Ungerechtfertigte Ansprüche vom AG & Arbeitszeugnis

1. Juli 2020 15:28 |
Preis: 40,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Andreas Lackner

Zusammenfassung

Kann ich ein gutes Arbeitszeugnis verlangen, auch wenn ich keine Überstunden mache?

Nein. Das Bundesarbeitsgericht hat festgelegt, dass die Standardzeugnisnote "befriedigend" ist. Wer bessere Arbeitsleistungen behauptet und deshalb ein besseres Arbeitszeugnis begehrt, muss dieses nachweisen. Soll die Note schlechter sein als befriedigend, muss der Arbeitgeber dies nachweisen. Der normale Arbeitnehmer, auch in führenden Positionen, schuldet grundsätzlich nur eine Arbeitsleistung, keinen Arbeitserfolg. Etwas anderes müsste konkret im Arbeitsvertrag vereinbart sein. Die Note des Zeugnisses ist nicht vom Arbeitsvolumen abhängig. Um sich gegen unterschwellige Erwartungen von Überstunden zu schützen, empfiehlt es sich, regelmäßig qualifizierte Zwischenzeugnisse zu beantragen.

Ein Arbeitgeber hat einem Arbeitnehmer gegenüber als Druckmittel ja immer das Arbeitszeugnis. Er kann dem Arbeitnehmer problemlos ein Zeugnis mit der Note „befriedigend" ausstellen was in der Realität die Jobsuche stark erschwert. Ich weiß, dass bei einem schlechteren (als „befriedigend") Arbeitszeugnis der AG im Zweifel in der Pflicht ist zu beweisen, dass dieses gerechtfertigt ist. Aber auch ein „befriedigend" ist schon schlecht genug für den Arbeitmarkt.

Jetzt habe ich schon oft erlebt, dass Vorgesetzte scheinbar implizit erwarten oder zumindest tolerieren, dass ich deutlich mehr arbeitet als vertraglich vereinbart. Beispielsweise habe ich meinem Chef mitgeteilt, dass ich dauerhaft (über Jahre) eine durchschnittliche Arbeitszeit von 50 Stunden/Woche hatte, weil die Arbeitslast so hoch war. Er hat keinerlei Anstalten gemacht meine Arbeitlast zu reduzieren. Er sagte nur etwas Schwammiges von effizienterem Arbeiten, ohne konkrete Ansätzte (wobei ich m.E. auch eine ziemlich effiziente Arbeitsweise habe).

Ein künftiger Chef bei einem neuen Arbeitgeber hat mich mal gefragt, ob ich, noch vor Vertragsbeginn (ich war noch im Resturlaub von meinem letzten Job), an einem zweitätigen Projekt Kick-Off teilnehmen kann.

Natürlich kann ich solche Wünsche ausschlagen. Oder ich arbeite eben nur 40h und sage meinem Chef, dass Arbeiten eben nicht erledigt werden können und bitte um entsprechende Priorisierung. Ich befürchte aber, dass sich das negativ auf meine Bewertung und letztlich auf mein Zeugnis auswirkt. Mein Eindruck ist, dass Arbeitgeber/Vorgesetzte oft erwarten, dass man deutlich mehr arbeitet als vertraglich vereinbart und einen nur dann gut bewerten. Meine Erwartung hingegen wäre, dass ich auch eine gute oder sehr gute Bewertung auch erhalte, wenn ich „nur" die vertraglich vereinbarten Arbeitszeit arbeite, in dieser Zeit aber ordentlich „Gas gebe" und gute Leistungen erziele. Natürlich bin ich bereit bei Spitzen temporär auch mehr zu arbeiten, möchte die Zeit aber irgendwann wieder abbauen können oder die Stunden ausbezahlt bekommen.

Kann ich mich irgendwie gegen so eine, wie ich es empfinde, unterschwellige Erpressung wehren? Z.B. indem ich Situationen wir die oben beschriebenen für mich sauber dokumentiere (Datum, Uhrzeit, genaue Situation, wer hat was gesagt)? Sollte ich dann beim Ausscheiden nur ein befriedigendes Zeugnis bekommen, hätte ich mit dieser Dokumentation schlagkräftige Argumente, dass ungerechtfertigte Forderungen gestellt wurden und mein Zeugnis deswegen abgewertet wurde?

Zu meinem Hintergrund: Ich bin Ingenieur und Projektleiter in der Konsumgüterindustrie.

Sehr geehrter Fragesteller,

Nach den von Ihnen zur Verfügung gestellten Daten und Mitteilungen möchte ich Ihnen Ihre Frage wie folgt verbindlich beantworten.

Hier müssen mehrere Ebenen auseinandergehalten werden. Das Bundesarbeitsgericht hat zuletzt in einer Entscheidung aus 2014 festgelegt, dass die Standardzeugnisnote "befriedigend" ist. Wer bessere Arbeitsleistungen behauptet und deshalb ein besseres Arbeitszeugnis begehrt muss dieses nachweisen, soll die Note schlechter sein als befriedigend muss der Arbeitgeber dies nachweisen.

Davon abzugrenzen ist Ihre arbeitsvertragliche Pflicht. Der normale Arbeitnehmer, auch in führenden Positionen, schuldet grundsätzlich nur eine Arbeitsleistung, keinen Arbeitserfolg. Etwas anderes müsste konkret im Arbeitsvertrag vereinbart sein.

Daraus ergibt sich zweierlei: Zum einen ist die Note des Zeugnisses nicht vom Arbeitsvolumen abhängig und andererseits ist es eine Frage der Beweislast in einem nachfolgenden Zeugnis Prozess, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Aussicht des Arbeitnehmers zu schlechtes Zeugnis ausstellt.

Die Protokollierung ihrer Tätigkeiten ist daher sicher sinnvoll, allerdings würde ich daraus auch keine Wissenschaft machen, da der Beweiswert in einem Gerichtsverfahren sehr gering ist. Für Ihren Fall würde ich Ihnen daher empfehlen, sich regelmäßig qualifizierte Zwischenzeugnis vom Arbeitgeber geben zu lassen. Dies verhindert im Falle einer nicht gütlichen Trennung ein Rachezeugnis des Arbeitgebers und sichert sie im normalen Arbeitsprozess ab, dass der Arbeitgeber nicht plötzlich eine personenbedingte Kündigung ausspricht.

Sicher haben Sie Recht, dass Arbeitgeber tendenziell Arbeitnehmer in low-performer und high-performer unterscheidet und natürlich Letztere es wesentlich leichter haben, ein gutes Arbeitszeugnis zu bekommen, auch wenn oder gerade weil sie damit über ihre vertraglich vereinbarte Pflicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung deutlich hinausgehen.

Ich hoffe, Ihre Frage damit vollumfänglich beantwortet zu haben, bei weiteren Unklarheiten nutzen Sie bitte gerne die Nachfragefunktion.

Mit freundlichen Grüßen, Andreas Lackner, Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 2. Juli 2020 | 12:02

Guten Tag Herr Lackner,

vielen Dank für Ihre Antwort, die ich aber noch nicht so ganz hilfreich finde.

Das regelmäßige Ausstellen eines qualifizierten Zwischenzeugnisses wird nicht unbedingt auf große Gegenliebe stoßen und weckt natürlich immer den Verdacht, dass man sich anderweitig umsieht. Von daher finde ich das keine gute Lösung. Vor einer personenbedingten Kündigung habe ich keine Sorge. Dafür muss man ja wirklich schlechte Leistung erbringen und davon bin ich weit entfernt.

Ich strebe, wenn ich den AG wechsle, beim alten AG ein sehr gutes bis gutes Zeugnis an. Ein „befriedigend" ist indiskutabel. Das hat bis vor kurzem auch immer problemlos geklappt. Nur beim letzten AG gab es hier erstmalig deutliche Meinungsverschiedenheiten. Mein Chef war ein absoluter Workaholic und hat von seinen Mitarbeitern ähnlichen Einsatz erwartet. Ich habe auch Einsatz gebracht, aber eben nicht in dem Masse, wie er es erwartet hat. Jetzt kann es doch nicht sein, dass ein Vorgesetzter die Anforderungen beliebig hoch schraubt und einem dann ein nur befriedigendes Zeugnis gibt („befriedigend" ist in der Bewerbungspraxis gleichzusetzen mit „schlecht", da es von Arbeitgebern genauso gewertet wird), wenn man diese nicht erfüllt. Da muss man sich doch irgendwie gegen wehren können.

Anders gefragt: Wenn mein Arbeitsvertrag 40 Stunden/Woche festlegt, ich dauerhaft 50 Stunden arbeite aber noch deutlich mehr arbeiten müsste um die Themen abzuarbeiten und mir dann vorgehalten wird, dass bestimmte Themen eben nicht abgearbeitet wurden – wie kann ich mich dagegen, und gegen eine entsprechende Bewertung/Zeugnis - wehren? Dieser Vorwurf würde sich ja im Übrigen auch in einem etwaigen Zwischenzeugnis wiederspiegeln. Wie könnte ich, im schlimmsten Fall, vor Gericht erreichen, dass ich ein gutes Zeugnis erhalte.

Beste Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. Juli 2020 | 12:32

Sehr geehrter Fragesteller,

es mag sein, dass aus Ihrer Sicht das Ausstellen eines qualifizierten Zwischenzeugnisses nicht auf Gegenliebe stoßen wird. Die Aussicht, dass sich damit anderweitig beworben wird finde ich unberechtigt, insbesondere aufgrund der Regelmäßigkeit des Ausstellens. Sicher ist es in Ihrem Falle hier für so eine Maßnahme zu spät. Dies war er als allgemeiner Hinweis für die Zukunft gedacht. Im Übrigen ist es tatsächlich Geschmackssache.

Um es noch einmal deutlich zu sagen, einen präventiven Rechtsanspruch auf die Erteilung eines guten bis sehr guten Zeugnisses gibt es nicht. Der Arbeitgeber hat hier den ersten Schuss. Sie können das Zeugnis nachher gerichtlich angreifen. Dabei gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Darlegungs- und Beweislastregeln.

Wie ich bereits in meiner ersten Antwort ausgeführt habe, hilft die vorsorgliche Dokumentierung dafür in jedem Fall, sie müsste dann nur unabhängig bestätigbar sein (Kollegen als Zeugen etc., mit den bekannten Schwierigkeiten der Aussagen von Solchen im Prozess), sonst ist es reiner Parteivortrag von Ihnen. Damit würde Wort gegen Wort stehen.

Auch bezüglich des Arbeitsvolumens hatte ich Ihnen bereits mitgeteilt, dass außer für den Fall, dass es in Ihrem Arbeitsvertrag anders ausformuliert ist (in Ihrem Arbeitsvertrag sind sämtliche Überstunden mit der Vergütung abgegolten), sie lediglich eine Arbeitsleistung schulden und keinen Arbeitserfolg. Eine schlechtere Benotung aufgrund zu wenig geleisteter Überstunden ist daher ausgeschlossen.

Das Prozessrisiko liegt allerdings bei Ihnen und um eine entsprechende Klage auf ein ordnungsgemäßes Zeugnis werden sie dann mit gegebenenfalls anwaltlicher Beratung und Vertretung nicht herumkommen.

Ich hoffe, mit dieser Antwort den noch verbliebenen Unklarheiten beseitigt zu haben, und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Andreas Lackner, Rechtsanwalt

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