Familienname eines Kindes nach US-amerikanischem oder russischem Recht

8. September 2020 14:01 |
Preis: 75,00 € |

Familienrecht


Zusammenfassung

BGH Personenstandssache zum Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. III EGBGB: ausländische Rechtsordnungen, die eine Namensbestimmung für ein minderjähriges Kind in die freie Wahl der sorgeberechtigten Eltern stellen, gelten nicht bei Phantasienamen
[Beschl. v. 09.05.2018 (Az.: XII ZB 47/17)]

Sehr geehrte Anwältin, sehr geehrter Anwalt,

bei uns liegt folgender Sachverhalt vor: ich bin deutscher Staatsbürger. Meine Ehefrau besitzt sowohl die US-amerikanische als auch die russische Staatsbürgerschaft.

Falls es wichtig sein sollte: sie hat durch Eheschließung eine (aktuell bis 2022 befristete, kann danach unbefristet beantragt werden) Aufenthaltserlaubnis für Deutschland, die sich auf ihre amerikanische Staatsbürgerschaft stützt (Antrag auf Niederlassungserlaubnis/Daueraufenthalt EU auf Basis ihrer Erwerbstätigkeit hat sie vor fünf Monaten ebenfalls gestellt, aber es kam noch keine Reaktion von der Ausländerbehörde).

Wir haben im Mai 2019 in Dänemark geheiratet. Unsere jeweiligen Familiennamen haben sich durch die Heirat nicht geändert, und wir haben bislang auch nirgends eine Erklärung über einen Ehenamen abgegeben. Unsere Familiennamen sind beide Einzelnamen, keine Doppelnamen o. Ä. Unser einziger und ständiger Wohnsitz ist Berlin.

Wir erwarten nächsten Monat unser erstes Kind und möchten dem Kind gerne folgenden Familiennamen geben: Familienname der Mutter, gefolgt von einem Bindestrich, gefolgt vom Familiennamen des Vaters. Also ein klassischer Doppelname. Nach deutschem Namensrecht ist das eigentlich nicht möglich, doch erlaubt Art. 10 Abs. 3 EGBGB die Anwendung des Rechts eines anderen Staates, wenn ein Elternteil diesem Staat angehört.

Unser ursprünglicher Plan war, hier auf US-amerikanisches Recht zurückzugreifen, das einen beliebigen Familiennamen erlaubt. Nun haben wir jedoch erfahren, dass eine Entscheidung des BGH (9.5.18, XII ZB 47/17) dazu führe, dass US-amerikanisches Recht nicht benutzt werden dürfe, da gerade dadurch, dass beliebige Namen möglich sind, es sich dann nicht mehr um einen Familiennamen im Sinne des Art. 10 Abs. 3 EGBGB handle.

Wir erwägen deswegen, auf russisches Recht zurückzugreifen. Zwar sind dort keine beliebigen Familiennamen möglich, doch Dank einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2017 ist es dort nun zumindest möglich, einen Familiennamen in der gewünschten Form zu bilden.

Russisches Gesetz im Original: http://skodeksrf.ru/rzd-4/gl-11/st-58-sk-rf
(Offizielle Quelle: http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001201705010017)

Übersetzung Abs. 3: Der Familienname eines Kindes wird durch den Familiennamen seiner Eltern bestimmt. Bei verschiedenen Familiennamen der Eltern erhält das Kind den Familiennamen des Vaters, den Familiennamen der Mutter oder einen doppelten Familiennamen, der durch Kombination der Familiennamen von Vater und Mutter in beliebiger Reihenfolge gebildet wird, sofern die Gesetze der Teilstaaten der Russischen Föderation nichts anderes vorsehen. Die Nachnamen des Vaters und der Mutter dürfen nicht in der Reihenfolge geändert werden, in der die Nachnamen des Vaters und der Mutter bei der Bildung von Doppelnachnamen bei Vollgeschwistern miteinander verbunden sind. Der doppelte Nachname eines Kindes darf aus nicht mehr als zwei Wörtern bestehen, die durch einen Bindestrich verbunden sind.

Wir haben folgende Fragen:

1. Ist es wirklich ausgeschlossen, US-amerikanisches Namensrecht zu benutzen, wenn wir einen Namen in der oben beschriebenen Form bilden wollen?

2. Falls ja, gehen wir recht in der Annahme, dass wir dann russisches Recht in unserem Sinne benutzen können, da dort ja gerade keine beliebigen Familiennamen möglich sind?

3. In welcher Form können wir dem Standesamt (in unserem Fall Berlin-Mitte) die ausländische Rechtslage nachweisen (müssen wir das überhaupt)? Das Bundesinnenministerium bietet im Internet zwar eine Sammlung ausländischen Namensrechts an, doch spiegelt der Eintrag für die Russische Föderation noch die Rechtslage vor o. g. Gesetzesänderung wider (https://www.personenstandsrecht.de/Webs/PERS/DE/rechtsbereiche/sammlung-auslaendischen-namensrechts/kind/functions/glossar.html?cms_lv2=10758678).


Für die Beantwortung bedanke ich mich im Voraus und verbleibe


mit freundlichen Grüßen aus Berlin

A. K.
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Gem. § 1355 Abs. I BGB sollen Ehegatten einen gemeinsamen Familiennamen als Ehenamen bestimmen, sonst führen sie ihren zur Zeit der Eheschließung geführten Namen auch nach der Heirat.

Die Bestimmung des Ehenamens soll bei der Eheschließung erfolgen.
Später muss die Erklärung öffentlich beglaubigt werden § 1355 Abs. III BGB).

Kinder erhalten gem. § 1616ff BGB als
Geburtsnamen bei Eltern mit Ehenamen
den Ehenamen ihrer Eltern als Geburtsnamen (Sie sind aber kinderlos)?

Der einfachste Weg zur Umsetzung des Kindernamens ist es daher, einen entsprechenden Familiennamen zu bestimmen.

Frage 1
Wenn der BGH in einer aktuellen Personenstandssache in dem von Ihnen zitierten Beschluss vom 09.05.2018 (Az.: XII ZB 47/17) zum Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. III EGBGB entschieden hat, dass ausländische Rechtsordnungen, die eine Namensbestimmung für ein minderjähriges Kind in die freie Wahl der sorgeberechtigten Eltern stellen und auch die Erteilung eines sog. Phantasienamens zulassen (konkret australisches Recht), nicht als das auf den Familiennamen anwendbare Recht gewählt werden kann, dann ist das erst mal so.

Die Entscheidung ist veröffentlicht in FamRZ 2018, Heft 16.

Kein Standesamt wird sich darüber hinwegsetzen.

Aber Sie wollen ja keinen Phantasienamen
sonder den Nachnamen der Mutter und den Nachnamen des Vaters mit Strich.
Diese Name ist ein rechtlich möglicher Familienname gem. 1355 Abs. I BGB.

Frage 2
Aus meiner Sicht steht Ihnen die BGH Entscheidung der Anwendung russischen Rechts nicht entgegen, da Sie ja keinen Phantasienamen bilden wollen.

M.E. ist Ihr Vorhaben daher nach beiden Rechtsordnungen zulässig.

Frage 3
Sie haben das Russisches Gesetz bereits hier übersetzt. Legen Sie diese vor und das Original per LINK:
http://skodeksrf.ru/rzd-4/gl-11/st-58-sk-rf
(Offizielle Quelle: http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001201705010017)

Notfalls eine beglaubigte Übersetzung.

Ich hoffe, Ihre Fragen verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Rückfrage vom Fragesteller 8. September 2020 | 20:59

Sehr geehrter Herr Müller-Roden,

vielen Dank für die schnelle Beantwortung meiner Fragen. Sie haben uns schon sehr weitergeholfen. Wahrscheinlich werden wir russisches Recht für den Nachnamen des Kindes benutzen, mit beglaubigter Übersetzung des russischen Gesetzestextes, das erscheint uns aktuell der sicherste Weg, auch weil wir eigentlich keinen Ehenamen führen, sondern unsere alten Namen beibehalten wollen.

Trotzdem bitte ich Sie, noch folgende Punkte Ihrer Antwort klarzustellen:

* Sie schreiben "[…] Sie wollen […] den Nachnamen der Mutter und den Nachnamen des Vaters mit Strich. Diese Name ist ein rechtlich möglicher Familienname gem. 1355 Abs. I BGB." Ich fürchte, diese Aussage ist nach deutscher Rechtsordnung nicht korrekt, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Der Ehename aus Abs. I ist ja laut Abs. II der Name *eines* Ehegatten, und nicht beider. Oder vielleicht meinten Sie, wir bestimmen den Ehenamen nach ausländischem Recht (und wenden dann für das Kind ganz normal § 1616 BGB an)?

* Sie schreiben "M.E. ist Ihr Vorhaben daher nach beiden Rechtsordnungen zulässig." Welche Rechtsordnungen meinen Sie mit "beiden"? Die amerikanische und russische? Oder die deutsche und russische? (Nebeninfo: wir haben inzwischen von Fällen aus dem weiteren Bekanntenkreis gehört, wo Standesämter die Nutzung amerikanischer oder auch britischer Rechtsordnung (wo prinzipiell Phantasienamen möglich sind) auch bei klassischen Doppelnamen (keine Phantasienamen) abgelehnt haben. Ob diese Standesämter richtig liegen oder die BGH-Entscheidung zu streng auslegen vermag ich freilich nicht zu sagen.)

Vielen Dank!


Mit freundlichen Grüßen

A. K.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 8. September 2020 | 22:51

Sie haben Recht, ich meinte Frauenname (nicht Familienname):

Gem. § 1355 Abs. IV S. 1 BGB kann der
Ehegatte, dessen Name nicht Ehename wird, kann durch Erklärung gegenüber dem Standesamt dem Ehenamen seinen Geburtsnamen oder den zur Zeit der Erklärung über die Bestimmung des Ehenamens geführten Namen voranstellen oder anfügen.

So kann die Frau ihren Familiennamen gefolgt von einem Bindestrich gefolgt vom Familiennamen des Vaters bestimmen.

Gem. 1616 BGB erhält ein Kind als Geburtsnamen den Ehenamen seiner Eltern.

Gem. § 1617 Abs. I S. 1 BGB können Eltern ohne Ehenamen mit gemeinsamer elterlicher Sorge durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes bestimmen.

Nach Geburt des Kindes (§ 1616 BGB greift dann nicht) können Sie Ihren Familiennamen bestimmen und den Namen der Frau wie oben festlegen und dann gem. § 1617 Abs. I S. 1 BGB analog den Namen des Kindes wie gewünscht bestimmen.

Denn dieser Fall ist m. E. nicht geregelt.

Ja: Mit "nach beiden Rechtsordnungen zulässig" meinte ich die amerikanische und russische.

Und leider muß ich Ihnen zustimmen,
dass manche Standesämter furchtbar stur sind und die BGH-Entscheidung (zu) streng und einseitig auslegen.

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