Konto gepfändet - Forderung vermutlich Betrug

| 17. Januar 2022 18:02 |
Preis: 43,00 € |

Inkasso, Mahnungen


Beantwortet von

Rechtsanwalt Gerald Geitner

Zusammenfassung

Habe ich eine Chance gegen einen rechtskräftigen Titel vorzugehen, der auf eine ursprüngliche Forderung von 19,99 Euro basiert, aber nun auf etwa 800 Euro angestiegen ist?

Es ist schwierig gegen einen ordnungsgemäß zugestellten und rechtskräftigen Titel vorzugehen. Die Zinsen aus der Hauptforderung verjähren allerdings jeweils nach 3 Jahren, sofern nicht innerhalb von 3 Jahren aus dem Titel vollstreckt wurde. Sie könnten versuchen, ein Vergleichsangebot ohne die verjährten Zinsen zu vereinbaren.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Problem ist Folgendes:

Mein Konto ist gepfändet, durch die dem Verbraucherschutz weitläufig bekannte FKH OHG oder auch UVG Inkasso.

Man ist im Besitz eines Vollstreckungstitels, der auf mehrere hundert Euro (gesamt ca. 800 Euro) ausgestellt ist.

Ursprungsforderung waren 19,99 Euro vor mehr als 15 Jahren.

Aus vielerlei Gründen war mir das lange egal, allerdings habe ich dank sehr guter Vergleiche

und einer Leihgabe aus der Familie meine bestehenden Schulden bei fast allen anderen Gläubigern abarbeiten

können, nur bei diesem einen nicht.

Vollstreckt wird ein Titel der FKH GBR, die so eigentlich gar nicht mehr Existent ist.

Heute agiert die Firma als FKH OHG

Ich habe einiges darüber gelesen (ich verlinke hier: https://www.infodienst-schuldnerberatung.de/zwangsvollstreckung-der-fkh-ohg-aus-titeln-der-fkh-gbr-bgh-weisst-rechtsbeschwerde-zurueck/)

und möchte diese Summe eigentlich nicht zahlen. Ich hatte vor zwei Jahren dem Gläubiger einen großzügigen Vergleich angeboten von 500 Euro (gemessen auf die Ursprungsforderung war der m.M nach sehr fair), der abgelehnt wurde.

Stattdessen schickte man mir ein Schuldanerkenntnis, was ich zu unterschreiben habe. Nicht nur, dass man sich seitens der UGV dort "verschrieben" hat und die Summe mit 40.000 Euro statt 4.000 Euro aufschrieb, ich hätte auch unterzeichnen müssen, dass ich auf Rechtsmittel gegen jeglichen Bestandteil der Forderung verzichte.

Das habe ich natürlich nicht gemacht.

Theoretisch kann es mir auch egal sein, mein Pfändungsschutzkonto schützt mein Einkommen, was nicht höher liegt als die individuelle Grenze.

Dennoch belastet es mich und ich würde gern wissen, ob ich überhaupt eine Chance habe, dagegen vorzugehen.

Einen rechtskräftigen Titel gibt es, leider, ich weiß, dieser ermächtigt die UGV 30 Jahre gegen mich zu vollstrecken.

Meine Frage ist, ob ich überhaupt eine Chance habe, dagegen vorzugehen und wenn ja, wie?

Und welche Kosten bei einer Gegenklage (falls überhaupt sinnvoll) auf mich zukommen würden.

Langfristig wäre ich froh, eines Tages mal wieder ein normales Girokonto zu besitzen und nicht immer aufgrund der Pfändungsfreigrenze als "eingeschränkter Bürger" zu gelten, zumindest im Bankwesen.

Hinzu kommt, dass die Forderung meine Schufa belastet, was auch nicht angenehm ist.

Vielleicht kann mir ja hier jemand Tipps geben oder kennt ähnliche Fälle mit diesen Kandidaten.

Danke für Ihre Hilfe

Liebe Grüße

Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre Anfrage möchte ich auf Grundlage Ihrer Angaben wie folgt beantworten:

Für eine genauere Einschätzung, ob und was man gegen den Titel unternehmen kann, sind zunächst weitere Angaben notwendig:

- Um was für einen Titel handelt es sich (Vollstreckungsbescheid?)
- Wann wurde der Titel erlassen? Auch bereits vor 15 Jahren?
- Wurde ggf. die Vollstreckungsklausel auf die OHG umgeschrieben?
- Wie setzt sich die titulierte Forderung laut Titel zusammen, wenn die Hauptforderung nur 19,99 Euro betrug?
- Wo wurde der Titel zugestellt? An der Anschrift, an welcher Sie gewohnt haben, oder eventuell an einer anderen Anschrift?
- Wie kamen die 4.000 Euro aus dem Vergleichsangebot zustande? Waren das, abgesehen von den 800 Euro Hauptforderung, alles Zinsen?
- In welcher Höhe wurden Zinsen tituliert? Mehr als "5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz"?
- Wurde vorher bereits aus dem Titel vollstreckt?

Für eine genauere Bewertung würde ich Sie noch um diese Angaben bitten.

Allgemein lässt sich sagen, dass - sofern der Titel Ihnen ordnungsgemäß zugestellt wurde - ein Vorgehen bezüglich der titulierten Hauptforderung aufgrund der materiellen Rechtskraft des Titels schwierig wird. Eine titulierte Forderung darf grundsätzlich auch in den Datenbestand der Schufa eingemeldet werden.

Die Zinsen aus der Hauptforderung verjähren allerdings jeweils nach 3 Jahren, sofern nicht innerhalb von 3 Jahren aus dem Titel vollstreckt wurde, oder ein anderer Hemmungstatbestand greift. Sofern dies nicht erfolgt ist, können Sie sich durch die Einrede der Verjährung zumindest von den bereits verjährten Zinsen befreien. Sie könnten dann zumindest versuchen, ein Vergleichsangebot ohne die verjährten Zinsen zu vereinbaren.

Sie müssen auch bedenken, dass die Verjährungsfrist des Titels mit jeder Zwangsvollstreckungshandlung neu zu laufen beginnt. Theoretisch kann die Gläubigerin also länger als 30 Jahre gegen Sie vorgehen.

Sofern Sie die Mandatierung eines Rechtsanwaltes zwecks Klage in Erwägung ziehen, richten sich die Kosten, wenn eine Abrechnung nach dem RVG erfolgt, grundsätzlich nach dem Gegenstandswert, welcher nach Ihren Angaben dem Wert der titulierten Hauptforderung von 800 Euro entspricht.

Allgemein lässt sich sagen, dass das Kostenrisiko einer Klage in der 1. Instanz (sofern Sie den Rechtsstreit verlieren und der Gegner auch anwaltlich vertreten ist) bei einem Streitwert von 800,00 Euro insgesamt 745,20 Euro beträgt. Gewinnen Sie den Rechtsstreit und wird das Urteil rechtskräftig, können Sie - Solvenz des Klagegegners vorausgesetzt - Ihre eigenen Kosten gegen den Gegner geltend machen.

Nach den ergänzenden Angaben komme ich gerne erneut auf den Vorgang zurück.

Mit freundlichen Grüßen
Gerald Geitner
Rechtsanwalt






Rückfrage vom Fragesteller 17. Januar 2022 | 23:45

Sehr geehrter Herr Geitner,

vielen Dank für Ihre Antwort! Nachfolgenden die Antwort auf Ihre Fragen:

- Es handelt sich um einen Vollstreckungsbescheid, der vor 15 Jahren erlassen wurde, an meine Adresse korrekt zugestellt wurde. Die Vollstreckungsklausel ist nicht auf die OHG umgeschrieben worden. (Zumindest nicht im PFÜB, der mir vor 2 Jahren zuging).

Habe jetzt gerade noch einmal die Forderungsaufstellung zur Hand genommen.

Der erste Vollstreckungstitel belief sich auf eine Forderung von 333,90 Euro (Hauptforderung, plus Inkassokosten, Zinsen etc.)

Ein Monat später wurde ein zweiter Titel erwirkt, in Höhe von 35,60 Euro

Hier sind unendlich viele Zinsen niedergeschrieben. Ein Teil davon wird deklariert als:

"5,12 % über dem Basiszinssatz aus XX,XX Euro", dann wieder steht hier: "13,25 % aus Summe XXX,XX und 13,25 % aus Summe XXX,XX" Die Zinsen laufen seit 2010 immer weiter auf, immer unterschiedliche Prozentwerte.

Ich habe hier nun ein Dokument aus 2019 vorliegen.

Das endet mit folgendem Text: Forderungsstand zum XX.XX.2019 = 2.300.00 Euro
zzgl. 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz Zinsen aus 300,00 Euro (=0,03 Euro Täglich)
zzgl. 13,25 % Zinsen aus 580 Euro ab XX.XX.2019 (0,22 Euro täglich).

Beim Vorschlag des Vergleichs wurden bereits 4.000 Euro gefordert.

Das werde ich im Leben nicht mehr los. Ich wäre sogar bereit einen Vergleich zu bezahlen, gegen Titelaushändigung, aber ich habe keine 4.000 Euro verfügbar und ich finde es auch, gemessen an den Schulden, die eigentlich mal vorgeherrscht haben, eine unglaubliche Summe.

Danke für Ihre Hilfe

Liebe Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 18. Januar 2022 | 22:09

Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre Nachfrage möchte ich wie folgt beantworten:

"Tituliert" und damit aus dem Titel selbst vollstreckbar ist nur die Forderung, aufgrund welcher der Titel selbst erlassen wurde. In den Titel selbst aufgenommen werden können eine Hauptforderung, Kosten und bereits aufgelaufene Zinsen. Für zukünftige Zinsen muss eine Zinssatz angegeben sein. Der gesetzliche Verzugszins beträgt 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Dieser Zinssatz ist seit dem 01.01.2013 durchgehend negativ, sodass der Verzugszins seitdem weniger als 5 Prozent pro Jahr beträgt. Seit dem 01.07.2016 beträgt der Basiszins -0,88 %, so dass der Verzugszins seitdem 4,12 % beträgt.

Theoretisch kann auch ein höherer Zinssatz von z.B. 13.25 % tituliert sein. Unzulässig ist aber in jedem Fall, dass ein Betrag mehrfach verzinst wird, oder das Zinseszinsen berechnet werden.

Wenn nur zwei Titel über 333,90 Euro nebst Zinsen und 36,50 Euro nebst Zinsen existieren, dann ist die Forderungsberechnung

Zitat:
Ich habe hier nun ein Dokument aus 2019 vorliegen.

Das endet mit folgendem Text: Forderungsstand zum XX.XX.2019 = 2.300.00 Euro
zzgl. 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz Zinsen aus 300,00 Euro (=0,03 Euro Täglich)
zzgl. 13,25 % Zinsen aus 580 Euro ab XX.XX.2019 (0,22 Euro täglich).


nicht plausibel. Wo kommen die 580 Euro her?

Da die Forderung 15 Jahre alt ist, kommt es - abgesehen vielleicht von nachgewiesenen (!) Vollstreckungskosten nur auf die Beträge an, die in den Titeln selbst genannt werden. Die Forderungsberechnungen scheinen unschlüssig zu sein.

Ein Vergleichsangebot über 4.000 Euro bei einer vermeintlichen Gesamtforderung von 2.300 Euro ist jedenfalls kein Vergleich, sondern völlig ungerechtfertigt und Sie sollten darauf keinesfalls eingehen.

Was Sie selbst tun können, ist gegenüber dem Inkassobüro die Einrede der Verjährung zu erheben und eine korrigierte Forderungsberechnung zu fordern. Diese Forderungsberechnung muss von den Beträgen aus den Vollstreckungsbescheiden ausgehen und darf, sofern bis 2019 keine Zwangsvollstreckung erfolgt ist, bzw. Sie die Forderung auch nicht durch Zahlung oder auf andere Weise anerkannt haben, keine Zinsen enthalten, welche vor 2016 entstanden sind (Regelverjährung von 3 Jahren). Daneben dürfen nur die Kosten im Zusammenhang mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss enthalten sein.

Bei einer Hauptforderung von 370,50 Euro und einer Verzinsung von 5 Prozent über Basiszinssatz kommt man bei einer Verzinsung ab dem 01.01.2017 bis heute auf Zinsen von insgesamt 92,43 Euro. Selbst unter Berücksichtigung des ggf. titulierten Zinssatzes von 13,25 % käme man "nur" auf 296,97 Euro Zinsen.

Dies wäre die Orientierung für einen Vergleich. Sie haben natürlich auch die Möglichkeit einen Anwalt mit der außergerichtlichen Vertretung zu beauftragen, der dann die Verhandlung mit dem Inkassobüro übernehmen kann. Vor dem Hintergrund der fragwürdigen Geschäftspraktiken erscheint dies sinnvoll.

Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Titel schätze ich vor dem Hintergrund des Urteils des BGH vom 29. 6. 2005 - VIII ZR 299/04 als zweifelhaft ein. In einem vergleichbaren Fall betont der Bundesgerichtshof, dass selbst im Falle der Unrichtigkeit der titulierten Forderung nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen die materielle Rechtskraft eines Titels durchbrochen werden darf weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt und die Rechtssicherheit beeinträchtigt würde. Da Sie seinerzeit nicht gegen den Vollstreckungsbescheid vorgegangen sind, sind die Titel, platt gesagt, "in der Welt".

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

Mit freundlichen Grüßen
Gerald Geitner
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 18. Januar 2022 | 23:17

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