Stipendium gegen Mitarbeit - Verpflichtung für 4 Jahre nach dem Studium zulässig?

14. Juni 2010 18:05 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von

Sehr geehrter Herr Anwalt,

ich bin Student und habe mit meinem "alten" Arbeitgeber im "gegenseitigen Einvernehmen" folgende Ergänzungen des Arbeitsvertrages vorgenommen:

Auszüge:...."während des Studiums ruht das Anstellungsverhältnis ...erhält Herr P. eine monatl. Unterstützung
von 500 € - für diese Unterstützung steht Herr P. dem Unternehmen für ca. 400-500 Stunden jährlich zur Verfügung - NACH ABSCHLUSS DES STUDIUMS VERPFLICHTET SICH HERR P. FÜR MINDESTENS 4 JAHRE DAS ERWORBENE WISSEN IM UNTERNEHMEN EINZUSETZEN "

Nun sind meine Fragen, die ich gern unter Angabe von Paragraphen beantwortet bekommen würde (denn ich möchte über meinen Fall im Kurs Arbeitsvertragsrecht ein 10 Minuten Referat halten!):

1.) Ist eine derartige (4 Jahre!!!) Verpflichtung von Arbeitnehmern bzw. Studenten überhaupt zulässig?
(ich würde mich nach dem Studium -in Kürze- hinsichtlich des Arbeitgebers gern verbessern)

wenn ja: es wurde bei der Vereinbarung von einem Dipl.-Studiengang (4 Jahre Regelstudienzeit) ausgegangen - in diesem wurde jedoch nicht mehr immatrikuliert, deshalb bin ich nun nach dem Bachelor im Masterprogramm und schließe erst nach 5 Jahren (Regelstudienzeit) ab --> müßte dann die Verpflichtungsdauer der Fäörderungsdauer entsprechen?

2.) ...es heißt ja für die Unterstützung wird geleistet...bei Nichterfüllung meinerseits, also wenn ich die Verpflichtung nach dem Studium nicht erfülle --> muß ich das Geld zurückzahlen für welches ich während des Studiums nicht entsprechend geleistet habe? (es war mir in einem Jahr aufgrund von Krankheit und Auslandspraktika nicht möglich 400 h zu leisten)

3.) können berechtigte Schadensersatzforderungen an mich gestellt werden oder habe ich sonst noch etwas zu beachten?

Über eine kurzfristige Beantwortung würde ich mich sehr freuen.

Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Mühe und verbleibe

mit freundlichem Gruß
Thadeus P

-- Einsatz geändert am 14.06.2010 18:51:27

14. Juni 2010 | 20:20

Antwort

von


(775)
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24105 Kiel
Tel: 0431-895990
Web: https://www.kanzlei-steidel.de
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich anhand Ihrer Sachverhaltsschilderung wie folgt beantworten:

Grundsätzlich gilt zunächst, dass solche Bindungsklauseln bei finanzieller Unterstützung des Arbeitnehmers wirksam vereinbart werden können. Auch Rückzahlungsklauseln können grundsätzlich für den Fall einer arbeitnehmerseitig veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsdauer wirksam vereinbart werden.

Die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes sieht beispielhaft in solchen Fällen folgendes vor:

BAG Urteil vom 05.12. 2002 - Az: 6 AZR 537/00

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind Verträge über die Rückzahlung der Ausbildungs- oder Fortbildungskosten im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer grundsätzlich zulässig.

2. Die Rückzahlungspflicht ist aber nur dann angemessen, wenn es dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, die für ihn aufgewendeten Ausbildungskoten durch Betriebstreue abzugelten.

3. Stellt sich bei Durchführung des Vertragsverhältnisses heraus, dass dem Arbeitnehmer Arbeitsaufgaben zugewiesen werden, die nicht seiner Ausbildung entsprechen, ist ihm ein Festhalten an diesem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung von Rückzahlungspflichten dann nicht zumutbar, wenn der Arbeitgeber einem berechtigten Verlangen auf Zuweisung einer qualifikationsgerechten Beschäftigung nicht entspricht.


Was die Bindungsdauer anbetrifft so sind ebenfalls verschiedene Entscheidung hierzu ergangen:

Eine einmonatige Fortbildung soll eine Bindung von max. 6 Monaten erlauben, BAG v. 05.12.2002 -6 AZR 539/01 .

Nach einer sechsmonatigen Ausbildung wurde eine zweijährige Bindungsfrist für zulässig erachtet. Maßgeblich sind aber stets die Umstände des Einzelfalles. Eine längere Bindungsfrist als fünf Jahre wird man als unzumutbar ansehen muessen. Die übliche Staffelung sieht in der Regel wie folgt aus:

Bindungsfrist:
Maßnahmedauer von bis zu 2 Monaten: höchstens 1-jährig
Maßnahmedauer von bis zu 4 Monaten: höchstens 2-jährig
Maßnahmedauer von bis zu 6 Monaten: höchstens 3-jährig
Maßnahmedauer von bis zu 2 Jahren: höchstens 5-jährig

In Ihrem Fall ist eine vierjährige Bindung für eine fünfjährige Ausbildung vorgesehen. Von der Zeitdauer der Bindung her, bestehen hier keine durchgreifenden Bedenken.

Eine Rückzahlungsklausel enthält Ihr Vertrag nach Ihrer Schilderung hingegen nicht, so dass der Arbeitgeber auch eine Rückzahlung nicht für den Fall verlangen kann, dass Sie ihre Stunden wegen der Ausbildung nicht voll leisten können. Wohl aber kann die Nachholung der Stunden gefordert werden.

Zu beachten ist ausserdem, dass selbst bei Vereinbarung einer zu langen Bindungsdauer, eine angemessene Reduzierung der Bindungsfrist vorzunehmen wäre. Ein Unwirksamkeit der Vertragsklausel wäre hingegen nicht die Folge, BAG v. 05.12.02; s.o.

Die Verpflichtungsdauer muss nach den obigen Ausführungen nicht der Förderungsdauer entsprechen.

Eine Vereinbarung über die Erstattung von Fortbildungskosten muss eindeutig sein. Der Arbeitnehmer muss die Folgen erkennen können, die sich für ihn aus dem Abschluß einer solchen Klausel ergeben, BAG v. 21.11.2002- 6 AZR 77/01 .


Diese von der Rechtssprechnung entwickelten Grundsätze wird man im Streitfall auf Ihren Fall übertragen muessen. Im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung wird dann eine richterliche Angemessenheitsbeurteilung erfolgen.
Ein Erstattungsanspruch für die finanziellen Zuwendungen während der Studienzeit ist nicht ausdrücklich vereinbart. Deshalb wird der Arbeitgeber es m.E in ihrem Fall sehr schwer haben, eine Erstattung oder einen entsprechenden Schadensersatzanspruch durchzusetzen. Die Bindungsfrist als solche ist m.E. wirksam, zumal hier nur Ihre Verpflichtung zum Einsetzen des durch die Förderung erworbenen Wissens vereinbart ist.

Ihre hoffe, Ihnen damit einen Überblick über die Rechtslage im Rahmen dieser Erstberatungsplattform verschafft zu haben. Die Nennung von §§ ist in dieser Sache nicht möglich, da es sich um die Auslegung und Prüfung von Arbeitvertragsklauseln handelt. Hierzu existieren keine konkreten Rechtsvorschriften, sondern diese Fragen werden im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geklärt.



Rechtsanwalt Sascha Steidel
Fachanwalt für Familienrecht

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