrufsfrist ist in § 355 Abs. 2 und 3 BGB
und zudem in den oben angeführten AGB von 1&1 geregelt. Die Frist beginnt in Ihrem Fall also frühestens mit Erhalt einer in Textform gesondert mitgeteilten Widerrufsbelehrung bzw. in Anlehnung an das Urteil des AG Hamburg mit Bereitstellung der Leistung.
Meines Erachtens können Sie deshalb wirksam den DSL-Vertrag widerrufen.
Ich bitte jedoch zu beachten, dass die Entscheidung des AG Hamburg nicht von anderen Gerichten geteilt werden muss. Selbst bei der Charakterisierung als Dienstleistungsvertrag wäre aber nach wie vor eine ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers in die Durchführung der Dienstleistung vor Ende der Widerrufsfrist nach § 312d Abs. 3 Nr.2 BGB
erforderlich.
Um eine nahezu hundertprozentige Rechtssicherheit zu haben, können Sie neben dem Widerruf gegenüber 1&1 hilfsweise noch eine angemessene Frist zur Leistung setzen und danach gemäß der §§ 323 Abs.
I, 346 BGB
vom Vertrag zurücktreten.
Weitere Möglichkeiten sehe ich nicht. Sollte 1&1 Ihrem Widerruf nicht entsprechen, so verweisen Sie auf das Urteil des AG Hamburg und drohen damit, Verbraucherschutzverbände auf die Angelegenheit aufmerksam zu machen.
Für Rückfragen oder weiterer Interessenvertretung stehe ich gerne zur Verfügung.
Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Michael Euler
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Michael Euler
Roßmarkt 12
60311 Frankfurt am Main
Tel: 069 36605388
Tel: 0172 5752270
Web: https://www.RA-Euler.de
E-Mail:
Hallo Herr Euler,
danke für ihre schnelle Antwort. Leider habe ich direkt nach Onlinebestellung (als Privatperson, nicht als Unternehmer) von 1und1 eine E-Mail mit einer pdf-Datei, der Widerrufsbelehrung erhalten. Somit nehme ich an, dass ich nicht vom Vertrag zurücktreten kann. Oder doch? Denn andere Unterlagen habe ich bisher nicht erhalten. In dem Email über Bestelleingang steht noch folgender Text:
Wir testen im nächsten Schritt die Verfügbarkeit von DSL an Ihrer angegebenen Adresse. Ist DSL bei Ihnen verfügbar, erhalten Sie Ihren DSL-Schaltungstermin per Brief sowie per E-Mail. Wenn Sie Hardware bestellt haben, senden wir Ihnen
diese inklusive Schnell-Start-Anleitung und 1&1 DSL-Benutzerhandbuch zu.
Ich habe bisher noch kein Feedback erhalten, dass DSL verfügbar ist und keinen Schaltungstermin. Oder bezieht sich die Wiederufsfrist auf die Bestätigung des Schaltungstermines?
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Sofern Sie die Widerrufsbelehrung nach Vertragsschluss erhalten haben, wofür nebenbei 1&1 die Beweislast für den Zugang der Belehrung trägt, ist die Widerrufsfrist abgelaufen. Dies gilt aber nur, wenn man der Auffassung ist, dass der DSL-Vertrag ein Dienstleistungsvertrag ist.
Folgt man der Auffassung des Amtsgerichts Hamburg, so beginnt die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 3 S.2 BGB
jedoch erst mit Bereitstellung des DSL-Zugangs. Der Beginn des Fristlaufs fällt dann mit dem Schaltungstermin zusammen, sofern Sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Zugangsdaten und die erforderliche Hardware von 1&1 erhalten haben.
Unbeachtlich eines nach Auffassung des AG Hamburg möglichen Widerrufs können Sie aber auch in der von mir beschriebenen Weise vorgehen, und 1&1 eine angemessene Frist zur Bereitstellung des Internetzugangs setzen. Nach Ablauf dieser Frist können Sie nach den §§ 323 Abs.
I, 346 BGB
vom Vertrag zurücktreten.
Sollte noch etwas unklar sein, so können Sie mich gerne in meiner Kanzlei anrufen.
Mit freundlichem Gruß
Michael Euler
Rechtsanwalt