Abmahnung wegen einer angeblichen Arbeitsverweigerung

5. August 2025 13:15 |
Preis: 51,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von


17:43

Guten Tag,

ich befinde mich ein einem befristeten Tarif-Angestelltenverhältnis. Es endet zum 28.2.26.
Ich wurde als Sachbearbeiter IT/ERP eingestellt. Zu den Aufgaben gehört die Stammdaten-Erfassung ins ERP-System und Mithilfe bei der Optimierung der ERP-Software (Meldung von Fehlern, Kommunikation mit dem ERP-Hersteller, Update-Tests, etc.)
Weil der Abteilungsleiter aus meinem CV erkennen konnte, dass ich über Erfahrung in der Software-Entwicklung verfüge (ich bin studierter Wirtschafts-Informatiker mit 30 Jahren Entwicklungs-Erfahrung), machte er wiederholt beim ersten Bewerbungs-Gespräch und während der Vertrags-Unterzeichnung den Vorschlag mir andere, höherwertige Aufgaben zu übertragen und sicherte mir eine Tarifgruppen Hochstufung zu. Zu welchem Zeitpunkt diese Hochstufung erfolgen sollte, sagte er nicht.

Seit der Einstellung zum 1.3.25 erledige ich ausschließlich andere, höherwertige Aufgaben. Ich habe ein internes Ticket-System erstellt, Strategie-Meetings mit Geschäftsführern vorbereitet und geleitet, codiere Datenbank-Skripte, bin in Entwickler-Meetings, entwickle eine Datenbank-Auswertung mit einen Low-Code-Tool, kümmere mich um Schnittstellen-Integration und erstelle IT-Konzepte.

Eine Tarif-Hochstufung hat es bis jetzt nicht gegeben.

Weil mir zwar die Arbeit zusagt und auch erfolgreich ist, mir aber die Unternehmens-Umgebung nicht gefällt, werde ich den Vertrag nicht verlängern und suche eine neue Stelle. Aus diesem Grund habe ich meinem Abteilungsleiter vor meinem Urlaub am 25.7.25 mitgeteilt, dass ich ab 1.8.2025 nur noch Aufgaben übernehme und erledige, die meiner ursprünglichen Stellenbeschreibung entsprechen.

Mein Abteilungsleiter droht nun mit Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung.
Für morgen hat er zu einem Termin mit der Personalabteilungs-Leiterin eingeladen.

Liegt mein Abteilungsleiter mit seiner Sicht richtig?

Freundliche Grüße

5. August 2025 | 13:58

Antwort

von


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Guten Tag ,

vielen Dank für Ihre ausführliche Schilderung. Die rechtliche Einordnung zu Ihrem Fall gestaltet sich wie folgt:



1. Grundsatz der Arbeitsleistungspflicht

Sie sind verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Arbeit zu leisten (§ 611 BGB). Dabei gilt grundsätzlich, dass der Arbeitgeber Weisungen zur konkreten Ausgestaltung der Arbeit erteilen darf (§ 106 Gewerbeordnung, ArbG Weisungsrecht).



2. Stellenbeschreibung und tatsächliche Tätigkeit
• Auch wenn in Ihrem Arbeitsvertrag eine bestimmte Stellenbeschreibung (Sachbearbeiter IT/ERP) genannt ist, kann der Arbeitgeber – insbesondere bei qualifizierten Arbeitnehmern – Ihnen auch andere, zumutbare Aufgaben übertragen, die Ihrer Qualifikation entsprechen oder die im Rahmen des Arbeitsvertrags stehen.
• Das umfasst auch höherwertige Tätigkeiten, die Ihr Vorgesetzter Ihnen aufgrund Ihrer Erfahrungen und Fähigkeiten übertragen hat.
• Die von Ihnen tatsächlich erbrachte Tätigkeit spricht dafür, dass Ihr Arbeitsvertrag insoweit eine gewisse Flexibilität zulässt.



3. Anspruch auf Tarifgruppen-Hochstufung
• Eine mündliche Zusage Ihres Vorgesetzten zur Hochstufung ist zwar rechtlich nicht ausgeschlossen, aber nur verbindlich, wenn klar erkennbar ist, dass es sich um eine verbindliche Vereinbarung handelt.
• Ohne eine schriftliche Fixierung oder weitere Konkretisierung besteht kein automatisch durchsetzbarer Anspruch.
• In jedem Fall ist die Hochstufung unabhängig von der Leistungserbringung; sie stellt eine eigenständige Vergütungsfrage dar.



4. Arbeitsverweigerung und Abmahnung
• Ihre Entscheidung, nur noch Tätigkeiten gemäß der ursprünglichen Stellenbeschreibung zu übernehmen, könnte als Arbeitsverweigerung gewertet werden, wenn die vom Arbeitgeber zugewiesenen Aufgaben zumutbar und im Rahmen des Vertrags liegen.
• Eine Abmahnung ist in diesem Fall grundsätzlich möglich und rechtlich zulässig, wenn die Arbeitsverweigerung unbegründet ist.
• Da Sie durch die Leistung höherwertiger Tätigkeiten faktisch Ihren Vertrag erfüllt haben, ist Ihre Zurücknahme dieser Leistungen ohne Zustimmung des Arbeitgebers problematisch.



5. Empfehlung für das Gespräch
• Bleiben Sie sachlich und erläutern Sie, dass Sie aufgrund der ausstehenden Tarifgruppen-Hochstufung die Aufgaben entsprechend der ursprünglichen Stellenbeschreibung übernehmen.
• Machen Sie deutlich, dass Sie weiterhin bereit sind, Ihre vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen.
• Prüfen Sie, ob eine schriftliche Regelung zur Hochstufung getroffen werden kann.



6. Fazit

Ihr Abteilungsleiter liegt aus arbeitsrechtlicher Sicht mit der Drohung einer Abmahnung richtig, sofern die von ihm übertragenen Aufgaben Ihrer Qualifikation entsprechen und zumutbar sind. Ihre einseitige Beschränkung der Arbeitsleistung kann eine Pflichtverletzung darstellen.

7. Sie könnten aber thematisieren, von welchen Arbeiten der Arbeitgeber glaubt, dass diese in der. Vergangenheit.zum regulären Vertragsinhalt durch bloßes Ausführen wurden. In einer Abmahnung müsste nämlich der Arbeitgeber darlegen, ob und welche Arbeiten Sie genau verpflichtet sind, vertraglich zu erbringen.

Mit freundlichen Grüßen
RA Wilke


Rückfrage vom Fragesteller 5. August 2025 | 17:29

Guten Tag Herr Wilke,

Vielen Dank für Ihre umfängliche Antwort.

In meinem Vertrag steht:

"Der AN verpflichtet sich, alle Arbeiten zu übernehmen, die üblicherweise von einem Mitarbeiter der Verwaltung erledigt werden."

und

"Der AG behält sich vor, dem AN im Rahmen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten anstelle dieser Aufgaben oder neben ihnen andere gleichwertige Tätigkeiten zu übertragen."

Gleichwertige Tätigkeiten. Verwaltung ist nicht Software-Entwicklung.
Wie sieht die Sache jetzt aus?

Sie schreiben: "..ln jedem Fall ist die Hochstufung unabhängig von der Leistungserbringung..."
Wie ist das zu verstehen?

Nur weil ich doch eine höherwertige Leistung erbringe, kann ich hochgestuft werden. Dafür gibt es ja die unterschiedlichen Tarifgruppen.

Zwischen den Leistungen eines Software-Entwicklers und eines Stammdaten-Pflegers gibt es eine AT-Entgeld-Lücke von bis zu 40.000 €.

Ich habe die höherwertigen Tätigkeiten ausgeübt weil mir eine Tarif-Hochstufung in Aussicht gestellt wurde.

Wir dürfen eins nicht unbeachtet lassen: Der Abteilungsleiter hat mir heute zu verstehen gegeben, dass der Vertrag (auch) von seiner Seite nicht verlängert werden wird. Ich soll also 12 Monate eine höherwertige Arbeit verrichten (und fertigstellen, nur darauf kommt es dem AG ja an) ohne entsprechendes Entgelt und ohne Übernahme?

Ihren Rat zum Gespräch werde ich beherzigen, Danke dafür.

Bitte noch bis morgen 8 Uhr beantworten :)

Grüße






Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 5. August 2025 | 17:43

Guten Morgen,

Ihre Rückfrage bringt zwei wesentliche Punkte auf den Tisch: die Reichweite der Versetzungsklausel („gleichwertige Tätigkeiten") und die Frage, ob Ihre höherwertige Tätigkeit ohne Hochstufung rechtlich durchsetzbar ist.



1. Versetzungsklausel: „gleichwertige Tätigkeiten"

Die Vertragsklausel erlaubt Ihrem Arbeitgeber, Ihnen gleichwertige Tätigkeiten zu übertragen.
• Verwaltungstätigkeiten und Software-Entwicklung sind qualitativ und vergütungsrechtlich deutlich unterschiedlich.
• Die Zuweisung von Softwareentwicklungsaufgaben dürfte damit über den Rahmen der Versetzungsklausel hinausgehen, weil sie keine bloße gleichwertige Tätigkeit darstellt, sondern eine höherwertige.
• Einseitig kann der Arbeitgeber Sie daher nicht dauerhaft in der Softwareentwicklung einsetzen, ohne die vertragliche Grundlage zu überschreiten.

Das bedeutet: Ihre Entscheidung, sich wieder auf die originäre Stellenbeschreibung zu beschränken, ist rechtlich gut begründbar.



2. Zusammenhang zwischen höherwertiger Tätigkeit und Hochstufung

Wenn Sie Aufgaben aus einer höheren Tarifgruppe übernehmen, folgt daraus nicht automatisch ein Anspruch auf Höhergruppierung.
• Der Arbeitgeber darf Ihnen solche Aufgaben nicht dauerhaft zuweisen, ohne auch die Eingruppierung anzupassen.
• Tun Sie die höherwertigen Aufgaben freiwillig, bleibt es bei der bisherigen Vergütung, solange keine schriftliche Zusage oder tarifliche Eingruppierungsregel das Gegenteil vorsieht.
• Aber: Wenn Ihnen die höherwertigen Aufgaben weisungsgebunden übertragen wurden und Sie diese über einen längeren Zeitraum erledigen, kann ein Anspruch auf tarifgerechte Eingruppierung entstehen (§ 611a BGB i.V.m. dem einschlägigen Tarifrecht).

Ihre Argumentation ist damit nachvollziehbar: Sie haben die höherwertigen Aufgaben nur übernommen, weil eine Hochstufung zugesagt wurde.



3. Praktische Konsequenz
• Sie können im Gespräch sachlich darauf hinweisen, dass Sie ab 1.8. wieder Tätigkeiten gemäß Vertrag erbringen werden, weil keine Hochstufung erfolgt ist und der Vertrag ohnehin nicht verlängert wird.
• Eine Abmahnung wegen „Arbeitsverweigerung" hätte wenig Aussicht auf Bestand, wenn Sie sich auf den Wortlaut der Versetzungsklausel berufen.
• Falls der Arbeitgeber dennoch Druck aufbaut, sollten Sie sich ggf. schriftlich absichern und im Zweifel über den Betriebsrat oder eine rechtliche Vertretung agieren.




Ihre Position ist also insgesamt rechtlich gut vertretbar: „Gleichwertige Tätigkeiten" bedeutet nicht „deutlich höherwertige Aufgaben wie Software-Entwicklung". Sie können also rechtmäßig zur ursprünglichen Tätigkeitsbeschreibung zurückkehren, wenn keine Hochstufung vereinbart oder umgesetzt wird.

Mit freundlichen Grüßen
RA Wilke

ANTWORT VON

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