Umwandlung eines Minijobs in einen Gleitzonenjob

| 5. August 2015 19:14 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von

Folgender Fall:

A ist seit 1.04.2015 bei Zeitarbeitsfirma Z als Minijobber mit 15 Std. Arbeitszeit pro Woche beschäftigt. 51 Stunden werden pro Monat maximal ausgezahlt.
Allerdings hat der A abgesehen vom Monat April im Mai, Juni und Juli jeweils weitaus mehr als 60 Stunden im Monat gearbeitet, also "Überstunden" angesammelt.

Z schickt Anfang August 2015 eine "Änderung des geschlossenen Arbeitsvertrags" in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis (Gleitzone) über 100 Arbeitsstunden pro Monat zwecks Unterzeichnung an den A.

1. Ist es ratsam, diese "Änderung" zu unterschreiben? Oder macht sich der A sogar strafbar?

(Es ist zu unterstellen, dass Z die "Überstunden" so "abbauen" will, was de facto aber nicht funktionieren wird, da der A beabsichtigt, zum 30.9.2015 zu kündigen, die monatliche Arbeitszeit von ca. 80-90 Stunden sich im August und September voraussichtlich nicht ändern wird und somit keine Möglichkeit besteht, die bereits angesammelten 85 Überstunden zu "verrechnen".)

2. Ist das bisherige "Minijobarbeitsverhältnis" bereits sozialversicherungspflichtig geworden? Wen trifft in einem solchen Fall die "Schuld", wenn für die GKV, RV und PV Beträge anfallen?

3. Wie soll A der Z gegenüber auftreten, um seine Rechte bzgl. der bisher unbezahlten Mehrarbeit durchzusetzen?

6. August 2015 | 15:01

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

1. Ist es ratsam, diese "Änderung" zu unterschreiben? Oder macht sich der A sogar strafbar?

Wenn Sie die angebotene Vertragsänderung unterschreiben, befinden Sie sich ab dem Zeitpunkt der Änderung in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Die Sozialversicherungspflicht beruht hierbei nicht auf der erhöhten Stundenzahl, sondern auf dem damit verbundenen erhöhten Gehalt. Wenn Sie beides für die verbleibende Zeit in der Firma in Kauf nehmen möchten, dann können Sie die Änderungsvereinbarung unterschreiben. Eine Strafbarkeit ist hierbei nicht erkennbar.

Wenn Sie hingegen Wert darauf legen, für die verbleibende Zeit nur mit 15 h in der Woche zum bisherigen Gehalt zu arbeiten, dann wäre es besser, die angebotene Änderung nicht zu akzeptieren und auf der Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit zu bestehen. Sofern Ihr bisheriger Arbeitsvertrag Sie nicht ausdrücklich zur Leistung von Überstunden verpflichtet, kann Ihr Arbeitgeber diese im Regelfall nicht einseitig anordnen (mit Ausnahme von Notfällen).

Eine Ersetzung der Überstunden durch Ausgleich mit Freizeit setzt voraus, dass dies im jetzt geltenden Arbeitsvertrag oder in der Änderungsvereinbarung so festgelegt ist. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, so kann der Arbeitgeber einen bereits entstandenen Anspruch auf Vergütung für geleistete Überstunden nicht einseitig durch Freistellung von der Arbeit erfüllen. Wenn Sie den Änderungsvertrag unterschreiben wollen, dann sollten Sie darauf achten, dass hierin keine Abgeltungsklausel bezüglich der bislang geleisteten Überstunden enthalten ist.

2. Ist das bisherige "Minijobarbeitsverhältnis" bereits sozialversicherungspflichtig geworden? Wen trifft in einem solchen Fall die "Schuld", wenn für die GKV, RV und PV Beträge anfallen?

Die Frage nach der Sozialversicherungspflicht für Ihren Fall ist in der Geringfügigkeitsrichtlinie, Punkt B 2.2.1. geregelt. Nach Absatz 2 dieser ziemlich langen Bestimmung ist bei Beginn der Beschäftigung eine vorausschauende Betrachtung dahingehend anzustellen, ob die Entgeltgrenze überschritten wird. Wenn die Prognose wegen nicht sicher voraussehbarer Umstände mit dem späteren Verlauf der Entgeltzahlung nicht übereinstimmt, so bleibt aber dennoch die für die Vergangenheit getroffene Feststellung maßgebend. Dies könnte bei Ihnen der Fall sein. Sollte dennoch irgendwann rückwirkend Sozialversicherungspflicht festgestellt werden, dann können von Ihnen keine Beiträge nachgefordert werden, da diese nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden können (§ 28g Satz 3 SGB IV). Da Ihr Arbeitsverhältnis demnächst endet, dürfte diese Gefahr nicht sehr groß sein. Die Beiträge wären dann allein vom Arbeitgeber abzuführen.

3. Wie soll A der Z gegenüber auftreten, um seine Rechte bzgl. der bisher unbezahlten Mehrarbeit durchzusetzen?

Sofern Ihr derzeitiger Arbeitsvertrag keine Regelung enthält, dass eine bestimmte Anzahl von Überstunden mit dem normalen Gehalt mit abgegolten sind, dann ist davon auszugehen, dass die geleisteten Überstunden in Höhe der je Arbeitsstunde anfallenden Regelvergütung zu entlohnen sind, sofern dem Arbeitgeber die zusätzliche Arbeit bekannt war und er diese geduldet hat.

Um diese Ansprüche geltend zu machen, müssen Sie vortragen, zu welchen Zeiten Sie über die Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet und welche Tätigkeiten Sie ausgeführt haben.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwältin Dr. Jana Mühlsteff
Fachanwältin für Sozialrecht

Rückfrage vom Fragesteller 7. August 2015 | 17:22

Im Gespräch mit Z wurde der Punkt mit den Überstunden geklärt. Bleibt A noch länger bei Z und kann nicht eingesetzt werden, erfolgt ein Freizeitausgleich (nicht zu erwarten bis zum 30.9.). Kündigt A, werden ihm die Überstunden ausgezahlt. Das ist ok.

Für den Fall, dass A den Änderungsvertrag unterschreibt: Wie lange ist er in der Pflichtversicherung (bzw. auch freiwilligen Versicherung, falls er wieder auf geringfügig beschäftigt zurückgestuft wird) gebunden? Sind das 18 Monate?

(A ist EU-Bürger und war bisher über seine Heimatkrankenversicherung abgesichert; er möchte nur einen sozialversicherungspflichtigen Job ausüben, wenn dieser längerfristig ist, weil er davon ausgeht, sonst den freiwilligen Mitgliedsbeitrag der Krankenkasse von mühsam erarbeiteten 450 € entrichten zu müssen.)



Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 10. August 2015 | 10:57

Die Beendigung der Mitgliedschaft als Versicherungspflichtiger ist in Ihrem Fall in § 190 Absatz 2 SGB V geregelt. Die Mitgliedschaft als Versicherungspflichtiger endet hiernach automatisch mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis endet (also am 30.09.2015).

Für die rechtliche Situation im Anschluss daran ist § 188 Absatz 4 SGB V einschlägig. Hiernach setzt sich die Versicherung nach Ende der Versicherungspflicht als freiwillige Versicherung fort, es sei denn, Sie erklären innerhalb von 2 Wochen nach einen Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit Ihren Austritt. Dieser ist nur wirksam, wenn Sie das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweisen. Wenn also Ihre Heimatkrankenversicherung fortbesteht, können Sie sich von der freiwilligen Mitgliedschaft in Deutschland nach dieser Bestimmung entbinden lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Bewertung des Fragestellers 18. August 2015 | 17:45

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"Vielen herzlichen Dank für Ihre zeitnahe und kompetente Beratung, ohne die sich zweifelsohne nur Unsicherheit breitgemacht hätte. Sehr empfehlenswert!"
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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 18. August 2015
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Vielen herzlichen Dank für Ihre zeitnahe und kompetente Beratung, ohne die sich zweifelsohne nur Unsicherheit breitgemacht hätte. Sehr empfehlenswert!


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