KVdR GKV PKV

2. Februar 2022 09:16 |
Preis: 50,00 € |

Sozialversicherungsrecht


Beantwortet von

Ich bin seit 1.9.21 Rentner mit 66 J. Meine ehem. GKV bestätigt mir, dass ich aufgrund meiner Vorversicherungszeiten in der KVdR aufgenommen bin (habe ich nachrechnen lassen, war richtig). War bisher freiberuflich selbstständig und seit 2007 in der PKV. Kurz darauf bekam ich eine Absage, dass ich aufrund der Altersgrenze von 55J doch nicht übernommen werden kann (war ja zuvor schon bekannt!?). Außerdem war ich lt. GKV in den letzten 5 Jahren nicht einen Tag in der GKV.

Soll/muss ich meine selbstständige Tätigkeit einstellen, bzw. könnte ich sie ggf. (nach Auftragslage) wieder aufnehmen?

Gibt es eine Hierarchie im SGB? Mir wurde gesagt, die Erfüllung der Vorversicherungszeiten ist allentscheidend.
Sollte es klappen, kann man jederzeit bei der PKV kündigen?

Wie sollte ich vorgehen?

MfG
2. Februar 2022 | 11:20

Antwort

von


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49134 Wallenhorst
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Sehr geehrte/r Fragesteller/in,

leider sieht es nicht gut mit einer Rückkehr in die GKV.

In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es den Status "Pflichtversichertes Mitglied", den Status "Freiwilliges Mitglied" und den Status "Familienversichert". Die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ist eine solche Pflichtversicherung. Die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der KVdR ergeben sich - unter anderem! - aus § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V:
[quote]Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren[/quote]

Die Regelung wird durch § 5 Abs. 5 SGB V ergänzt. Danach ist jemand, der [b]hauptberuflich[/b] selbstständig ist, nicht in der KVdR versicherungspflichtig. Wenn jemand regelmäßig mehr als einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt, so wird eine hauptberufliche Selbstständigkeit vermutet.

Seit Juli 2000 gibt es dann als weitere Ergänzung noch § 6 Abs. 3a SGB V:
[quote]Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, sind versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 nicht versicherungspflichtig waren. Der Voraussetzung nach Satz 2 stehen die Ehe oder die Lebenspartnerschaft mit einer in Satz 2 genannten Person gleich. Satz 1 gilt nicht für Personen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 versicherungspflichtig sind.[/quote]

Sind Sie also bereits 55, so sind Sie trotz Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für die KVdR versicherungsfrei, wenn Sie in den letzten fünf Jahren nicht gesetzlich versichert waren. Die Krankenkasse darf Sie also nicht als Pflichtmitglied in die KVdR aufnehmen. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, für die die Altersgrenze 55 nicht gilt, greift bei Ihnen nicht, weil Sie durch die PKV anderweitig abgesichert sind und aus der PKV auch nur durch Nachweis einer Versicherung in der GKV wieder herauskommen.

Auch die Aufnahme einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer würde bei Ihnen wegen § 6 Abs. 3a SGB V (Altersgrenze 55) nicht mehr zu einer Versicherungspflicht und damit zu einer Rückkehr in die GKV führen.

Ein Antrag auf ALG II führt bei Ihnen auch nicht zu einer Versicherungspflicht, weil Sie direkt vor dem Bezug nicht in der GKV gewesen und über 55 sind.

Auch eine Aufnahme als freiwilliges Mitglied nach § 9 SGB V (mit höheren Beiträgen als bei der KVdR) ist nicht möglich, da Sie auch dort nicht die Voraussetzungen für eine Aufnahme erfüllen:
[quote]Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren[/quote]

Der einzige Weg zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wäre über eine Familienversicherung nach § 10 SGB V, wenn Ihr Ehepartner gesetzlich krankenversichert ist und Sie nur eine sehr niedrige Rente bekommen und keine nennenswerten sonstigen Einnahmen haben. Da § 6 Abs. 3a SGB V (Altersgrenze 55) nur greift, wenn nach 55 eine Pflichtversicherung eintritt, was die Familienversicherung ja nicht ist. Bei einer hauptberuflichen Selbstständigkeit ist die Familienversicherung allerdings ausgeschlossen. Ihr Gesamteinkommen (also nicht nur Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt, sondern auch alle sonstigen nach dem EStG steuerpflichtigen Einkünfte wie z. B. Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung oder sonstigen Einkünfte nach § 22 EStG wie Renten) müssten unter der Grenze liegen. Die Einkommensgrenze beträgt im Kalenderjahr 2022 470 EUR/Monat. Renten werden dabei mit dem Zahlbetrag und nicht nur mit dem steuerpflichtigen Teil berücksichtigt.

Die Kündigung der PKV richtet sich dann nach § 205 Abs. 2 VVG. Bei Eintritt einer Pflichtversicherung in der GKV oder einer Familienversicherung ist innerhalb von drei Monaten noch eine rückwirkende Kündigung zum Zeitpunkt des Beginns der Versicherung in der GKV möglich. Sofern der Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Monaten der PKV die Versicherung in der GKV nachweist. Ansonsten kann die Versicherung danach nur noch zum Ende des Monats gekündigt werden, in dem der Versicherungsnehmer der PKV die Versicherung in der GKV nachweist.

Leider kann ich Ihnen keine positivere Auskunft geben.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Haeske, Rechtsanwältin


Rückfrage vom Fragesteller 2. Februar 2022 | 14:28

Sehr geehrte Frau Haeske,

ich habe sie deshalb erfüllt, weil meine vier Kinder, also 12 Jahre, angerechnet worden sind. Weiterhin erhalte ich eine Hinterbliebenenrente, da meine Frau 1997 verstorben ist.

Benötigen Sie die Unterlagen trotzdem? Wie soll ich sie übermitteln, Fax oder mail?

MfG

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. Februar 2022 | 14:45

Ja, schicken Sie mir bitte die Unterlagen. Ich habe Ihnen soeben eine E-Mail geschickt.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Haeske, Rechtsanwältin

Ergänzung vom Anwalt 2. Februar 2022 | 12:09
Korrektur: "Wenn jemand regelmäßig mehr als einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt, so wird eine hauptberufliche Selbstständigkeit vermutet." muss richtig heißen "Wenn jemand regelmäßig [b]mindestens[/b] einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt, wird eine hauptberufliche Selbstständigkeit vermutet."
Ergänzung vom Anwalt 2. Februar 2022 | 13:48
Könnten Sie mir die Schreiben der GKV und die Berechnung der Vorversicherungszeiten übermitteln? Wann waren Sie zuletzt in der GKV? Die Vorversicherungszeit für die KVdR nach § 5 Abs. 5 Nr. 11 SGB 5 ([i]seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums[/i]) ist i.d.R. eigentlich nur dann erfüllt, wenn jemand in den letzten fünf Jahren auch zumindest zeitweise in der GKV war. Gab es in den letzten fünf Jahren schon einmal einen Rentenantrag bei der gesetzlichen Rentenversicherung, der abgelehnt wurde?
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