Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Erstmal zum Allgemeinen:
Der Arbeitgeber darf nicht einseitig ihre Stundenzahl heraufsetzen. Anderes gilt, wenn eine bestimmte Überstundenzahl im Arbeitsvertrag bereits geregelt ist.
Grundsätzlich dürfte die Regelung in ihrem Arbeitsvertrag unwirksam sein, da keine Höchststunden- oder Tageszahl geplant ist, und sie somit Als Mitarbeiterin in Teilzeit zu Überstunden verpflichtet werden. Da der Arbeitsvertrag nicht regelt wieviele Überstunden maximal zu leisten sind, halte ich ihn in dieser Klausel für unwirksam und einseitig benachteiligend.
Da somit die Regelung in ihrem Arbeitsvertrag unzulässig ist, kann ihr Arbeitgeber kleine Überstunden durch Vertretung der Kollegin verlangen, vielmehr hat er für eine ausreichend dicke Personaldecke zu sorgen. Denn ein dauerhafter Personalmangel, so dass die Woche nicht vollständig besetzt werden kann, darf nicht ihr Problem sein. Eine zu dünne Personaldecke als Dauerzustand ist auch kein Grund, ihren Urlaubsantrag abzulehnen, denn hier ist der Arbeitgeber in der Pflicht und kann wichtige betriebliche Belange ( also Notsituationen) nicht ins Feld führen. ein dauerhafter Personalmangel ist kein wichtiger Belang, sondern vom Chef zu lösen.
1. kann ich tatsächlich nie wieder einen Freitag frei nehmen, weil meine Kollegin mich nicht vertreten mag (z.B. Brücken-Freitage)?
Nach ihrem Chef und der Kollegin wohl nein, nach der rechtlichen Lage sieht dies anders aus. Ihr Arbeitgeber muss sich bei der Urlaubsplanung auch nach ihren Belangen richten, weder ist eine zu dünne Personaldecke noch die Verweigerung der Kollegin ein wichtiger Betrieblicher belang, der gegen ihre Urlaubswünsche angeführt werden kann. Der Urlaubswunsch ist zu gewähren, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen ( § 7 Abs. 1 BUrlG
)
Daher empfehle ich - beim nächsten Urlaubsantrag mit auslaufend Vorlaufzeit- auf die Rechtslage hinzuweisen, dass Urlaub nur dann abgelehnt werden kann, wenn wichtige betriebliche Belange entgegenstehen und dass es einen Gleichbehandlungsgrundsatz ( Art.3 GG
bzw. § 242 BGB) auch im Arbeitsrecht gibt, der den Chef durchaus dazu verpflichtet, auch entgegen der Weigerungshaltung der Kollegin von seinem Direktionsrecht Gebrauch zu machen, so dass auch diese sie zu vertreten hat. Er darf sie nicht unegrechtfertigt ungleich behandeln.
Wenn genug Vorlauf vorhanden ist, ließe sich der Anspruch, den Urlaub zu gewähren auch vor dem Arbeitsgericht einklagen, aber Achtung, Freunde macht man sich mit diesem Vorgehen auf Arbeit natürlich nicht.
2. muss ich tatsächlich 52 Wochen im Jahr quasi in Bereitschaft zur Verfügung stehen, um jeden Montag und jeden Dienstag abzudecken, an dem meine Kollegin nicht im Büro ist?
Laut Arbeitsvertraglicher Regelung ( die ich mangels Höchstgrenze für unwirksam erachte) sind sie verpflichtet ihre Kollegin zu vertreten, wenn die dadurch entstehende Mehrarbeit im Vorfeld mit ihnen und ihrem Vorgesetzten abgestimmt sind. Dies entspricht auch der gesetzlichen Lage, werden Überstunden verlangt oder die Vertretung eines Kollegen, so hat dies im Vorfeld beplant zu werden, wobei die Rechtsprechung 4 Tage im Voraus für das Minimum hält. Das heißt sie müssen nicht in Bereitschaft sein, sondern Extra-Schichten sind im Vorfeld mit ihnen abzustimmen. Nicht immer werden sie Zeit haben. Mit dieser Beplanungszeit vermeiden sie aber, grundsätzlich zu Bereitschaft zu schieben und unsicher über die Situation zu sein, ob ihre Kollegin frei haben möchte, denn sie muss dies im Vorfeld abstimmen, damit der Vorgesetzte dies mit ihnen rechtzeitig besprechen kann. Kurzfristige Planänderungen sind nicht bzw . nur in ganz, engen Notsituationen hinnehmbar, ansonsten bleibt es bei einem einmalig aufgestellten Plan.
Natürlich gilt § 7 Abs. 1 BurlG auch für ihre Kollegin, sind sie also sozial schutzwürdiger ( z.B. wegen dem Tod eines Angehörigen) und stehen ihre Wünsche denen der Kollegin entgegen, so müssen die Wünsche der Kollegin auch mal abgelehnt werden.
Auch der Anspruch nicht permanent zu Überstunden herangezogen zu werden, ist einklagbar.
Gesamtergebnis: Auch sie haben Anspruch auf Urlaub, soweit dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, nicht entgegenstehen. Die bloße Weigerungshaltung der Kollegin oder eine permanent dünne Personaldecke rechtfertigen betriebliche Belange nicht. Überstunden durch Vertretung ihrer Kollegin sind mit ihnen im Vorfeld abzuklären, die Rechtsprechung geht von mindestens 4 Tagen Vorlaufzeit ein, so dass sie nicht permanent in Bereitschaft sein müssen. zudem sollte ihr Arbeitgeber an die Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht erinnert werden,. so dass er sein Weisungsrecht , was Überstunden und Urlaubsvertretung anbelangt nicht stets zu ihren Lasten ausüben darf, sondern hier auch mal die Kollegin einsetzen muss, selbst wenn sie nicht mag. Auch hier darf er sich nicht sachgrundlos ungleich behandeln.
TIPP am Rande:
Häufen Teilzeitkräfte viele Überstunden an, kann sich der Vertrag konkludent ( stikllschweigend) bis hin zum Vollzeitvertrag mit entsprechender Entlohnung wandeln. Dies wird ihr Chef nicht wollen, da er diese Wandlung nicht einseitig beseitigen kann, sondern es einer ( zulässigen!) Änderungskündigung bedarf, die oft insbesondere für den Arbeitgeber mit arbeitsrechtlichen Risiken verbunden ist.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwältin Doreen Prochnow
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Sehr geehrte Frau Prochnow,
vielen lieben Dank für die ausführliche und sehr verständliche Antwort. Ich bin froh, dass ich für das Gespräch kommende Woche etwas in der Hand habe. Sich gegen einen "gottgleichen" Chef zu behaupten ist ansonsten gar nicht so einfach bzw. in meinem Fall unmöglich. Ich möchte aber nicht mehr klein beigeben.
Eine letzte Frage habe ich noch: Gibt es irgend ein Argument (außer, dass es eigentlich der Anstand gebieten würde, seiner Mitarbeiterin in einer so schweren, belastenden Situation ohne unverschämte EMails und Diskussionen einfach den benötigten Tag Urlaub zu gewähren), das ich vorbringen könnte, um den Urlaubstag am 1.2. doch noch zu bekommen? Da meine Kollegin bereits in Urlaub ist kann ich mich natürlich nicht mehr mit ihr besprechen und meinen schutzwürdigeren Vorrang geltend machen.
Ich bedanke mich noch einmal im Voraus und wünsche Ihnen eine gute Zeit.
Liebe Fragestellerin, gern zu ihrer Nachfrage.
Grundsätzlich darf der beantragte Urlaub nur bei dringenden widersprechenden betrieblichen Belangen und widersprechender Urlaubsplanung sozial schutzwürdigerer Arbeitnehmer verwehrt werden ( § 7 BUrlG
) Ich weiß nicht welche Kriterien ihre Kollegin in sozialer Hinsicht aufweist, aber der Tod eines nahen Angehörigen dürfte ein sozialer Härtefaktor sein, der sie sehr schützenswert erscheinen läßt.
Die meisten Arbeitsverträge und Tarifverträge sehen ohnehin (zusätzlichen) Sonderurlaub von 1 - 3 Tagen bei, Tod von Angehörigen vor, was aber nicht zwingend ist. Dies zeigt jedoch deutlich, dass Arbeitnehmer in solch schweren Zeiten besonders schutzwürdig sind.
Neben dem Vorbringen dieser Argumente zum Umstimmen des Arbeitgebers, halte ich es nicht für realisierbar, bis zum 01.02.2019 für den Anspruch noch eine Klage durchzubringen.
Möglich ist aber ein Durchdringen im einstweiligen Rechtsschutz (einstweilige Verfügung), bei der sie die oben genannten Argumente vorbringen. Ob die einstweilige Verfügung durchgeht, hängt neben den Argumenten ihres Arbeitgebers auch davon ab, ob das Gericht die Eilbedürftigkeit bejaht. Dies ist nur dann zu erwarten, wenn die Ablehnung noch nicht lange her ist und auch im Ablehnungszeitpunkt bereits eine Dringlichkeit gegeben gewesen wäre, also wenn ein Zuwarten die Eilbedürftigkeit nicht erst verursacht hat. Daher wird es hier darauf ankommen, wann ihr Chef den Antrag genau abgelehnt hat. War dies am 23. oder 24.01. erst der Fall, so haben sie Chancen eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht durchzubekommen.
Aber Vorsicht, bei arbeitsgerichtlichen Prozessen trägt grundsätzlich jede Partei die Anwaltskosten selbst, auch wenn die Gegenseite verliert. Daher kann es Sinn machen zur Kostenersparnis ohne Anwalt zu agieren, wenn es keine Rechtsschutzversicherung gibt. Dies ist vor dem Arbeitsgericht ohne weiteres möglich.
Gerne bin ich ihnen bei den gerichtlichen Schritten behilflich und bitte sie mich in diesem Fall kurzfristig über meine Profildaten zu kontaktieren.
mit freundlichen Grüßen
Doreen Prochnow