Unklarheit, Heirat und Zusammenleben in Deutschland; Ausländerrecht

| 18. Januar 2019 21:38 |
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Ausländerrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich wende mich heute mit folgendem persönlichen Anliegen an Sie:

Ich bin syrische Staatsbürgerin und bin im September 2014 in die Bundesrepublik im Rahmen meiner Flucht aus Syrien eingereist. Inzwischen lebe ich in Baden-Württemberg und habe einen befristeten Aufenthaltstitel (mit der Anmerkung 25 Abs. 2). Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mir durch meine Ausbildung, ohne weitere Leistungen vom Jobcenter o.Ä. zu beziehen. Meine Sprachkenntnisse im Deutschen sind auf dem Niveau B2.
Mein Verlobter lebt seit August 2014 in Österreich (ebenfalls als Kriegsflüchtling). Er hat dort mittlerweile eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und das Sprachniveau C1. Durch einen Lehrgang an der Universität war es ihm möglich, den Abschluss „Bachelor of Arts" erfolgreich zu absolvieren. Derzeit studiert er weiter, um den Master zu erlangen. Neben seinem Studium arbeitet er auf Minijob-Basis und bezieht auch noch Sozialleistungen in Österreich.

Die Problemlage ist nun folgende:

Ende diesen Jahres möchten wir heiraten. Daher stellt sich für uns die Frage, auf welchem Wege mein Verlobter einen Aufenthaltstitel in Deutschland erlangen kann, um hier nach unserer Hochzeit bei mir leben zu können.

Außerdem ist uns unklar, ob er sich bereits jetzt schon auf eine Arbeitsstelle in Deutschland bewerben bzw. hier arbeiten darf und im Zuge dessen möglicherweise auch einen Aufenthaltstitel (Arbeitsvisum?) bekommen könnte.

Ich habe mich bereits erkundigt, inwiefern ein gemeinsames Leben in Deutschland möglich wäre, wenn ich die deutsche Staatsbürgerschaft (zu gegebenem Zeitpunkt und unter Erfüllung der dafür vorgesehenen Voraussetzungen) beantragen würde. Nach meinem Kenntnisstand würde auf diesem Wege ein Zusammenleben in Deutschland erst nach einem Zeitraum von vier Jahren nach Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein.

Eine letzte Frage wäre die danach, ob ich meinen „deutschen" Aufenthaltstitel verlieren würde, wenn ich bei meinem Verlobten in Österreich leben würde.

Da uns dieser Zeitraum doch sehr lang erscheint, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir bzw. uns eine Antwort auf unsere Anliegen geben könnten, zumal uns vieles im Hinblick auf die rechtliche Lage sehr unklar ist.

Mit freundlichen Grüßen und bestem Dank im Voraus!
19. Januar 2019 | 00:14

Antwort

von


(1656)
Bertha-von-Suttner-Straße 9
37085 Göttingen
Tel: 0551 70728-16
Web: https://rkm-goettingen.de/gero-geisslreiter-verwaltungsrecht
E-Mail: verwaltungsrecht@rkm-goettingen.de
Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ihr Verlobter kann über [i]§ 36a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)[/i] nach Deutschland kommen. Dazu müssen Sie aber bereits geheiratet haben. Rein rechtlich ist die Schließung der Ehe nach Ihrer Flucht aus Syrien aber ein Hinderungsgrund, der nur ausnahmsweise überwunden werden kann im Wege des Ermessens, wenn Sie nur sog. [i]subsidiären Schutz[/i] genießen (= [i]§ 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG[/i]). Auch sonst wird der Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten nur nach Ermessen zugelassen - [i]ein Anspruch besteht nicht[/i].

Falls Ihnen die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 des Asylgesetzes (AsylG) zuerkannt wurde (= [i]§ 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG[/i]), bestände ggf. sogar ein Anspruch auf Familiennachzug nach [i]§§ 27, 29, 30 AufenthG[/i].

Denkbar wäre für Ihren Verlobten auch eine [i]Blaue Karte/EU[/i], wenn deren Voraussetzungen vorliegen. Er müsste v.a. die Anerkennung seines österreichischen Bachelors (oder später Masters) in Deutschland erreichen sowie einen Arbeitsplatz finden, der der Ausbildung entspricht und mit einen bestimmten guten Gehalt dotiert ist. Dann dürfte er selbstverständlich mit Ihnen zusammenziehen.

Der Familiennachzug zu einer Deutschen ([i]§§ 27, 28 AufenthG[/i]) kann sofort nach der Einbürgerung in Angriff genommen werden. Eine Wartefrist von 4 Jahren gibt es insoweit nicht.

Wenn Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft nach Österreich verlegen, erlischt Ihre deutsche Aufenthaltserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 6 AufenthG). Ob Sie aber ein Aufenthaltsrecht in Österreich bekommen, richtet sich nach den österreichischen Gesetzen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Rückfrage vom Fragesteller 28. Januar 2019 | 22:05

Sehr geehrter Herr Geißlreiter,

vielen Dank für Ihre schnelle und detaillierte Antwort. Nach Durchsicht dieser kamen bei mir noch folgende Fragen auf:


1. Wie kann ich feststellen, ob die Bestimmungen von § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG auch für meinen Aufenthaltstitel gelten? In meinem Asylbescheid steht, dass der Asylantrag gemäß § 13 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz auf die Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG beschränkt wurde. Daher stellt sich mir zudem die Frage, ob ich in diesem Falle Familiennachzug beantragen darf oder nicht.
Sofern ja: Unter welchen Voraussetzung erfolgt dieser?
Sofern nein: Wo kann ich die Voraussetzungen zur Blaue Karte/EU recherchieren?

2. Ist es meinem Verlobten (mit seinem österreichischen unbefristeten Aufenthaltstitel) überhaupt erlaubt, in Deutschland nach Arbeit zu suchen bzw. einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, wenn er nun die Blaue Karte/EU beantragen möchte?
Was müsste er zuerst tun: Die Blaue Karte/EU beantragen oder einen Arbeitsplatz nachweisen?
Wo kann recherchiert werden, ob bzw. inwiefern sein Masterabschluss in Deutschland anerkannt wird?

3. Gesetzt dem Falle, dass ich die Deutsche Staatsbürgerschaft erhalte: Ab wann würde mein Verlobter diese ebenfalls erhalten bzw. in welchem Zeitraum wäre eine Einbürgerung denkbar und welche Nachweise bzgl. des Lebensunterhalts wären erforderlich (dies unter der Voraussetzung, dass alle anderen Bedingungen erfüllt sind)?

4. Ihren Rat möchte ich außerdem in folgender Hinsicht ersuchen: Da ich mich momentan in Mitten meiner Ausbildung zur Kauffrau im Innen- und Außenhandel befinde, stellt sich für mich die Frage, ob es sinnvoller wäre, zu warten bis ich die Deutsche Staatsbürgerschaft erhalte und erst danach Österreich zu gehen, um dort ein Leben aufzubauen. Oder würde dies Ihrer Meinung nach vermutlich zu viel Zeit in Anspruch nehmen?

5. Wenn ich mich nun für ein Leben in Österreich entscheide und mein Aufenthaltstitel in Deutschland erlischt: Könnte ich in einem Notfall (z.B. Todesfall, Scheidung, Arbeitslosigkeit) erneut einen Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik beantragen?


Mir ist bewusst, dass meine Fragen sehr zahl- und umfangreich sind. Dennoch wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir im Hinblick auf meine Fragen weiterhelfen könnten. Es ist mir und meinem Verlobten ein großes Anliegen, schnellstmöglich ein gemeinsames Leben zu beginnen.

Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 28. Januar 2019 | 23:10

Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre Nachfragen beantworte ich wie folgt:

1. Es kommt auf den Zusatz zur Anmerkung "§ 25 Abs. 2" an. Schauen Sie in Ihren Anerkennungsbescheid des Bundesamtes, was Ihnen für ein Schutz zuerkannt wurde. Der Familiennachzug erfolgt dann gemäß dem oben Gesagten. Die Voraussetzungen der Blauen Karte/EU ergeben sich aus § 19a AufenthG i.V.m. § 2 der Beschäftigungsverordnung (BeschV).

2. Für die Blaue Karte/EU muss Ihr Verlobter einen entsprechenden Arbeitsvertrag oder ein entsprechendes Arbeitsplatzangebot nachweisen. Besuchsweise darf er sich in Deutschland aufhalten, z.B. für Vorstellungsgespräche oder Behördenvorsprachen. Die Gleichwertigkeit des Berufsabschlusses kann unter www.anabin.kmk.org recherchiert werden.

3. Gefordert werden mindestens 3 Jahre Inlandsaufenthalt und davon 2 Jahre Wartezeit nach Ihrer Einbürgerung. Ihr künftiger Ehemann muss sich aufgrund eigenen oder Ihres Einkommens "ernähren können". Möglicherweise wird die Einbürgerungsbehörde diesbezüglich auch 60 Monate Beiträge zur Rentenversicherung verlangen (= 5 Jahre).

4. Als deutsche Staatsbürgerin hätten Sie in Österreich den privilegierten Status einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin, wenn Sie dort arbeiten. Die Einbürgerung ist bei guten Sprachkenntnissen nach 6 Jahren gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland möglich nach § 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen. Wenn Sie jetzt nach Österreich gehen, fangen Sie dort bei Null an, vorausgesetzt, Ihnen wird für Österreich eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

5. Sie können jederzeit erneut einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Deutschland beantragen. Sie müssen dafür aber einen bestimmten Aufenthaltszweck nachweisen (z.B. eine Beschäftigung im erlernten Beruf) und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Das ist schwer kalkulierbar.

Im übrigen stehe ich Ihnen und Ihrem Verlobten natürlich auch gerne im Rahmen eines aufenthaltsrechtlichen Mandats zur Verfügung.

Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 31. März 2019 | 21:08

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