Biografie schreiben mit anonymisierten Namen - was muss ich beachten?

11. Oktober 2024 14:33 |
Preis: 40,00 € |

Urheberrecht, Markenrecht, Patentrecht


Beantwortet von

Hallo zusammen,

ich habe schon immer gerne geschrieben, Gedichte, Kurzgeschichten etc.
Aktuell bin ich durch eine sehr schlimme Trennung gegangen und meine Psychologin hat mir den Tipp gegeben, meine Energie in etwas Neues zu stecken.
Ich würde anderen Leuten in einer ähnlichen Situation gerne Mut machen und würde mal alles aufschreiben, was mir passiert ist, wie ich damit umgegangen bin und was ich gelernt habe.

Es gab drei lange Beziehungen in meinem Leben. Nun wäre meine Frage: ich kann natürlich nicht meine Eltern anonymisieren, weil es eben zwei bestimmte Leute sind, aber wie sieht es mit Ex-Freunden aus? Wenn ich bspw. darüber schreibe, dass ich mit irgendwann in einen Kollegen verliebt habe, der später mein Freund wurde und ich nenne ihn im Buch unter einem anderen Namen: Leute, die uns kennen, wissen natürlich, wer gemeint ist. Gibt es einen Trick, wie ich auf jeden Fall schreiben kann, was mir passiert ist? Ich würde niemanden beleidigen und auch nicht angreifen, aber die eine oder andere Story (natürlich aus subjektiver Sicht) stellt die andere Person nicht unbedingt positiv dar. Bspw. dass er nach unserer Trennung direkt mit seiner anderen Ex im Urlaub war (ist jetzt nur ein Beispiel, aber definitiv eine Situation, mit der ich lernen musste umzugehen).

Was darf ich ungefährdet schreiben? Ich bezweifle, dass er mir von sich aus unterschreibt, dass ich alles schreiben kann, wie ich will. Würde aber wirklich gerne meine Kreativität nutzen, alles zu verarbeiten und anderen zu helfen. Kann ich im Zweifel fiktive Details einbauen oder falsche Informationen zwischendurch, sodass man nicht zwischen wahr und falsch unterscheiden kann? Aber dann ist es natürlich keine Biografie mehr...

Schöne Grüße,
M.M.






11. Oktober 2024 | 17:24

Antwort

von


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Guten Tag,

Ihre Idee, Ihre persönlichen Erfahrungen in einem Buch festzuhalten, erscheint durchaus als geeignete Möglichkeit, nicht nur die eigene Situation zu reflektieren, sondern auch anderen in ähnlichen Lagen Mut zu machen. Gleichzeitig gibt es bei der Veröffentlichung solcher persönlichen Erlebnisse rechtliche Grenzen, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte anderer.

Nachfolgend wesentliche Punkte, die Sie beachten sollten:

1. Recht am eigenen Bild und Schutz der Persönlichkeit:
Grundsätzlich steht jeder Person das sogenannte allgemeine Persönlichkeitsrecht zu, das durch Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützt ist. Dieses Recht schützt die persönliche Ehre, das Recht auf Privatsphäre sowie das Recht, über die Verbreitung von persönlichen Informationen zu bestimmen. Wenn Sie über reale Personen schreiben, haben diese das Recht, nicht durch indiskrete oder falsche Darstellungen bloßgestellt oder negativ dargestellt zu werden.

Wichtig:

Selbst wenn Sie Namen ändern, dürfen die Personen in Ihrem Buch nicht so beschrieben werden, dass sie durch ihr Umfeld oder ihre Umgebung eindeutig identifiziert werden können. Vertraute Details wie spezifische Ereignisse, Beruf oder andere Hinweise könnten dazu führen, dass man eine Person leicht erkennt, auch wenn Sie deren Namen ändern.
Negative oder gar rufschädigende Darstellungen könnten als Ehrverletzung oder Üble Nachrede (§ 186 StGB) gewertet werden, wenn sie als unwahr oder herabsetzend interpretiert werden. Dies gilt besonders dann, wenn eine Person leicht erkennbar ist, selbst durch die Nennung geänderter Namen oder Orte.

2. Möglichkeiten zur Wahrung der Anonymität und Vermeidung rechtlicher Konflikte:
Gerne zeige ich Ihnen einige Ansätze auf, wie Sie vorgehen und gleichzeitig authentisch bleiben können:

a. Namen und Details anonymisieren

Ändern Sie nicht nur die Namen, sondern auch weitere Details wie Beruf, Wohnort, äußere Merkmale und zeitliche Abfolgen. Auch wenn der Kern Ihrer Geschichte wahr bleibt, sollten diese Änderungen die Identifizierbarkeit erschweren. Dabei können Sie einige fiktive Elemente einfügen, die es schwieriger machen, eine konkrete Person zu erkennen.

b. Verallgemeinerung der Ereignisse

Anstelle von detaillierten, sehr persönlichen Geschichten über Ihre Ex-Partner könnten Sie bestimmte Erlebnisse verallgemeinern und auf eine allgemeinere Ebene heben, die nicht mehr spezifisch auf eine bestimmte Person hinweist. Dies kann auch dazu führen, dass das Buch für eine breitere Leserschaft relevant wird, da die Erlebnisse nicht nur auf Ihre individuelle Geschichte beschränkt sind.

c. Subjektive Darstellung

Ein wichtiger rechtlicher Schutz liegt darin, die Geschichte aus Ihrer subjektiven Sicht zu erzählen. Wenn Sie klarstellen, dass Sie Ihre Sicht auf die Geschehnisse beschreiben, und es als persönliche Erfahrung und nicht als objektive Tatsache kennzeichnen, verringern Sie das Risiko von Klagen wegen falscher Tatsachenbehauptungen.

d. Fiktivierung

Sie können überlegen, ob Sie das Buch in eine halbfiktive Erzählung verwandeln. Wenn Sie viele Ihrer persönlichen Erlebnisse in einem fiktiven Rahmen darstellen – also den Plot und die Charaktere zu einer gewissen Distanz zur Realität bringen –, ist es schwieriger, konkrete Rückschlüsse auf reale Personen zu ziehen. Dies ermöglicht Ihnen eine größere kreative Freiheit und schützt Sie vor rechtlichen Problemen.

Beispiel:

Sie könnten einen fiktiven Roman schreiben, der von einer Frau handelt, die ähnliche Erfahrungen wie Sie macht, aber in einer anderen Stadt, mit anderen Charakteren, Berufen und Umständen. Ihre Kernbotschaft und die wesentlichen Emotionen bleiben erhalten, doch Sie sind rechtlich geschützter, da keine konkrete Person direkt abgebildet wird.

e. Einwilligung einholen

Für heikle Geschichten wäre die sicherste Option, von den betreffenden Personen eine schriftliche Einwilligung einzuholen, dass Sie über bestimmte Erlebnisse schreiben dürfen. Dies kann jedoch in vielen Fällen schwierig oder nicht realistisch sein.

3. Juristische Abwägung: Persönlichkeitsrecht vs. Kunstfreiheit
Ihre Kunstfreiheit (Artikel 5 Absatz 3 GG) erlaubt es Ihnen, Geschichten zu erzählen und Ihre Erlebnisse in kreativer Form zu verarbeiten. Allerdings stehen dem die Persönlichkeitsrechte der anderen beteiligten Personen gegenüber. Eine Abwägung der Interessen ist in vielen Fällen notwendig, wenn es zu Rechtsstreitigkeiten kommt. Eine negative Darstellung oder eine Verletzung der Privatsphäre wird in der Regel weniger toleriert, als wenn Sie neutral oder positiv über eine Person schreiben.

4. Beispiel aus der Rechtsprechung
Es gibt zB ein bekanntes höchstrichterliches Urteil, das sich mit der Abwägung von Persönlichkeitsrechten und der Kunstfreiheit beschäftigt:

Caroline von Monaco-Urteil: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 24. Juni 2004, Az. 59320/00) entschied, dass das Recht auf Privatsphäre Vorrang hat, wenn die betreffende Person durch die Veröffentlichung von Bildern oder Texten in ihrem Privatleben beeinträchtigt wird.

Beste Grüße


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