Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, sehr geehrte Frau Rechtsanwältin,
ich bin Wohnungseigentümer in einer Reihenhaussiedlung aus den 40er Jahren in Kiel, Elmschenhagen-Nord ('Gartenstadt Elmschenhagen'). Für dieses Wohngebiet existiert seit 2010 ein Bebauungsplan. (Den Bebauungsplan können Sie direkt aufrufen unter: https://ims.kiel.de/extern/bplaene/974.pdf ).
In diesem Bebauungsplan wird ein Netz von Gehwegen, das die gesamte Siedlung durchzieht, wörtlich bezeichnet mit: 'Mit Gehrechten zugunsten der Anlieger (....) zu belastende Flächen'. Wenn ich den Ausdruck 'zu belasten' nach meinem Sprachverständnis interpretiere, dann gibt der Bebauungsplan lediglich eine Handlungsanweisung vor ('was zu tun ist'). Damit allein ist aber die Handlung noch nicht getan. Man kann aus der sprachlich in die Zukunft gerichteten Ausdrucksweise 'zu belasten' sogar den Rückschluss auf eine gegenwärtige Lastenfreiheit ziehen. Zur Verdeutlichung ein Vergleich: Fenster, die 'zu putzen sind', sind gegenwärtig ungeputzt und erfordern eine Handlung in naher Zukunft. Wenn die Handlung ausbleibt, verbleiben sie im ungeputzten Zustand, sprich: Wenn die 'zu belastende' Fläche niemals belastet wird, verbleibt sie im unbelasteten Zustand.
Das Netz von Gehwegen durchzieht die gesamte Siedlung und auch auf unserem Grundstück befinden sich solche Wege, die unsere Nachbarn nutzen. Es gibt keinen diesbezüglichen Grundbucheintrag in meinem Grundbuchblatt und keinen Eintrag im Baulastenverzeichnis unseres Grundstücks. Eine vertragliche Vereinbarung mit Nachbarn fehlt in der Beschlusssammlung unserer Eigentümergemeinschaft.
Existiert in diesem Fall bereits ein durchsetzbares Wegerecht allein aus dem Bebauungsplan heraus?
Vielen Dank für Ihre Antwort
und freundlichen Gruß,
eine solche Festsetzung von Wegerechten beruht auf § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB. Hierzu gilt:
Festsetzungen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB begründen zwar noch nicht selbst und unmittelbar Geh-, Fahr- und Leitungsrechte und damit auch noch keine entsprechenden Duldungspflichten, sie schaffen aber die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen, damit solche Rechte auf den festgesetzten Flächen – z.B. durch Einräumung von Dienstbarkeiten – begründet werden könnten. Eine Festsetzung dieser Art kann – öffentlich-rechtliche – Grundlage sein, um das Grundstück zur Begründung eines solchen Rechts (etwa unter Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit im Grundbuch des im Privateigentum verbleibenden Grundstücks) notfalls im Enteignungswege in Anspruch zu nehmen. (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 24. Juni 2020 – 15 N 19.442 –, Rn. 20, juris).
Aus den Festsetzungen selbst folgt also noch kein durchsetzbares Wegerecht.
Mit besten Grüßen
Rechtsanwalt Martin Schröder
Rückfrage vom Fragesteller15. Februar 2025 | 16:02
Danke für Ihre rasche Antwort,
meint der Ausdruck 'zu belastende Fläche' seinem Sinn und seiner Auswirkung nach dann also eigentlich in erster Linie das Verbot oder die Unmöglichkeit, ein Wegerecht auf einer anderen als der bezeichneten Fläche zu vereinbaren?
Gruß,
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt15. Februar 2025 | 16:04
Die Festsetzung gilt nur für die Fläche, für die sie getroffen ist. Auf anderen Flächen kommt es darauf an, ob dort entgegenstehende Festsetzungen getroffen sind.
Herr Burgmer hat meine Frage gut beantwortet, auch wenn eine abschließende Beurteilung, wie er schreibt, erst mit einer Prüfung des konkreten Vertragsentwurfs möglich ist. Für eine Ersteinschätzung bin ich jedoch im Rahmen des ... ...