Familienrecht Wohnrechtsentzug

| 27. Juli 2025 15:52 |
Preis: 40,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von


12:33
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

meine Anfrage ist eher theoretischer Natur, die Antwort ist aber dennoch sehr wichtig für mich:

Ich war (leider) 7 Jahre lang mit einer Alkoholikerin verheiratet, die schon am Beginn unserer (schwangerschaftsbedingten) Ehe etwas zu viel trank. Unsere ältere Tochter musste daher vorwiegend von meine Schwiegereltern versorgt werden. Als 2 Jahre später eine weitere Tochter folgte, war meine Mutter „dran". Fast ein Jahr später konnte ich dann eine Wohnung in unmittelbarer Nachbarschaft meiner Arbeitsstelle mieten und versuchte nun (leider vergebens) doch noch ein geordnetes Familienleben herzustellen, indem ich regelmäßig in der Mittagspause daheim nach dem Rechten sah und bei Bedarf auch zwischenzeitlich für Ordnung sorgte.
Dadurch fühlte sich meine Frau „bevormundet" und trank folglich noch mehr. Schließlich wurde sie tags volltrunken von der Polizei aufgegriffen und mit Hilfe eines Psychiaters in eine geschlossene Abteilung zur „Entgiftung" eingewiesen.

Leider befolgte sie auch den Rat der dortigen Ärzte nicht, eine reguläre Entziehungskur zu beantragen. Sie musste schließlich in ihr Elternhaus entlassen werden. Das Jugendamt teilte mit, dass ihr die Kinder ohne erfolgreiche Kur (mit anschließender Bewährungszeit) keinesfalls mehr
überlassen werden dürften.

In der Zwischenzeit war meine Mutter eingesprungen und es war ihr sogar gelungen, eine liebevolle Kinderbetreuerin zu engagieren. Das missfiel aber meiner Frau, die daraufhin (gegen meinen Willen) in die eheliche Wohnung zurückkehrte und bald darauf auch die Betreuerin wieder vergraulte. Einer Wegnahme der Kinder durch das Jugendamt konnten wir nur dadurch zuvorkommen, dass meine Mutter sie rasch zu sich nahm.

Nach zwei weiteren „Entzügen" mit jeweils anschließendem Rückfall reichte ich schließlich die Scheidung ein und stellte einen erfolgreichen Sorgerechtsantrag. Erst Jahre später hat meine „Ex" dann eine erfolgreiche Kur durchgeführt. Meine Mutter hat mir aber stets vorgeworfen, dass ich schon nach dem ersten „Entzug" hätte „konsequent" sein müsse. Ich hätte die Rückkehr meiner Frau mit allen Mitteln verhindern müssen, notfalls durch den Einbau eines neuen Türschlosses. Dadurch wären den Kindern wenigstens drei weiter Jahre mit teils sehr unerfreulichen Erlebnissen erspart worden

Hierauf bezieht sich nun meine Frage: Hätte ich das überhaupt gedurft?
Meine Frau stand ja gleichberechtigt im Mietvertrag!
Hätte die Androhung des Jugendamtes ausgereicht, um ihr (zumindest bis zur erfolgreichen Durchführung einer Kur) den Zugang zur ehelichen Wohnung wirksam zu verwehren?
27. Juli 2025 | 16:23

Antwort

von


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Einen schönen Sonntag,

Sie standen in einer sogenannten Bruchteilsgemeinschaft an dem Mietgebrauch nach § 540 Abs. 1 BGB gleichberechtigt neben Ihrer Frau, sodass Sie ihr ohne deren Einverständnis nicht einfach den Zutritt verwehren durften. Selbst wenn Sie den Wohnungsschlüssel ausgetauscht und das Schloss gewechselt hätten, wäre das nach ständiger Rechtsprechung – etwa des Bundesgerichtshofs – rechtswidrig gewesen, da dies einer vertragsfremden Gebrauchsbeeinträchtigung gleichkäme und Ihre Frau nach § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen ihren Willen nicht von der Wohnung ausgeschlossen werden darf.

Ein solcher Ausschluss wäre nur im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens gegen häusliche Gewalt unter dem Gewaltschutzgesetz denkbar gewesen. Dort kann das Familiengericht auf Antrag einer gefährdeten Person anordnen, dass der andere Ehegatte die Wohnung nicht betreten darf, und den Polizeivollzugsbeamten ermächtigen, diesen Ausschluss durchzusetzen. Dies setzt jedoch voraus, dass von Ihrer Frau eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Gesundheit ausgeht und dies nachgewiesen wird – reiner Alkoholmissbrauch ohne akute Gewalthandlungen genügt hierfür in der Regel nicht.

Die Androhung des Jugendamtes, die Kinder im Falle nicht erfolgreicher Therapie nicht an die Mutter zu überlassen, begründet dagegen keinen Wohnrechtsentzug. Diese Maßnahme betrifft das Sorge‑ und Umgangsrecht nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch und stellt keine mietrechtliche Grundlage dar, um den Zugang zur Wohnung zu verwehren. Eine Erfolg versprechende Strategie, Ihre Frau an der Rückkehr in die Ehewohnung zu hindern, hätte nur in einem parallelen schutzrechtlichen Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz bestanden, in dem Sie eine einstweilige Verfügung erwirkt hätten. Ohne einen solchen Gerichtsbeschluss blieb Ihnen nach deutschem Recht jedoch nur, sich bei Ihren Schwiegereltern oder im Jugendamt weiter um die Kinderbetreuung zu kümmern, aber nicht, Ihre Frau aus der Wohnung auszusperren.

Viele Grüße


Rückfrage vom Fragesteller 28. Juli 2025 | 11:38


Vielen Dank!
So etwa habe ich das auch als Laie befürchtet. Meine Frau war zum Glück nie gewalttätig gegen die Kinder.
Sie hat aber durch ihren Alkoholismus einen sehr negativen Einfluss auf die Kinder gehabt und auch die Betreuerin vergrault. Kann man dagegen gar nichts tun?

Später habe ich eine Wohnung allein (ohne sie als offizielle Mitmieterin) gemietet. Hätte ich sie da (theoretisch) ausschließen können? Oder hätte sie (solange sie noch nicht geschieden war) auch dort erzwingen können, dass ich sie (als Ehefrau) hineinlasse?

MfG

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 28. Juli 2025 | 12:33

Gerne!
Zunächst zur Frage des späteren allein abgeschlossenen Mietvertrags:
Wenn Sie eine Wohnung allein angemietet haben, in der Ihre Ehefrau nicht im Mietvertrag stand, haben nur Sie das formelle Mietrecht an dieser Wohnung. In diesem Fall hätten Sie das alleinige Besitzrecht an der Wohnung gehabt, und Ihre Ehefrau hätte daraus kein automatisches Wohnrecht herleiten können – auch nicht allein durch den Status als Ehefrau.

Solange die Ehe zwar noch bestand, Sie jedoch getrennt gelebt haben, besteht rechtlich keine Verpflichtung, der Ehepartnerin Zutritt zu Ihrer neuen Wohnung zu gewähren. Das sogenannte "eheliche Wohnrecht" bezieht sich nur auf die gemeinsame Ehewohnung, also auf die Wohnung, in der die Ehegatten zusammen gelebt haben. In Ihrer allein angemieteten Wohnung wäre das nicht einschlägig gewesen. Ihre Frau hätte also nicht erzwingen können, dort aufgenommen zu werden oder Zutritt zu erhalten – erst recht nicht gegen Ihren Willen.

Wenn Sie Ihr ausdrückliches Einverständnis zur Mitnutzung der neuen Wohnung nicht gegeben haben, bestand für Ihre Frau keine rechtliche Möglichkeit, sich dort niederzulassen oder einen Anspruch auf Einlass geltend zu machen. Auch § 1353 BGB, der die allgemeine eheliche Beistandspflicht regelt, hätte in einer Situation des dauerhaften Getrenntlebens keine Grundlage dafür geboten, gegen Ihren erklärten Willen Zutritt zu Ihrer allein angemieteten Wohnung zu fordern.

Anders sähe es nur aus, wenn Ihre Frau dort bereits mit eingezogen wäre und Sie dem ausdrücklich zugestimmt hätten – dann hätte sie möglicherweise ein sogenanntes "Mitnutzungsrecht" erlangt, das man nicht ohne Weiteres durch Aussperren beenden darf. Aber in der von Ihnen geschilderten Konstellation – alleiniger Mieter, keine gemeinsame Nutzung – hätten Sie sie wohl rechtmäßig von der Wohnung ausschließen dürfen.

Zum Einfluss Ihrer Frau auf die Kinder durch ihren Alkoholismus: So belastend dieser Umstand auch war – das Familienrecht greift erst dann regulierend ein, wenn eine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt. Eine solche kann auch ohne körperliche Gewalt vorliegen, etwa durch Vernachlässigung, Verwahrlosung, emotionale Destabilisierung oder gefährliches Verhalten unter Alkoholeinfluss. In solchen Fällen kann das Familiengericht Maßnahmen ergreifen, etwa durch Einschränkungen des Umgangsrechts oder – wie in Ihrem Fall – durch Entzug des Sorgerechts. Der alleinige Umstand des Alkoholmissbrauchs reicht aber nur dann aus, wenn sich daraus auch eine ernsthafte und nachweisbare Beeinträchtigung des Kindeswohls ergibt. Die Einschätzung des Jugendamts, dass Ihre Frau die Kinder nur nach erfolgreicher Therapie wiedersehen darf, war daher rechtlich folgerichtig, allerdings reicht dies eben nicht aus, um damit einen Ausschluss vom Zutritt zur Wohnung durchzusetzen.

Insgesamt zeigt Ihre Schilderung, dass Sie sich in einem schwierigen familiären Umfeld mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein um Stabilität bemüht haben. Ihr späteres Vorgehen, eine eigene Wohnung zu beziehen und das alleinige Sorgerecht zu beantragen, war nicht nur rechtlich, sondern vor allem auch menschlich sehr umsichtig....


Beste Grüße und alles Gute!

Bewertung des Fragestellers 28. Juli 2025 | 14:51

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