Sehr geehrter Fragesteller:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:
Sie sprechen das Thema "vorweggenommene Erbfolge" an. Als vorweggenommene Erbfolge werden Rechtsgeschäfte unter Lebenden bezeichnet, die typischerweise eine Schenkung (§§ 516 ff, 2301 II BGB) enthalten.
Zu den Fragen:
1) Hat das Auswirkungen auf meinen Pflichterbteil beim Tod meines Vater?
Dies wird im § 2315 Abs. 1 BGB
geregelt:
"Der Pflichtteilsberechtigte hat sich auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm von dem Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll."
Grundsätzlich bedarf die Anrechnungsbestimmung keiner Form; sie kann sogar stillschweigend erfolgen.
Fraglich hier ist jedoch, ob die Formulierung so ausgelegt werden sollte, dass nicht auf die Erbe Bezug genommen wird, sondern auf den Pflichtteil. Die„Anrechnung auf den Erbteil" wird regelmäßig nicht von der Rechtssprechung als Anrechnungsbestimmung im Sinne von § 2315 BGB
ausgelegt (OLG Schleswig ZEV 2008, 386
).-
Auch kann hier ein Pflichtteilsergänzungsanspruch Dritter geltend gemacht werden (§§ 2325 ff. BGB
). Dies wird aber nach 10 Jahren nicht mehr möglich sein, wobei jedes Jahr die Berücksichtigung dieser Schenkung um 1/10 zu reduzieren ist.
Wenn weitere Abkömmlinge vorhanden sind, kann auch § 2052 BGB
eingreifen: Hat der Erblasser die Abkömmlinge auf dasjenige als Erben eingesetzt, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden, oder hat er ihre Erbteile so bestimmt, dass sie zueinander in demselben Verhältnis stehen wie die gesetzlichen Erbteile, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Abkömmlinge nach den §§ 2050, 2051 zur Ausgleichung verpflichtet sein sollen. Dies kommt aber zur Anwendung in dem Fall nur, wenn der Vater eine solche Anordnung bei der Schenkung getroffen hat oder wenn das Zugewendete als Ausstattung zu qualifizieren ist (vgl. §2050 Abs. 1 BGB
).
2) Oder Auswirkungen beim Erben nach dem Tod meines Vater und dann meiner Stiefmutter?
Dies hängt von der Gestaltung des Testamentes. Für den üblichen Fall, dass keine Vor- und Nacherbe angeordnet ist, wird die Schenkung nicht relevant, da ein neuer Erbfall vorliegt und Sie nichts vom (zweiten) Erblasserin vorweg empfangen haben.
All dies lässt sich jedoch nicht ohne genauere Kenntnis des Testamentes, der weiteren vorhandenen Verwandten und der von ihnen genannten Urkunde abschließend prüfen.
Ich hoffe dennoch, Ihnen eine erste Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
23. September 2010
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22:45
Antwort
vonRechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
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Fachanwalt für Migrationsrecht