Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Wie hoch ersehen Sie in einem solchen Fall die Erfolgsaussichten auf eine Schadensersatzklage in Bezug auf Schmerzensgeld und entgangenem Einkommen?
1.1. Die Erfolgsaussichten hängen davon ab, ob Sie zunächst einen Behandlungsfehler beweisen können. Das scheint bei Ihnen kein Problem zu sein, denn die OP war weder indiziert noch haben Sie in sie eingewilligt.
1.2. Des Weiteren muss der Patient grundsätzlich beweisen, dass die Beschwerden danach der OP und nicht dem – vor der OP bereits bestehenden schlechten Zustand- zuzuordnen sind. In Ihrem Falle würde man aus Ihrer Patientenakte Ihre Angaben und Feststellungen der Ärzte vor der OP mit heutigen Beschwerden vergleichen. Kommt man zum Ergebnis, dass sich Ihr Zustand verschlechterte, ist dies der OP zuzuordnen.
1.3. Dann muss der Patient grundsätzlich beweisen, dass der Schaden (=Verminderung des Lebensqualität, entgangener Gewinn, Kosten der Nachbehandlung) auf die Verschlechterung des Zustandes zurück führt (und nicht z. B. auf die seit 5 Jahren zurückgegangenen Umsätze wegen der schlechten Auftragslage) .
1.4. In Punkten 1.2. und 1.3. heißt es „grundsätzlich", weil die Beweislast im Falle eines groben (!) Behandlungsfehlers nicht mehr beim Patient, sondern beim Arzt liegt, d.h. der Arzt muss beweisen, dass weder die Beschwerden noch die Schäden auf die OP zurückführen. Dazu muss ich sagen, dass dieser Beweis zu führen, fast unmöglich ist. Grober Behandlungsfehler bedeutet, daß der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat. Mit anderen Wörtern haben Sie super gute Erfolgsaussichten, wenn Sie einen groben Behandlungsfehler beweisen. Das wäre nach Ihrer Schilderung davon abhängig, ob die Diagnose, den Retropatellarersatz auszuwechseln absolut (!) unvertretbar war, etwa aufgrund der durchgeführten Untersuchungen. Falls die Diagnose nur (!) fehlerhaft war, würde man zu einem (einfachen) Behandlungsfehler kommen mit der Folge, dass die Beweislast bei Ihnen liegen würde. Hier werden Sie m. E. auch gute Erfolgsaussichten haben.
2. Soll ich eine Zivilklage anstreben oder ersehen Sie eine andere Möglichkeit?
Sie gehen wie folgt vor:
2.1. Bei Ihrer Krankenkasse (falls gesetzlich versichert) lassen Sie ein Gutachten zum Thema „Behandlungsfehler" erstellen, das ist kostenlos. Falls Sie privat versichert sind, lassen Sie ein Gutachten bei der Schlichtungsstelle erstellen, auch kostenlos.
Hier ist Info dazu:
http://www.arzthaftung-wegen-behandlungsfehler.de/sachverstaendige/29-schlichtungstelle
2.2. Dann kontaktieren Sie das Krankenhaus und verlangen einen Schadensersatz, den Sie vorher ermitteln.
2.3. Dann entscheiden Sie, ob Sie das Krankenhaus verklagen (z. B. falls es Ihnen zu wenig anbietet).
3. Haben Kliniken (dies war ein großes Universitätsklinikum) einen "Topf" in den sie greifen können, um einen Schadensersatz/Schmerzensgeldbetrag zu bezahlen ohne, dass der lange Weg einer Klage eingeschlagen wird?
Ja, ihre Haftpflichtversicherung
4. Wie hoch ersehen Sie in einem solchen Fall den Betrag, den ich erwarten dürfte, wenn mein Anliegen positiv für mich ausgeht?
Das Schmerzensgeld in Deutschland ist enorm gering. Ich würde es hier mit maximal 60.000 einschätzen.
Hier ist Info dazu:
http://www.arzthaftung-wegen-behandlungsfehler.de/behandlungsfehler/27-schmerzensgeld-wegen-behandlungsfehler
Die Hauptposten werden wohl der Verdienstausfall und Nachbehandlung sein. Evtl. kann man auch eine Erwerbsminderung bei der DRV feststellen lassen.
Da Ihr endgültiger Schaden noch nicht feststeht, kann man auch eine Feststellungsklage in Betracht ziehen, d.h. das Gericht entscheidet, dass das Krankenhaus für alle zukünftige Schäden einzustehen hat.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage:
1. Ändert es den Tatbestand?
ja. Dass Sie in die OP, die den Retropatellarersatz zum Gegenstand haben sollte, eingewilligt haben, habe ich unterstellt. Es geht aber um die fehlende Einwilligung zum Inlayaustausch.
2. Frage: Würde ich rechtlich einen Fehler machen, der mir später nachteilig ausgelegt werden würde, wenn ich bei meiner nächsten Konsultation in der Klinik im Mai ohne Gutachten und ohne vorab ermittelten Betrag ganz offen mein Anliegen zum Ausdruck bringen würde?
Daraus entstehen keine Nachteile, aber das wird auch nichts bringen. Denn der Arzt entscheidet nicht selbst, sondert seine Haftpflichtversicherung, die dann auch zahlt. Daher wird er Ihnen sagen, machen Sie das bitte schriftlich. Sie können aber im Vorfeld mit dem Arzt besprechen. Ich sage Ihnen aber aus Erfahrung, dass eine weitere reibungslose Zusammenarbeit mit dem Arzt dann eher unwahrscheinlich ist. Ihre Forderung können Sie auch ohne das MDK-Gutachten stellen, die Haftpflichtversicherung wird aber den Vorwurf dann bestreiten (z.B. man hätte nicht erkennen können, dass der Retropatellarersatz in Ordnung war). Also mit dem Gutachten haben Sie bessere Chancen.
MfG Zelinskij