Beitragservice ARD und ZDF für nicht genutzte Wohnung

14. Mai 2023 08:10 |
Preis: 40,00 € |

Verwaltungsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Sehr geehrte Damen und Herren,


der Vater meiner Lebensgefährtin befindet sich seit dem 01.11.2022 vollstationär in einem Pflegeheim (Altersgebrechlichkeit in Verbindung mit Demenz). Die bisherige Wohnung (Eisenbahnstr. 21, 63110 Rodgau) steht seit dieser Zeit leer, eine Rückkehr des Vaters ist aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen.

Mit diesen Informationen (inkl. entsprechender Belege) hat sich meine Lebensgefährtin an den Beitragsservice von ARD und ZDF gewandt, mit der Bitte um Abmeldung Ihres Vaters.

Die Abmeldung wurde seitens des Beitragservice von ARD und ZDF verweigert und folgendermaßen begründet:

„Nebenwohnungen sind anmelde- und beitragspflichtig, können aber unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag von der Rundfunkbeitragspflichte befreit werden.
Sie teilen mit, dass es sich um eine leerstehende Wohnung handelt.
Bitte beachten Sie die gesetzlichen Regelungen: Im privaten Bereich sind von jedem Wohnungsinhaber Rundfunkbeiträge zu zahlen. Es spielt keine Rolle, ob die Wohnung leerstehend oder möbliert ist. Als Inhaber werden alle volljährigen Personen vermutet, die nach dem Lederecht in der Wohnung gemeldet oder im Mietvertrag als Mieter genannt sind.
Wir führen Ihr Beitragskonto unverändert weiter."

Damit sind wir natürlich nicht einverstanden. Es ist wohl unstrittig, dass Personen, die in einem Pflegeheim oder einer Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung leben, vom Rundfunkbeitrag befreit sind. Auf der Homepage des Beitragservice von ARD und ZDF gibt es auch ein entsprechendes Formular „Abmeldung für Bewohner einer Pflegeeinrichtung".


Bleibt noch die andere Wohnung, die nicht mehr genutzt wird. Ich interpretiere diese als Zweit- bzw. Nebenwohnung, wenngleich diese offiziell als 1. Wohnsitz ausgewiesen wird. Und für Zweit- bzw. Nebenwohnungen müssen keine Rundfunkbeiträge entrichtet werden (BVerfG, Az. 1 BvR 1675/16 u.a.).

Ich vermute, der Sachverhalt wäre eindeutig, wenn der Vater seinen einzigen Wohnsitz im Pflegeheim hätte. Aber er hat nun mal noch den 1. Wohnsitz in seiner alten Wohnung.

Wir tendieren dazu, die die letzte Lastschrift (sowie alle künftigen) zurück zu holen und würden auf die Rückerstattung der vorigen, zu viel gezahlten Beiträge verzichten.

Dem wird aber der Beitragsservice mit Sicherheit wiedersprechen und mit allem möglichen drohen. Zuerst mit Rücklastschriften und Mahngebühren, später u.U. mit Klage.

Daher wäre uns eine Einschätzung des Sachverhaltes von Ihnen wichtig.

- Müssten wir damit rechnen, dass wir am Ende doch sämtliche Gebühren aufgrund unserer Weigerung der Bezahlung leisten müssten?

- Wie wären die Aussichten eines Rechtsstreites?

- Wie könnte ein korrekt formuliertes Antwortschreiben an den Beitragservice aussehen?

Danke!

Mit freundlichen Grüßen
Jochen Lebküchner

14. Mai 2023 | 09:17

Antwort

von


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Sehr geehrter Ratsuchender,

lassen sie mich Ihre Fragen wie folgt beantworten.

Der Beitragsservice handel auf Grundlage des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV).

Dort ist geregelt:

§ 2 Abs. 1: "Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein
Rundfunkbeitrag zu entrichten."

§ 2 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1:
"Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt."
"Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist."

Nicht als Wohnung zählt das Zimmer im Pflegeheim (§ 3 Abs. 2 Nr. 3).
Damit kann die bisherige Wohnung auch nicht "Nebenwohnung" sein, für die man sich von der Beitragspflicht befreien lassen kann (BVerfG, nun § 4a RBStV).

1.
Die einfachste Lösung (für die Zukunft) wäre, wenn der Vater Ihrer Lebensgefährtin seinen Wohnsitz in der alten Wohnung abmeldet. Ist er dort nicht gemeldet, wird auch nicht vermutet, dass er dort wohnt und der Beitragsservice fordert keinen Beitrag mehr.
Sie haben daher Recht, kein Problem gibt es, wenn es nur noch einen Wohnsitz im Pflegeheim gibt.

2.
Da es nur eine gesetzliche Vermutung dafür gibt, dass man am melderechtlichen Wohnort wohnt / eine Wohnung innehat, kann diese von Ihnen widerlegt werden.

a)
Die Chancen stehen daher für den Vater gut, dass er nicht sämtliche Gebühren zu zahlen hat.
Im Falle eines erfolgreichen Verfahrens, hat die Rundfunkanstalt die Kosten zu tragen.

§ 7 Abs. 2 S. 1: "Die Beitragspflicht endet mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der
Wohnung [...] durch den Beitragsschuldner endet, jedoch nicht vor dem Ablauf des Monats, in dem dies der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist."

b)
Die Aussichten für einen Rechtsstreit stehen nicht schlecht.

c)
Weisen Sie dem Betragsservice nach, wann genau der Vater umgezogen ist.
Benennen Sie Zeugen (Ihre Lebensgefährtin, Sie selbst, Pflegeheimpersonal) und legen Sie Belege vor (Pflegeheimvertrag).

3.
Beachten Sie aber bitte, dass der Beitragsservice nicht "drohen" braucht oder klagen muss.
Die Rundfunkanstalt erlässt bei rückständigen Rundfunkbeiträgen einen Festsetzungsbescheid (Rundfunkbeitrag und Säumniszuschläge), aus dem sie direkt vollstrecken kann.

Der Vater muss gegen den Festsetzungsbescheid fristgerecht Widerspruch einlegen, bleibt aber trotzdem zur Zahlung verpflichtet, weil der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt


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