PKV rückwirkende Kündigung. Basistarif

5. März 2024 14:48 |
Preis: 51,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von


16:24

Hallo,

meines Wissens herrscht in Deutschland Versicherungspflicht.

Wenn mir eine PKV rückwirkend kündigt, beispielsweise aufgrund von falscher Angaben bei den Gesundheitsfragen, lande ich dann rückwirkend in einem Basistarif und bin so oder so immer versichert, falls etwas passieren sollte?

a) Landet man rückwirkend in den Basistarif und muss dann auch rückwirkend die Beiträge des Basistarifs zahlen?

b) Wie teuer ist der Basistarif?

c) Wie unterscheidet sich der Basistarif grundsätzlich (leistungstechnisch) von einem normalen Tarif bei den gesetzlichen Krankenversicherungen?

d) Ich bin ab dem 01.01.24 freiwillig versichert. Ab diesem Zeitpunkt besteht auch die neue PKV. Wenn ich nachträglich gekündigt werden sollte, bin ich am dem 01.01.24 rückwirkend wieder freiwillig versichert gewesen und lande im Basistarif einer PKV oder lande ich wieder in der Pflichtversicherung der gesetzlichen?

5. März 2024 | 15:40

Antwort

von


(849)
Alte Schmelze 16
65201 Wiesbaden
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Sehr geehrte/r Fragesteller/in,

in einem solchen Fall werden Sie sich nur noch im Basistarif bei der privaten Krankenversicherung versichern können, dies hat das Bundessozialgericht in einem vergleichbaren Fall entschieden (B 12 KR 23/14 R):

Zitat:
Leitsätze
Die Anfechtung eines Versicherungsvertrags durch ein Unternehmen der privaten Krankenversicherung wegen arglistiger Täuschung lässt die Wirksamkeit der zuvor vom Versicherten erklärten Kündigung seiner freiwilligen Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse und das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinn der Regelungen über die Auffang-Pflichtversicherung unberührt.
....
....
Dagegen gibt es keine gesetzliche Vorschrift, wonach eine erklärte Kündigung nach § 191 Nr 3 iVm § 175 Abs 4 S 4 SGB V unwirksam ist, wenn das in Aussicht genommene, der freiwilligen Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse in der GKV nachfolgende private Versicherungsverhältnis als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 Abs 1 BGB). Hätte der Gesetzgeber in einem solchen Fall - wie die Klägerin meint - die freiwillige Versicherung in der GKV fortbestehen oder wiederaufleben lassen wollen, so hätte es nahe gelegen, eine entsprechende Formulierung in das Gesetz mit aufzunehmen. Eine solche Regelung wurde indessen nicht geschaffen.

Auch aus dem Regelungszweck des § 175 Abs 4 S 4 SGB V ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht, dass "das Bestehen eines (zivilrechtlich) wirksamen Folgeversicherungsverhältnisses" Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung einer freiwilligen Mitgliedschaft ist. Der Versicherte ist nämlich auch nach Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung nicht schutzlos gestellt.

Die Regelung des § 175 Abs 4 S 4 SGB V soll sicherstellen, dass die Kündigung einer Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nur wirksam wird, wenn eine nahtlose Fortsetzung des Krankenversicherungsschutzes bei einer anderen Krankenkasse, bei einem Unternehmen der PKV oder eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, etwa durch Anspruch auf freie Heilfürsorge, gewährleistet ist (vgl Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG), BT-Drucks 16/3100 S 158 zu § 175). Die bisherige Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse soll danach durch Kündigung nur dann enden, wenn sich eine weitere Mitgliedschaft unmittelbar anschließt und die gekündigte Krankenkasse hiervon Kenntnis erlangt (zum Wahlrecht innerhalb der GKV vgl BSG Urteil vom 9.11.2011 - B 12 KR 3/10 R - Juris RdNr 17).

Schließt sich nach Kündigung der freiwilligen Mitgliedschaft unmittelbar ein Versicherungsverhältnis bei einem Unternehmen der PKV an, entsteht auch nach Anfechtung dieses Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 22 VVG iVm § 123 Abs 1 BGB) keine nach dem Sinn und Zweck des § 175 Abs 4 S 4 SGB V auszuschließende Versicherungslücke. Der Versicherte hat vielmehr einen Anspruch auf Abschluss einer (neuen) PKV im Basistarif. Nach § 193 Abs 5 S 4 Nr 1 VVG darf allein das frühere private Versicherungsunternehmen (hier die DKV) einen solchen Antrag ablehnen, bei dem der Antragsteller bereits versichert war und der den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten hat. Andere Versicherer unterliegen dagegen dem Kontrahierungszwang. § 193 Abs 5 S 4 Nr 1 VVG verletzt insoweit auch nicht Verfassungsrecht (vgl BVerfGE 123, 186, 245 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 179).
....


Für Ihre Fragen ergibt sich daher folgendes:

a) Landet man rückwirkend in den Basistarif und muss dann auch rückwirkend die Beiträge des Basistarifs zahlen?
Soweit die Kündigung zu einer Nichtigkeit von Anfang an führt ja, eventuell kündigt der Versicherer aber auch nur mit Wirkung für die Zukunft, dann müssten zumindest bereits erbrachte Leistungen nicht zurückgezahlt werden.

b) Wie teuer ist der Basistarif?
Der Höchstbetrag für den Basistarif liegt bei 843,25 €, im Falle der Hilfsbedürftigkeit im Sinne des SGB (z.B. bei Bürgergeldbezug) muss die Krankenkasse den Betrag halbieren.

c) Wie unterscheidet sich der Basistarif grundsätzlich (leistungstechnisch) von einem normalen Tarif bei den gesetzlichen Krankenversicherungen?
Der Basistarif sollte den Leistungen der GKV entsprechen. Die Unterschiede sind gering, ähnlich wie bei den verschiedenen gesetzlichen Versicherungen kann es kleinere Unterschiede geben oder Boni. Ein geringer Vorteil wäre noch, dass man zumindest bei der ärztlichen Terminvergabe noch als privat versichert gilt und das hübschere Wartezimmer nutzen darf.

d) Ich bin ab dem 01.01.24 freiwillig versichert. Ab diesem Zeitpunkt besteht auch die neue PKV. Wenn ich nachträglich gekündigt werden sollte, bin ich am dem 01.01.24 rückwirkend wieder freiwillig versichert gewesen und lande im Basistarif einer PKV oder lande ich wieder in der Pflichtversicherung der gesetzlichen?
siehe Ausgangsantwort mit zitiertem Urteil - Sie können nicht wieder einfach in die gesetzliche Versicherung zurückkehren sondern müssen in dem Basistarif der PKV bleiben.


Ich hoffe damit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Mit freundlichen Grüßen,

RA Fabian Fricke
Fabian Fricke


Rückfrage vom Fragesteller 5. März 2024 | 16:06

Hallo Herr Fricke,

vielen Dank für Ihre kompetente Beantwortung der Fragen. Hierzu folgende Rückfragen:

a) Gibt es hier nur den von Ihnen erwähnten vergleichbaren Fall oder auch konkrete Verweise auf bestehende Gesetze. Und: Wenn ich dann rückwirkend in den Basistarif falle, bin ich quasi nahtlos und rückwirkend im Basistarif einer anderen PKV versicherbar?

c) Verstehe. Wenn beispielsweise eine nötige OP im Zuge eines Bandscheibenvorfalls nötig wäre, würde der Basistarif hierfür vollständig aufkommen? Auch rückwirkend, wenn beispielsweise die PKV die Rechnung nicht zahlen wollte und den Vertrag rückwirkend wegen arglistiger Täuschung zurücktritt?

d) Bei der gesetzlichen Pflichtversicherung kann ich nur kündigen / austreten, wenn eine fortführende Versicherung nachgewiesen wird. Wenn diese PKV Versicherung jedoch rückwirkend gekündigt wird, besteht diese ja rückwirkend nicht mehr. Oder doch, da ich dann rückwirkend bei einer anderen Versicherung im Basistarif versichert sein müsste?

Vielen Dank!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 5. März 2024 | 16:24

Sehr geehrte/r Fragesteller/in,

a) die gesetzlichen Grundlagen sind in dem zitieren Urteil genannt. Nach § 191 Nr. 3 SGB V bleibt die Kündigung der GKV wirksam und nach § 193 Absatz 5 VVG muss der Versicherer den Basistarif anbieten.

c) Wenn die betreffende OP bei einer gesetzlichen Versicherung übernommen wird, dann wird diese auch im Basistarif der GKV Teil der Leistungen sein. Dass es Behandlungen gibt die von der PKV (egal in welchem Tarif) abgelehnt werden, von der GKV aber abgedeckt sind dürfte eher die Ausnahme sein.

d) siehe obiges Urteil - wenn Sie einen Vertrag mit einer PKV abschließen können Sie dadurch die GKV kündigen. Wenn dann aber (aufgrund der arglistigen Täuschung) die PKV diesen Vertrag kündigt, führt das grade nicht zum Wiederaufleben der GKV oder einem automatischen Anspruch auf Wiederaufnahme in der GKV. Vielmehr muss die PKV Sie weiter versichern, allerdings eben nur noch in dem Basistarif zu meist ungünstigen Konditionen.

Mit freundlichen Grüßen,
RA Fabian Fricke


und nach

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