Antwort
vonRechtsanwalt Patrick Inhestern
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Ihre Frage beantworte ich aufgrund des mitgeteilten Sachverhaltes wie folgt:
Die Sittenwidrigkeit ist in § 138 BGB geregelt. Nach dessen Satz 1 ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Bei gewerblichen Kreditverträgen kann sich die Sittenwidrigkeit aus einer im Vergleich zum Marktpreis überhöhten Verzinsung ergeben. Da Ihr Mann aber kein gewerblicher Kreditgeber ist, scheidet eine Sittenwidrigkeit unter diesem Aspekt aus. Auch Ihre wirtschaftliche Überforderung kann eine Sittenwidrigkeit der Kreditverträge nicht begründen. Hier sagt die Rechtsprechung, dass der Schuldner die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit selbt kenn muss. Sie nimmt demgemäß eine Sittenwidrigkeit von Darlehensverträgen selbst dann nicht an, wenn die zu leistenden Raten höher sind als das pfändbare Einkommen. Aus der hohen Kreditsumme und Ihrer dieser Summe gegenüberstehenden geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lässt sich damit ein Verstoß gegen § 138 BGB nicht allein ableiten.
Eine Sittenwidrigkeit kann sich aus dem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergeben. Ein solches grobes Missverhältnis setzt in der Regel voraus, dass der Wert der Leistung den der Gegenleistung mehr als 100 Prozent übersteigt: Wenn Sie tatsächlich 325.000 € Darlehenssumme erhalten haben, und nun 400.000 € zurückzahlen müssen, fehlt es an diesem krassen Missverhältnis. Wenn Sie Grundbucheintragung in irgendeiner Form gekoppelt an die Darlehensverträge erhalten haben, fehlt es ebenso an dem krassen Missverhältnis ( 275.000 € zu 400.000.) Wenn Sie dagegen die Grundbucheintragung unabhängig vom Darlehensvertrag erhalten haben, und es zu einer Auszahlung des Darlehens nicht gekommen ist, dann würde ich eine Sittenwidrigkeit bejahen, denn in diesem Fall wäre einerseits der Wert des Hauses unabhängig von den Darlehensverträgen zubetrachten , andererseits wäre zu betrachten, was Ihnen damals als Leistung ausgezahlt worden ist. Wenn Sie also die Darlehenssumme nie erhalten haben, und jetzt 400.000 € zahlen sollen, liegt zweifellos ein krasses Missverhältnis vor. Dann wäre eine Sittenwidtigkeit zu bejahen.
Schließlich kann sich hier aus dem Gesamtcharakter heraus eine Sittenwidrigkeit ergeben. Bei der Prüfung einer derartigen Sittenwidrigkeit sind das Rechtsgeschäft als solches, die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, sowie die Motive und Absichten der Parteien zu betrachten. Das von Ihnen beschriebene Geschäft würde ich als unter Ehegatten eher unüblich bezeichen, ebenso war es nicht erforderlich zur Sicherung der Eigenheimzulage, auch gegen Ihren Todesfall wären andere Alternativen denkbar gewesen. Weiterhin spicht die falsche Angabe Ihres Mannes, er sei Arzt, auch für eine verwerfliche Gesinnung. Berücksichtigenswert ist auch der Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Darlehensvertrages, nämlich kurz nach Geburt des Kindes. Und abschließend zu berücksichtigen sind natürlich die erheblichen Nachteile, die Sie haben, und die erheblichen Vorteile, die Ihr Mann hat.
Zusammenfassend teile ich Ihnen daher mit, dass ich nach der von Ihnen vorgenommenen Schilderung die Darlehensverträge für sittenwidrig halte. Die Sittenwidrigkeit ist aber ein unbestimmter Rechtsbegriff, was für Sie bedeutet, dass ein Gericht die Frage letztlich anders beurteilen kann. Negativ ins Gewicht fallen kann dann in der Tat noch der Umstand, dass Sie Bankkauffrau sind: jedenfalls lässt dieser Umstand nicht gerade aungeschäftliche Unerfahrenheit schließen. Letztlich bedarf einer genauere Beurteilung der Sittenwidrigkeit zwingend auch der Sichtung der Veträge.
Sollte das Gericht nicht von einer Sittenwidrigkeit ausgehen, würde ich mich an Ihrer Stelle weiterhin auf Nichtigkeit des Vetrages nach § 117 I BGB berufen. Danach ist eine Willenserklärung, die im Einverständnis mit dem Erklaärungsempfänger, nur zum Schein abgegeben worden ist, nichtig. Für ein Scheingeschäft spricht insbesonders, wenn die Darlehenssumme nicht ausgezahlt worden ist, und auch keine Raten rückgezahlt worden sind, und diesbezüglich auch keine Mahnungen erfolgt sind.
Sollte das Gericht sich auch davon nicht überzeugen lassen, würde ich mich hinsichtlich der rückzuzahlenden Darlehenssumme auf Verwirkung berufen, weil die Darlehensraten nicht eingefordert worden sind.
Hinsichtlich etwaiger gemeinsam unterzeichneter Kredite gilt: sind Sie gleichberechtigter Darlehensnehmer gelten die oben genannten Grundsätze, sind Sie dagegen Bürge wird die Sittenwidrigkeit in engeren Grenzen bejaht. Soweit Sie gebürgt haben, sollten Sie diese Bürgschaften vorsichtshalber alle mit dem Hinweis auf die vorgetäuschte Berufstätigkeit Ihres Mannes wegen Täuschung anfechten. Dies sollten Sie sofort tun.
Ich hoffe, Ihre Frage ist zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet.
Mit freundlichem Gruß
Patrick Inhestern
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Inhestern,
vielen Dank für Ihre ausführliche Beantwortung meines Anliegens. Geld ist tatsächlich keines geflossen, ich bin als Gegenleistung nur hältiger Miteigentümer des Hauses geworden, worin ich für mich allerdings keinen Vorteil sehe, wie Sie schon sagten, die Vorteile liegen eindeutig auf Seiten meines Mannes. Da ich mich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen habe, kann mein Mann ja jederzeit ohne vorherige Gerichtsverhandlung in mein noch vorhandenes Vermögen ( Auto, Warenbestand... ) pfänden, und mir damit meine Existenz ruinieren, was kann ich also tun, um dies zu verhindern?
Recht herzlichen Dank für Ihre erneute Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Nachfrage beantworte ich wie folgt:
Zunächst können Sie Vollstreckungsabwehrklage erheben. Diese ist bereits, ohne dass hie Mann mit der Zwangsvollstreckung begonnen hat, zulässig. Sie können Sie also sofort erheben. Maßgeblich ist, dass ein Zwangsvollstreckungstitel vorliegt, und das ist hier der Fall. Die Vollstreckungsabwehrklage bringt Sie in eine Situation, die vergleichbar der Situation im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren. So haben Sie die Möglichkeit,hinsichtlich der geltend gemachten Forderung die oben erläuterte Sittenwidrigkeit einzuwenden.
Daneben können Sie - sobald Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet sind - Anträge auf Schuldnerschutz stellen. So können Sie möglicherweise die Pfändung von Auto, Konto, Einkommen und Warenbeständen verhindern.
Ich hoffe, Ihre Nachfrage ist zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet.
Mit freundlichem Gruß
Patrick Inhestern
Rechtsanwalt