Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Der anwachsende Erbteil ist rechtlich nicht selbständig und kann daher nicht gesondert ausgeschlagen werden.
Die Anwachsung darf den Erben aber nicht schlechter stellen, wenn der Nachlass mit Vermächtnissen beschwert ist.
Ist der anwachsende Erbteil durch Auflagen oder Vermächtnisse über den Wert des anwachsenden Erbteils hinaus beschwert, so hat dies nachteilige Auswirkungen auf den begünstigenden Erben.
Kind 1 aus Ihrem Beispiel müsste wegen der Einheitlichkeit des Erbteils die Vermächtnisse und Auflagen aus seinem eigentlich testamentarisch festgehaltenen Erbteil miterfüllen, so dass er durch die Anwachsung schlechter gestellt ist. Kind 1 würde also weniger erhalten durch die Anwachsung.
Deswegen greift hier § 2095 BGB
, wo es heißt:
Der durch Anwachsung einem Erben anfallende Erbteil gilt in Ansehung der Vermächtnisse und Auflagen, mit denen dieser Erbe oder der wegfallende Erbe beschwert ist, sowie in Ansehung der Ausgleichungspflicht als besonderer Erbteil.
Diese Regelung führt dazu, dass der Erbe nicht schlechter gestellt wird durch die Anwachsung und dass Vermächtnisnehmer nicht begünstigt werden.
Vermächtnisnehmer könnten ohne diese Regelung nicht nur auf den eigentlich belaseten Erbteil, sondern auf das gesamte Erbe zurückgreifen.
Daher wird die Trennung durch § 2095 BGB
in 2 Erbteile fingiert.
Der Erbe haftet für die Vermächtnisse also nur mit dem tatsächlich belasteten Erbteil (der anwachsende Erbteil) und nicht mit seinem per Testament bestehenden Erbteil. Dies ist aber nur dann so, wenn der ursprüngliche Erbteil des Erben mit 7,5 % nicht ebenfalls mit dem Vermächtnis belastet gewesen ist. Ist der gesamte Nachlass mit Vermächtnissen belastet, so haftet auch der gesamte Nachlass für die Erfüllung der Vermächtnisse.
Wenn man davon ausgeht, dass nur die Erbteile der Kinder 2 bis 4 mit Vermächtnissen belegt waren, so kann der Erbe (Kind 1) nach § 2095 BGB
i.V.m. § 2318 BGB
die Pflichtteilslast (Ansprüche der Kinder 2 bis 4) getrennt auf jeden Erbteil auf die Vermächtnisnehmer abwälzen.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Vermächtnisnehmer eine Reduzierung der Vermächtnisse zu Gunsten der Pflichtteilsansprüche der Kinder 2 bis 4 hinnehmen müssen.
Die Ausschlagung der Erbschaft können Kinder 2 bis 4 nach § 119 BGB
anfechten. Die Anfechtung der Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden § 1955 BGB
.
Anfechtungsfrist beginnt mit Eröffnung des weiteren Testamentes und Kenntnis über den Inhalt dieses Testaments. Die Anfechtungsfrist beträgt ebenfalls 6 Wochen.
Wie sich die Erbaufteilung nach Bekanntgabe des weiteren Testamentes letztendlich gestaltet, hängt von dem Inhalt des ausländischen Testamentes ab. Da hier 2 Testamente vorliegen, muss dann eine Gesamtwürdigung vorgenommen werden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier, Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 20.02.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Herr Rösenmeier,
vielen Dank für Ihre sehr hilfreiche Ausführung. Ich bitte noch um Konkretisierung der Anfechtungsfrist.
Das amerikanische Testament (englische Sprache) wurde uns per Mail am 12.01 vom Notar aus Amerika zugeschickt. Den Inhalt konnten wir nicht deuten, sodass eine Übersetzung am 18.01. durch ein Übersetzungsbüro uns per Mail zugeleitet wurde.
Am 12.01 wurde ebenfalls das amerikanische Testament (englische Sprache) per Mail an den zuständigen Rechtspfleger des Nachlassgerichtes verschickt. Die Übersetzung des Testamentes ging ebenfalls am 18.01 an das Nachlassgericht. Am 30.01 wurde eine beglaubigte Abschrift der Übersetzung an das Nachlassgericht per Einschreiben verschickt.
Das Original (amerikanische Ausführung) dieses Testaments liegt dem Nachlassgericht bis heute nicht vor. (Wurde angefordert)
Wie verhält es sich hier mit der Anfechtungsfrist? Wann wurde der Inhalt dieses Testaments uns bekannt? Mit der englischen Ausführung? Mit der Übersetzung? Mit der offiziellen Eröffnung dieses Testaments?
Vielen Dank für Ihre weitere Ausführung!
Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich gerne wie folgt Stellung:
§ 119 BGB
setzt einen Irrtum voraus. Fristbeginn ist demnach der Moment, in dem man den Irrtum erkannt hat. Am 18.01.2012 hatten Sie Kenntnis vom Inhalt des 2. Testamentes. Dies ist damit der Fristbeginn. Die Anfechtungsfrist endet damit am 29.02.2012.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier
- Rechtsanwalt -