Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
Die An- und Ausfertigung der Jahresabrechnung und die Vorlage zur Beschlussfassung in der WEG-Versammlung gehört zu den gesetzlichen Pflichtaufgaben eines Verwalters (§ 28 Abs. 3 WEG
). Kommt der Verwalter dieser Verpflichtung nicht nach, kann dies einen wichtigen Grund zur sofortigen Abbestellung bedeuten. Jeder Wohnungseigentümer hat einen eigenen Anspruch gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 5 WEG
auf Vorlage einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung, den er auch gerichtlich geltend machen kann.
Die Jahresabrechnung besteht aus einer geordneten Zusammenstellung der Ein- und Ausgaben über das abgelaufene Wirtschaftsjahr für das gesamte Haus (Gesamtjahresabrechnung) sowie aus den jeweiligen Einzelabrechnungen. Diese Abrechnungen müssen aus sich heraus und ohne Hinzuziehung von Fachkundigen verständlich sein.
Legt der Verwalter eine fehlerhafte Jahresabrechnung vor, so stellt die keine ordnungsgemäße Verwaltung im Sinne des WEG dar
Führt der Verwalter dennoch in Kenntnis der Umstände, dass eine fehlerhafte Abrechnung vorliegt, ohne weitere Prüfung eine Beschlussfassung über die Abrechnung vor, muss er im Fall einer erfolgreichen Anfechtung der von ihm gefertigten Jahresabrechnung auch die Kosten des Rechtsstreits tragen (so auch LG Berlin AZ: 55 T 81/15 WEG).
Ob die Versicherung des Verwalters daher die Kosten vorher übernommen hat, ist bei der Betrachtung daher irrelevant, da sich der Verwalter bei pflichtwidriger falscher Abrechnung selbst schadensersatzpflichtig macht und daher auch die Kosten des Anfechtungsverfahrens zu tragen hat.
Darüber hinaus gilt, auch wenn das Gericht dem WEG-Verwalter die Prozesskosten nicht gemäß § 49 Abs. 2 WEG
auferlegt, kann der Verwalter trotzdem zum Ersatz der Kosten verpflichtet sein (BGH, Beschluss v. 18.8.2010, V ZB 164/09
).
So der BGH:
§ 49 Abs. 2 WEG
ermöglicht dem Gericht aus prozessökonomischen Gründen, dem Verwalter Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft. Die Vorschrift erlaubt damit, den materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch des unterlegenen Wohnungseigentümers wegen der Verletzung von Pflichten bei der Verwaltung im Rahmen der Kostenentscheidung durchzusetzen. Ob das Gericht hiervon Gebrauch macht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Eine Verpflichtung, dem Verwalter immer dann die Kosten aufzuerlegen, wenn die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 WEG
erfüllt sind, hat das Gericht nicht.
Die Möglichkeit, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Verwalter in die prozessuale Kostenentscheidung einzubeziehen, führt nicht dazu, dass dieser Anspruch dem Wohnungseigentümer endgültig aberkannt wird, wenn das Gericht von der Anwendung des § 49 Abs. 2 WEG
absieht, weil es dessen Voraussetzungen nicht für gegeben erachtet.
Die erstrebte Rechtsfolge (Kostenerstattungsanspruch gegen den Verwalter) tritt sowohl bei (leicht) fahrlässigem als auch bei vorsätzlichem Handeln des Verwalters ein (§ 280 Abs. 1
i. V. m. § 276 Abs. 1 BGB
); eine Haftungsmilderung wird durch die allein aus Gründen der Prozessökonomie eingeführte Vorschrift des § 49 Abs. 2 WEG
nicht bewirkt. Im Rahmen des § 49 Abs. 2 WEG
kann das Gericht jedoch nur über eine auf grobem Verschulden beruhende Pflichtverletzung - und damit einen Teilaspekt - entscheiden.
Entgegen der Aussage des Verwalters ist die Kostenverantwortung m.E. höchstrichterlich entschieden, insbesondere dahingehend, dass selbst bei leichtem Verschulden eine Kostenerstattungsanspruch der WEG gegenüber dem Verwalter begründet sein kann, auch wenn keine Kostenfolge nach § 49 Abs. 2 WEG
seitens des Gerichts festgestellt worden ist, welche nur für grobes Verschulden gilt.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die WEG einen Kostenübernahmebeschluss tätigen kann. Jedoch kann auch dieser Beschluss anfechtbar sein, wenn dieser einen oder einzelne Eigentümer in ihren Rechten benachteiligt. Hier kann der Nachteil schon aus die obigen Gründen des Schadensersatzanspruchs gegenüber dem Verwalter begründet sein, da der Beschluss de facto auch Entlastungwirkung gegenüber dem Verwalter hat, da damit ein Anspruchsverzicht einhergeht.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Sascha Lembcke
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Rechtsanwalt Sascha Lembcke
vielen Dank für Ihre informative Stellungnahme. Eine Frage habe ich noch:
Wenn jeder einzelne Wohnungseigentümer seinen eigenen (anteiligen) Schadensersatzanspruch selbständig geltend machen kann, sind hier die §§ 21
, 46
des WEG einschlägig oder gibt es für die Klageberechtigung andere allgemeine Rechtsgrundlagen?
Ihre Nachfrage möchte ich gerne beantworten.
Der Anspruch des Eigentümers folgt, wie oben bezeichnet aus $21 Abs 5 Nr 5 WEG.
Die Beschlussanfechtung der freiwilligen Kostenübernahme dann i.V.m. $ 46 WEG.
MfG
RA Lembcke