Unübersichtliches Erbe

20. September 2021 10:15 |
Preis: 25,00 € |

Erbrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Bernhard Müller

Es geht um mein Elternhaus, in dem ich aufgewachsen bin, und dessen Wert ich heute auf ca. 400.000 EUR schätze.

Ich bin Einzelkind, meine Eltern lebten in Gütergemeinschaft, meine Mutter starb 2006. Seitdem bin ich im Grundbuch zusammen mit meinem Vater in Erbengemeinschaft eingetragen, aber ohne Bruchteile. Es steht nur das mit der Erbengemeinschaft dort. Die Bruchteile wurden nie offiziell ermittelt oder in irgendeiner Weise abgefragt.

Ich bin ausgezogen, mein Vater (83) lebt noch dort und verwaltet die Immobilie alleine. Er wollte sie immer verkaufen, was ich jedoch ablehnte.

Er teilte mir nun neulich mit, dass er eine andere Lösung gefunden habe: Er habe einen Kredit von 30.000 aufgenommen, dann noch einen und dann noch einen. Sein Plan ist, dass bei seinem Tod die Immobilie seine Schulden ausgleichen wird (und unausgesprochen: ich nichts bekommen werde).

Da wir nicht das beste Verhältnis haben, werde ich auf legalem Weg keine besseren Informationen bis zu seinem Tod bekommen als diese Andeutung.

Wenn er denn also sterben und ich erben sollte, besteht eine große Gefahr, dass er so viele Schulden hinterlässt, dass es für mich besser ist, das Erbe auszuschlagen. Genau weiß ich das aber nicht. Ich werde daher wohl, wenn es mal so weit kommen sollte, eine Nachlassverwaltung einrichten, um mein Risiko zu begrenzen.

Wo ich nicht ganz in der Lage war, mich selber schlau zu machen, ist die Rolle meines Eigentums, das bereits jetzt besteht. Auch wenn keine Bruchteile errechnet wurden, gehe ich davon aus, dass ich 25% des Hauses bereits jetzt besitze: Meine Mutter hatte einen (ebenfalls nie explizit errechneten) Anteil von 50% und mein Vater und ich erbten 2006 zu gleichen Teilen, also besitze ich jetzt 25% und er 75%. Aber das ist nur so eine Vermutung und zugleich der Ausgangspunkt meiner Frage.

Was sind meine Optionen? Meine 25% sind auch bei Überschuldung nicht in Gefahr, oder doch? Kann ich über diesen Anteil mein Verkaufsveto weiterhin ausüben? Der Nachlassverwalter wird das Haus sicher verkaufen, um die Schulden auszugleichen. Gibt es eine Möglichkeit, das Haus zu behalten bzw. die restlichen 75% selber zu erwerben? Es hängen Erinnerungen und Emotionen daran. Geld habe ich aber keins in Reserve, könnte allenfalls einen Kredit bedienen. Oder Hypothek. Was geht hier?

Ich wünschte, ich könnte meine Frage präziser formulieren, aber um sie präziser zu formulieren, müsste ich bereits wissen, was ich derzeit noch nicht weiß.

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Die nachfolgende Berechnung der Quoten gilt unter dem Vorbehalt, dass in dem Ehevertrag Ihrer Eltern nichts anderes vereinbart war und Ihre Mutter kein Testament hatte, aus dem sich eine andere Quote ergibt, insbesondere keine fortgesetzte Gütergemeinschaft nach § 1483 BGB besteht. Hierzu müsste der Ehevertrag eingesehen werden.

Das Haus war vor dem Tod Ihrer Mutter zu 100% Gesamtgut. Durch den Tod Ihrer Mutter wurde das Gesamtgut nach § 1482 BGB in Verbindung mit § 1476 BGB aufgeteilt. 50% des Hauses wurden Eigentum Ihres Vaters. 50% gehören zum Nachlass Ihrer Mutter.

Von den 50%, die zum Nachlass gehören, hat Ihr Vater 1/4 nach § 1931 BGB geerbt. Das sind 12,5 % des Hauses. Die anderen 3/4 des Nachlasses = 37,5% des Hauses haben Sie nach § 1924 BGB geerbt.
Damit sind die Quoten 5/8 Ihr Vater und 3/8 Sie.

Wenn es nach dem Tod Ihres Vaters zur Nachlassverwaltung kommt und die Nachlassinsolvenz eröffnet wird, dann kann der Verwalter das Grundstück öffentlich versteigern lassen. Vom Versteigerungserlös werden die Kosten der Versteigerung beglichen. Von dem was Übrig bleibt, werden 3/8 an Sie ausgezahlt und 5/8 verwendet, um die Schulden Ihres Vaters zu bezahlen. Sollte danach noch etwas übrig bleiben, erhalten Sie den Rest.

Bei der Versteigerung können Sie mitbieten, wenn Sie eine Bank finden, die Ihnen den nötigen Kredit gibt. Zur Absicherung des Kredits wird die Bank mit Ihnen wahrscheinlich vereinbaren, dass eine Grundschuld in das Grundstück eingetragen wird, wenn Sie den Zuschlag erhalten und der Kredit sofort zur Rückzahlung fällig wird, wenn Sie überboten werden.

Möglich ist auch, dass der Nachlassverwalter Ihnen das Grundstück zum Verkehrswert verkauft, wenn das ausreicht, um die Schulden Ihres Vaters zu bezahlen. Sollte danach noch etwas vom Verkaufspreis übrig bleiben, bekommen Sie als gesetzlicher Erbe den Rest ausgezahlt.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

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